Populismus ist keine Antwort auf Terror: Verschärfung des Waffenrechts ist ein Schuss in den Ofen!

Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FDP.

Am 10. Januar hat der Senat bekanntgegeben, dass er sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für die Verschärfung des deutschen Waffenrechts einsetzt. Mit diesem Vorstoß will der Bremer Senat halbautomatische Schusswaffen auch für den Jagd- und Schießsport verbieten. „Die Verfügbarkeit und der Reiz bestimmter Waffen begünstige die Tatausführung und löse sie gegebenenfalls auch erst aus“, begründete Innensenator Mäurer diesen Schritt. Dass ein Verbot bisher legaler Schusswaffen, von denen es insgesamt ca. 6 Millionen in Deutschland gibt, nicht zu einer Verringerung der ca. 20 Millionen illegalen Schusswaffen in Deutschland beiträgt, bleibt hierbei bewusst unerwähnt.

Wenn der Bremer Senat nun, als erste Reaktion auf den grausamen Terroranschlag in Berlin vom 19. Dezember 2016 eine Verschärfung des Waffenrechts fordert, dann ist dies nichts anderes als blanker Populismus. Die Verweise auf die grausamen Morde von Utøya und Orlando belegen, dass der Senat seine Verbotsbestrebungen in einen direkten Zusammenhang mit Amokläufen und Terroranschlägen stellt. Anstatt ernsthafte Konsequenzen zu ziehen und strukturelle Lösungen für das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden zu finden, soll der ohnehin verunsicherten Bevölkerung erneut nur Sand in die Augen gestreut werden. Denn auch der Berliner Anschlag hätte nicht durch strengere Waffengesetze verhindert werden können. Der Tod von 12 Menschen am 19. Dezember 2016 gründet nicht auf einem Rechtsversagen, sondern zweifelsfrei auf einem Behördenversagen. Damit hat dieser Anschlag, nach dem Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden im Falle des rechten Terrornetzwerks NSU, nochmals die Mängel der deutschen Sicherheitsarchitektur auf erschreckende Weise offengelegt.

Zur Verhinderung dieses Anschlags hätte es einer effektiven Arbeit der deutschen Sicherheitsbehörden bedurft und keiner strengeren Waffengesetze. Der Berlin-Attentäter Anis Amri war den Behörden nach heutigem Kenntnisstand nachweislich unter 14 verschiedenen Identitäten bekannt. Bereits bevor der Täter 2015 nach Deutschland kam, saß er nach seiner Einreise in Italien im Jahr 2011 mehrere Jahre wegen Körperverletzung und Brandstiftung in Haft. Auch den deutschen Börden war Amri bekannt. So sollen zeitnah nach seiner Einreise Kenntnisse über Kontakte zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ vorgelegen haben. Während sich Amri über Monate hinweg in unterschiedlichen Städten unter verschiedenen Identitäten anmeldete und Sozialleistungen erschlich, wurde er schließlich im Februar 2016 vom Nordrhein-Westfälischen Landeskriminalamt als Gefährder eingestuft. Fortan sollen den Ermittlern durch die Überwachung des Verdächtigen weitere Informationen zu seiner Nähe zum IS offenkundig geworden sein. Darüber hinaus soll der Fall Amri auch mehrfach im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ), der Koordinierungsstelle der Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes, thematisiert worden sein. Zusätzlich habe der marokkanische Geheimdienst die deutschen Sicherheitsbehörden im Herbst 2016 mehrfach vor einem drohenden Anschlag durch Amri gewarnt.

Geschehen ist jedoch nichts. Eine Abschiebung des Gefährders wurde mit Verweis auf fehlende Passersatzdokumente nicht vollzogen. Weder eine Verbringung in Abschiebehaft bis zum Vorliegen der Passersatzdokumente noch eine dauerhafte Inhaftierung im Rahmen der Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat sind erfolgt. Dass die Sicherheitsbehörden trotz ihres Kenntnisstands den Gefährder Amri im Spätherbst „aus den Augen“ verloren, bezeugt die Tragweite des staatlichen Versagens.

