Tausende Menschen ziehen zum Christopher Street Day durch die Stadt. Themen waren die Ehe für alle, steigende Gewalt und Homophobie.

Blumen und Regenbögen, Lack und Leder, wummernde Bässe und schillernde Schönheiten – fast alles war wie immer auf dem diesjährigen Christopher Street Day in Berlin, nur eines war definitiv anders: Es gab mehr Bräute beiderlei Geschlechts in schwingenden Hochzeitskleidern, die die gerade beschlossene Ehe für alle in Deutschland feierten.

Unter dem Motto „Mehr von uns – jede Stimme gegen rechts“ startete die 39. Berliner Parade von Schwulen, Lesben, Bi- und Transsexuellen am gestrigen Sonnabend kurz nach 13 Uhr vom Kurfürstendamm zum Brandenburger Tor. Angemeldet waren rund 60 Wagen, zum Start hatten sich Tausende Teilnehmer und Neugierige an den Straßenrändern versammelt. Die Polizei ging von mehr als 10.000 Teilnehmern aus, der Veranstalter sprach von mehreren Hunderttausend, wobei darin auch die Zuschauer entlang der Wegstrecke enthalten waren. Insgesamt waren bis zu 750.000 Teilnehmer erwartet worden.

Demo unter dem Eindruck wachsender homophober Ressentiments

Im Vergleich zu früheren Berliner CSD-Paraden war der Zug im Wahljahr 2017 politischer – aber auch kommerzieller. Von Vattenfall über Deutsche Bank, Ebay bis zu landeseigenen Betrieben hatten viele Unternehmen eigene Trucks, viele hatten eigene Claims entwickelt, verteilten Werbung. Auch die meisten Parteien waren vertreten. Besonders gefeiert wurde der Grünen-Politiker Volker Beck, der als politischer Wegbereiter der Ehe für alle gilt. Diese Woche hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnet, im Oktober könnte es in Kraft treten. Erstmals gab es auch einen Truck der evangelischen Kirche, die in Berlin und Brandenburg seit Juli 2016 kirchliche Trauungen homosexueller Paare ermöglicht.

Andererseits stand die Demonstration auch unter dem Eindruck steigender homophober Ressentiments und Gewalt in Deutschland sowie der Unterdrückung in vielen anderen Ländern. „Next Stop Istanbul Pride“, „Next Stop Beirut Pride“, „Next Stop Bagdad Pride“ forderten Teilnehmer auf Plakaten in Anspielung auf Städte, in denen der CSD verboten ist oder nur unter großen Problemen stattfinden kann. In der Türkei setzte die Polizei im Juni Tränengas gegen CSD-Teilnehmer ein.

In Berlin blieb es beim Wassereinsatz. Die erste „Dusche“ kam von oben, bei einem heftigen Gewitter am Nachmittag. Der Zug lief trotzdem weiter. Und auch die BSR setzte ihre Form der „Wasserwerfer“ ein – eine orangefarbene Kolonne aus rund 60 Besenwagen kehrte Konfetti, leere Flaschen und Müll wieder auf – unter dem Motto: „Mehr Glanz für Toleranz“.

Zum Auftakt war an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus erinnert worden, dies sei langjährige Tradition, so der Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg, Ulrich Keßler. Zum Unrecht gehöre auch, dass die Verfolgung schwuler Männer nach 1945 fortgesetzt wurde.

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