https://queer.de/?29273
Der Magdeburger Regierungschef hadert
Reiner Haseloff fühlt sich von Ehe-Öffnung überrollt
Bereits vor 22 Jahren beriet der Bundestag über einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe – der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt findet dennoch, dass man noch länger über das Thema hätte debattieren sollen.
Martin Rulsch, Wikimedia Commons / wikipedia) Reiner Haseloff (CDU) will noch länger darüber debattieren, ob Schwule und Lesben im Ehe-Recht gleich zu behandeln sind oder nicht (Bild:
- 14. Juli 2017, 16:36h 3 Min.
Noch immer beklagen Gegner der Gleichstellung, dass sie von der Abstimmung im Bundestag überrumpelt worden seien, so auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Magdeburger "Volksstimme": "Insgesamt bedauere ich es sehr, dass das Thema im Bundestag so schnell abgehandelt wurde und für eine wirkliche Debatte keine ausreichende Zeit blieb", so Haseloff.
Freilich wird bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten intensiv über die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben im Ehe-Recht gesprochen. So hatten die Grünen bereits 1995 den "Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" (PDF) in den Bundestag eingebracht. Auch in der aktuellen Legislaturperiode gab es mehrere Bundestagsdebatten über die Ehe für alle.
Bei LSVD sorgt Ministerpräsident für "ratloses Kopfschütteln"
Auch der Lesben- und Schwulenverband in Sachsen-Anhalt reagierte überrascht auf den Vorwurf von Haseloff: "Für uns Lesben und Schwule sorgt diese Äußerung unseres Ministerpräsidenten für ratloses Kopfschütteln", so Landesvorstandsmitglied Mathias Fangohr. "Seit Gründung unseres Verbandes unter Eduard Stapel noch zu DDR-Zeiten am 18. Februar 1990 in Leipzig und anschließendem ersten Verbandstag am 23. Juni 1990 in Magdeburg – noch vor der Wiedervereinigung – kämpfen wir landes- und bundesweit für die Öffnung der Ehe für alle."
Seit 27 Jahren führe man also bereits eine "gesamtgesellschaftliche öffentliche Debatte bei intensiver Einbindung der Politik auf allen Ebenen" und demonstriere auf CSDs für die Gleichstellung. Offensichtlich habe Haseloff "die Debatte in knapp drei Jahrzehnten vollkommen verschlafen", mutmaßte Fangohr.
Haseloff: Grundgesetzänderung für Ehe-Öffnung notwendig
Der Magdeburger Regierungschef, der eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen anführt, sagte auch, das Institut der Ehe habe "für die Gesellschaft einen hohen Wert, der nicht ohne Grund in der Verfassung verankert ist". Er halte für die Ehe-Öffnung eine Grundgesetzänderung für notwendig, auch weil sich ein verändertes Verständnis des Ehebegriffs in der Verfassung widerspiegeln sollte. Er sehe "einer Behandlung vor dem Bundesverfassungsgericht deshalb mit Interesse entgegen."
Gleichstellungsgegner führen immer wieder an, dass der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 des Grundgesetzes ein indirektes Ehe-Verbot für Schwule und Lesben enthalte: Das hätten die Väter und Mütter des Grundgesetzes so beabsichtigt und sei so von Gerichten bis hin zu Karlsruhe so mehrfach festgestellt worden. Die meisten Verfassungsexperten halten diese Argumentation für vorgeschoben. Verfassungsrechtlerin Friederike Wapler hat etwa 2015 ein Gutachten erstellt, das besagt, dass die einfachgesetzliche Ehe-Öffnung kein Problem sei (queer.de berichtete).
Die CDU von Sachsen-Anhalt hat sich in den letzten Jahren deutlich gegen die Gleichbehandlung positioniert. Die Landespartei legte sogar in ihrem Grundsatzprogramm von 2013 fest, am Ehe-Verbot für Schwule und Lesben festhalten zu wollen (queer.de berichtete). (dk)
22 Jahre sind mehr als genug!
Wer jetzt noch mehr Zeit fordert, will nicht mehr Zeit, sondern verhindern...