Angesichts einer solchen Sicherheitslage ist es absurd, dass der Bremer Senat nun in seiner ersten Reaktion Jäger und Sportschützen ins Visier nimmt. Gerade Jägern und Sportschützen kann ihr verantwortungsbewusster Umgang mit Waffen hoch angerechnet werden. Schon allein durch die diversen Hürden zum Erwerb einer Waffenbesitzkarte, die für Jäger und Sportschützen schon heute gelten, kann ein missbräuchlicher Umgang nahezu vollständig ausgeschlossen werden. Für den Jagdschein müssen im Land Bremen mindestens 120 Stunden theoretischer und praktischer Übungen durchgeführt werden. Zudem erfolgt im Anschluss hieran eine mehrtägige Prüfung. Auch Sportschützen können frühestens ein Jahr nach dem Eintritt in einen Sportschützenverein eine Waffenbesitzkarte erwerben. Hierfür müssen entweder regelmäßige monatliche Schießübungen oder insgesamt mindestens 18 unregelmäßige Schießübungen im Jahr nachgewiesen werden. Dass Jäger und Sportschützen einen verantwortungsvollen Umgang mit Waffen pflegen, belegt auch die Statistik zur Waffenkriminalität des Bundeskriminalamts. Waffengewalt ist in Deutschland kein maßgebliches Sicherheitsproblem: Bei lediglich 0,1 Prozent aller erfassten Straftaten wurden im Jahr 2015 Schusswaffen verwendet. Von den 470 Waffen, die an Tatorten im Zusammenhang mit Straftaten sichergestellt wurden, waren lediglich 6 Stück legale, erlaubnispflichtige Schusswaffen. Mit Blick auf schwerste Straftaten und terroristische Anschläge stellt die Analyse des BKA zudem fest, dass sich (potenzielle) Straftäter hierzu insbesondere bereits heute frei erwerbbarer Dekorations- und Salutwaffen bedienen und diese illegal reaktivieren. Das vom Senator für Inneres vorgeschlagene Verbot von Waffen, die verbotenen Kriegswaffen ähneln, läuft darüber hinaus ins Leere. Schon jetzt muss zum Gebrauch von halbautomatischen Langwaffen ein Feststellungsbescheid des BKA vorliegen, der angibt, dass es sich bei der zu genehmigenden Waffe nicht um eine verbotene Kriegswaffe handelt und die Waffe sportlich verwendet werden kann.

Daraus wird deutlich, dass weder Schwerstkriminalität noch Terroranschläge durch ein Verbot von halbautomatischen Schusswaffen verhindert werden können. Anstatt den Scheinlösungen des rot-grünen Senats, die Jäger und Sportschützen zu potenziellen Gefährdern stilisieren, braucht es echte Antworten und Konsequenzen aus dem unbestreitbaren Behördenversagen.

Es ist zweifellos notwendig die gesamte Sicherheitsarchitektur von Bund und Ländern auf den Prüfstand zu stellen. Offenkundig beruht ein Großteil des Versagens im Fall Amri auf der Kleinstaaterei der Überwachungsbehörden. Leider ist auch dies keine Neuigkeit, denn schon der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Anti-Terroreinsatz im Jahr 2015 in Bremen hat massive Kooperationsmängel zwischen den Sicherheitsbehörden festgestellt. Der Abschlussbericht dieses Ausschusses macht deutlich, dass diese mangelnde Kooperation und Kommunikation vielfach der Grund für die aufgetretenen Überwachungsfehler war. Gleichzeitig hat der Ausschuss festgestellt, dass die Sicherheitsarchitektur Deutschlands noch immer von dem Gedanken geprägt sei, den zentralistischen Sicherheitsapparat des Nationalsozialismus föderal zu zerschlagen. Für einzelne Phänomenbereiche, wie beispielsweise den islamistischen Terrorismus sei ein intensiver Austausch über Ermittlungserkenntnisse von Verfassungsschutzbehörden, Nachrichtendiensten und Polizei jedoch unabdingbar.

Derzeit wird diese Kooperation in gewissem Maße über das GTAZ durchgeführt. Die Tatsache, dass trotz mehrfacher Beratungen des Falls Amri im GTAZ keine der rechtlich möglichen Maßnahmen ergriffen wurden, die den grausamen Terrorakt von Berlin hätten verhindern können, zeigt jedoch, wie ineffektiv diese Kooperation noch immer ist. Um der Kleinstaaterei der Sicherheitsbehörden effektiv entgegenzuwirken, bedarf es nicht nur warmer Worte und Scheinlösungen. An erster Stelle muss hier eine Debatte über die Effizienz und Notwendigkeit von 16 Landesämtern für Verfassungsschutz stehen. Diese blähen den deutschen Sicherheitsapparat massiv auf und erschweren eine effektive Ermittlungsarbeit. Im Fall des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz können sogar ermittlungstechnisch notwendige Überwachungsmaßnahmen nicht selbst vorgehalten werden. So lassen die bremischen Sicherheitsbehörden bereits heute Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) technisch und organisatorisch vom niedersächsischen Landeskriminalamt durchführen. Dies macht deutlich, dass ein Teil der Ermittlungsarbeit der bremischen Sicherheitsbehörden schon heute nicht mehr von Bremen aus sinnvoll durchgeführt werden kann. Gerade deshalb muss eine Zusammenlegung der Landesämter für Verfassungsschutz der Länder Bremen und Niedersachsen ganz oben auf die Agenda gesetzt werden.

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

  1. seine Bundesratsinitiative zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes“ unverzüglich zurückzuziehen,
  2. sich aktiv an der sachlichen Aufklärung um die Versäumnisse der deutschen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 in Berlin zu beteiligen und der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) hierüber bis zum 30. Juni 2017 zu berichten und
  3. gemeinsam mit der Niedersächsischen Landesregierung zu prüfen, inwieweit die Sicherheitsarchitektur Bremens und Niedersachsens durch eine Zusammenlegung der Landesämter für Verfassungsschutz des Landes Bremen und des Landes Niedersachsen verbessert werden kann und der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) hierüber bis zum 30. Juni 2017 zu berichten.

 

Peter Zenner, Lencke Steiner und die Fraktion der FDP