Kassel (jur). Eine unfruchtbare Frau in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft kann die Kosten einer künstlichen Befruchtung steuerlich als „außergewöhnliche Belastungen“ geltend machen. Das umfasst allerdings nicht die Kosten für die Beschaffung von Spendersamen, wie am 15. November 2016 das Hessische Finanzgericht (FG) in Kassel entschied (Az.: 9 K 1718/13). Das Urteil wurde kürzlich vom Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) im Internet veröffentlicht.

Die Klägerin lebt seit 2004 in eingetragener Lebenspartnerschaft. Wegen Zysten in ihren Eierstöcken (sogenanntes PCO-Syndrom) ist sie unfruchtbar. 2008 unterzog sie sich einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) mit Spendersamen. Kosten von insgesamt 10.950 Euro machte sie steuerlich als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Das Finanzamt erkannte dies nicht an. Denn die Kinderlosigkeit der Frau liege nicht nur an ihrer Unfruchtbarkeit, sondern auch daran, dass ihre Partnerin auf natürlichem Weg keine Kinder zeugen könne. Mit dieser Begründung hatte in einem vergleichbaren Fall auch das FG Münster die Steuervergünstigung versagt (Urteil vom 23. Juli 2015, Az.: 6 K 93/13 E; JurAgentur-Meldung vom 16. Oktober 2015).

Demgegenüber gab das FG Kassel der Frau nun überwiegend recht. Die Unfruchtbarkeit der Frau „stellt eine Krankheit dar, deren Behandlungskosten grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind“, heißt es in dem Urteil. Die Aufwendungen für eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke und die anschließende Entnahme von Eizellen für eine künstliche Befruchtung seien „krankheitsbedingte und somit abzugsfähige Aufwendungen“. Insgesamt 8.271 Euro seien daher als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.

Allerdings hätte die Frau auch ohne ihre Unfruchtbarkeit von ihrer Partnerin kein Kind bekommen können, so das FG Kassel weiter. Die restlichen Kosten, die überwiegend für die Beschaffung und den Transport von Spendersamen einer Samenbank in Berlin angefallen waren, seien daher nicht krankheitsbedingt und könnten steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung und Abweichung von dem Urteil des FG Münster ließen die Kasseler Richter die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) in München zu. Eine Revision gegen das Münsteraner Urteil ist dort bereits anhängig.

Nach der Rechtsprechung des BFH können Ehepaare auch die Kosten für Spendersamen als außergewöhnliche Belastungen anrechnen, wenn der Mann unfruchtbar ist (Urteil vom 16. Dezember 2010, Az.: VI R 43/10).

Steuermindernd wirken sich außergewöhnliche Belastungen allerdings nur aus, soweit sie eine einkommensabhängige „zumutbare Belastung“ übersteigen.


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