Ehe für alle:Geheimhaltung statt Glückwünsche

Homosexuellen Ehepaaren droht in ihrer Heimat oft Verfolgung und Diskriminierung. Standesämter sollen ausländischen Behörden deshalb keine Auskunft erteilen, fordern Verbände.

Von Ulrike Heidenreich

Es ist eine gute Woche her, dass in Deutschland erstmals homosexuelle Paare geheiratet haben - wie Mann und Frau. Möglich wurden diese Hochzeiten, weil zum 1. Oktober das Gesetz zur Ehe für alle bundesweit in Kraft trat. Manche schwulen oder lesbischen Paare aber werden es sich sehr genau überlegen, ob sie tatsächlich amtlich den Bund der Ehe schließen wollen. Wenn einer der Partner aus einem Land stammt, in dem Homosexuelle diskriminiert werden, könnten die Nachteile für sie überwiegen - denn die Änderung ihres Personenstands wird den Herkunftsländern mitgeteilt.

Die rosarote Brille setzt man nach einem Blick auf die Ilga-Weltkarte schnell ab; auf dieser Übersicht dokumentiert die International Lesbian and Gay Association (Ilga) den rechtlichen Status von Lesben, Schwulen, Bi- und Intersexuellen sowie Transgendern weltweit. Demnach sind es 76 Staaten, in denen homophobes Strafrecht gilt. In sieben Staaten (Iran, Jemen, Mauretanien, Saudi-Arabien, Sudan, Teile von Nigeria und Somalia) sind Schwule von der Todesstrafe bedroht. In 22 asiatischen Staaten werden Homosexuelle strafrechtlich verfolgt; unter anderem auch auf zehn karibischen Inselstaaten sind homosexuelle Handlungen strafbar.

Schwule und Lesben sollen in ihren Herkunftsländern nicht entwürdigt werden

Was tun, wenn die Behörden bei der Einreise erkennen können, dass da im Ausland eine Frau eine Frau oder ein Mann einen Mann geheiratet hat? Am 1. November, einen Monat nach Wirksamkeit der Ehe für alle, tritt nämlich ein weiteres Gesetz in Kraft: Es ist das sogenannte Personenstandsrechts-Änderungsgesetz. Bei den Beratungen hatten die Vertreter des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD) erfolgreich darauf gedrungen, dass ausländischen Vertretungen nicht Auskunft aus Personenstandsregistern gegeben werden darf, wenn die Angehörigen dieses Staates in homosexuellen Lebenspartnerschaften leben. Der Grund: Es soll verhindert werden, dass Schwule und Lesben in ihren Herkunftsländern bei Familienbesuchen entwürdigt und bloßgestellt werden, amtsärztliche Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen oder gar inhaftiert werden.

"Während des Gesetzgebungsverfahrens war noch nicht abzusehen, dass es demnächst auch gleichgeschlechtliche Ehen geben würde", sagt Manfred Bruns, ehemaliger Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und LSVD-Fürsprecher. In einem Brief an das Bundesinnenministerium fordert er nun, dass das Gesetz nachgebessert wird. "Die Standesämter müssen angewiesen werden, in der Zwischenzeit auch über gleichgeschlechtlich verheiratete Ausländer keine Auskunft zu erteilen", so Bruns. Die Angst, die jeweiligen konsularischen Vertretungen könnten Wind davon bekommen, wenn ein Ausländer in Deutschland seine Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandelt oder einen gleichgeschlechtlichen Partner heiratet, ist nicht unbegründet.

Zwar heißt es schon jetzt unter Punkt 9 des neuen Gesetzes: "Ob Mitteilungen an ausländische Stellen aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen erfolgen können, ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Kulturkreise im Einzelfall zu prüfen." Laut Bruns bezieht sich das aber wohl nur auf die vertraglich vorgesehenen automatischen Datenübermittlungen. Die Erteilung von Personenstandsurkunden und Auskünfte aus einem Personenstandsregister würden dort jedoch nicht angesprochen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: