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Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Und ich mache trotzdem weiter“

Guido Schäfer, Klaus Jetz (beide Hirschfeld-Eddy-Stiftung), Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, Anbid Zaman und Bürgermeister Andreas Wolter

Erfahrungen eines jungen schwulen Aktivisten aus Bangladesch

Die Botschaft ist klar: Anbid Zaman wird nicht aufgeben für die Freiheit zu lieben einzutreten – und das nach all dem, was ihn dieser Kampf bereits gekostet hat.

Im Juli des vergangenen Jahres kam der 21jährige Aktivist von Bangladesch nach Deutschland, nur drei Monate nach dem Attentat auf zwei seiner Freunde und Mitaktivisten — Xulhaz Mannan und Mahbub Tonoy. Anbid hatte sich bei der von Xulhaz gegründeten LSBT-Organisation Roopbaan engagiert.

Anbid ZamanDie Begriffe „schwul“ oder „lesbisch“, so erzählt Anbid Ende Januar bei einer Veranstaltung in der Kölner LSVD-Geschäftsstelle sind in Bangladesch nicht weit verbreitet – und somit wurde auch die Existenz schwuler oder lesbischer Identität geleugnet. Ein Ausflug in die Geschichte zeigt aber, dass es Homosexualität auch in Bangladesch schon immer gegeben hat. Es war während der britischen Kolonialisierung, dass Paragraph 377 des Strafgesetzbuches in Bangladesch, und anderen britischen Kolonien eingeführt wurde. Jenes Gesetz besagt, dass „wer freiwillig fleischliche Beziehungen gegen die natürliche Ordnung mit einem Mann, einer Frau oder einem Tier eingeht“ mit lebenslanger Haft bestraft werden kann. „Gegen die natürliche Ordnung“ wird dabei von den Gerichten so ausgelegt, dass jegliche sexuelle Handlung, die nicht der Reproduktion dient,  ungesetzlich ist. Zwar, so Anbid, wurde die Vorschrift nur einmal angewendet, es gäbe der Regierung jedoch die Möglichkeit, die Situation von LSBT Menschen schlichtweg zu ignorieren.

Dabei gibt es auf dem indischen Subkontinent schon lange ein von der Gesellschaft toleriertes drittes Geschlecht: Es sind die Hijras. Sie haben sich aufgrund ihrer Nonkonformität mit der gesellschaftlichen Geschlechtsnorm zusammengeschlossen und leben meist in eigenen, wenn auch marginalisierten Gemeinschaften. Dabei bieten sie auch einen Schutzraum für Lesben und Schwule.

Doch außerhalb der Hijra Community finden LSBT keinerlei Repräsentation und Akzeptanz in der Gesellschaft. So ging es auch Anbid, der in Dhaka aufwuchs, ohne zu wissen, was „schwul“ überhaupt bedeutet – denn das waren ja alles westliche Begriffe. Erst später lernte Anbid, seine Sexualität offen zu leben. Er war glücklich mit dem, wie er war, und wollte das allen zeigen.

Bangladesh Rainbow RallyeUm die Sichtbarkeit von sexueller Vielfalt und Geschlechteridentitäten zu erhöhen, fing er 2013 zusammen mit anderen Aktivist*innen an, für Roopbaan zu arbeiten. Roopbaan produzierte das erste LSBT-Magazin für Bangladesch. Der klare Fokus der Arbeit: Liebe. Liebe, die ein Mensch für einen anderen Menschen empfindet, und damit eben auch gleichgeschlechtliche Liebe. Der Adressat war ein konservativ: die Bevölkerung und Regierung von Bangladesch. So vertrat auch das Magazin konservative Werte und zeigte, dass Homosexualität nicht im Widerspruch mit der traditionellen Kultur des Landes steht.

Darüber hinaus veranstalteten die Aktivist*innen von Roopbaan traditionelle Feste, bedienten sich der Kunst und Kultur des Landes. Egal ob Tanz, Gedichte oder Zuckerfest – Roopbaan zeigte, dass Homosexualität keine westliche Erfindung ist, sondern auch in den bengalischen Werten seinen Platz findet.

Deswegen nannten sie auch die „Rainbow Rallye“, die sie 2014 am bengalischen Neujahr – Pohela Boishakh – zum ersten Mal veranstalten, nicht „Dhaka Pride“. Das hätte zu westlich geklungen. Es war in dem Sinne keine Pride Parade, sondern ein Umzug der Vielfältigkeit, der Hoffnung und Festlichkeit.

Doch mit dem Erfolg kam auch die Bedrohung. Und dann, am 25. April 2016, kam das Attentat, das alles änderte: Anhänger eines Ablegers des Terrornetzwerks Al-Quaida verschafften sich Zutritt zu der Wohnung von Xulhaz Mannan, der sich gerade in einer Besprechung mit Mahbub Tonoy befand. Anbid war eigentlich auch zu der Besprechung eingeladen gewesen – seine Verspätung rettete ihm das Leben.

Bangladesh Veranstaltung, Januar 2017Nach dem Attentat wich Anbids Offenheit der Angst. Er versteckte sich im Haus seiner Eltern, ging nicht mehr auf die Straße oder zur Uni. Er erhielt Anrufe von Zeitungen aus aller Welt. Dass diese seine Nummer hatten, beunruhigte ihn noch mehr. Doch dann kam ein Anruf, der alles verändern sollte: Ein Anruf aus Deutschland vom Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V.

Mit deren Hilfe und jede Menge weiterer Unterstützung aus Deutschland schaffte Anbid es, nach Köln zu gelangen. Die Dankbarkeit steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er in die Menge blickt. Denn heute sind sie alle da: Seine neu gewonnenen Freund*innen, die Leute vom LSVD und von Rainbow Refugees und sogar die Kölner BürgermeisterInnen Elfi Scho-Antwerpes und Andreas Wolter. Und auch sein Freund ist extra aus England angereist. Irgendwann, so Anbid, möchte er sich auch unbedingt persönlich bei der Oberbürgermeisterin Henriette Reker bedanken, dass sie durch ihren Einsatz seine Aufnahme in Deutschland möglich gemacht hat.

Luke Mott
Hirschfeld-Eddy-Stiftung



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