Recht & Urteil

Haftung des Grundeigentümers für Nachbarschäden

Die wenigsten Grundeigentümer werden sich Gedanken über mögliche Folgeschäden ihrer Nachbarn machen, wenn sie Handwerker mit der Ausführung von Arbeiten an ihrem Haus beauftragen. Dies kann jedoch ein folgenschwerer Fehler sein, wie eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Thema Nachbarrecht belegt (BGH Urteil vom 09. Februar 2018, Az.: V ZR 311/16).

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit waren die Beklagten Rechtsnachfolger von ursprünglich beklagten Eheleuten, die im Laufe des Rechtsstreits verstorben waren. Diese hatten als Eigentümer eines Wohnhauses im Jahr 2011 Reparaturarbeiten an dem Flachdach ihres Hauses von einem Dachdecker durchführen lassen. Bei den mit Hilfe eines Brenners durchgeführten Heißklebearbeiten verursachte dieser schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes unter den aufgeschweißten Bahnen, so dass das Dach des Hauses in Brand geriet. Die herbeigerufene Feuerwehr konnte das Haus nicht retten, welches vollständig niederbrannte. Durch das Feuer sowie die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Nachbarhaus erheblich beschädigt.

Die Nachbarimmobilie war bei der Klägerin dieses Rechtsstreits versichert, welche den Schaden bedingungsgemäß regulierte und die Kosten aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG bei dem schadenstiftenden Dachdecker geltend machte. Dieser wurde zwar zur Zahlung von 97.801,29 EUR verurteilt, jedoch wurde über sein Vermögen in der Folge das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet, so dass die Klägerin daraufhin die Eigentümer des in Brand geratenen Hauses auf Zahlung in Anspruch nahm.

Vor dem erstinstanzlich angerufenen Landgericht war der Klägerin jedoch kein Erfolg beschieden. Ebenso verhielt es sich bei dem als Berufungsinstanz angerufenen Oberlandesgericht. Das OLG sah keine Haftung der Beklagten aus dem Aspekt der unerlaubten Handlung, da  keine Anhaltspunkte dargetan waren, dass diese den Dachdecker nicht sorgfältig ausgewählt hätten. Auch einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verneinte das OLG, da die damaligen Grundstückseigentümer keine Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB gewesen seien, sondern mit der sorgfältigen Auswahl des beauftragten Dachdeckers alles aus ihrer Sicht Erforderliche getan hätten, um die Gefahr eines Brandschadens zu minimieren.

Dieser Sichtweise schloss sich der BGH jedoch nicht an und gab der Revision der Klägerin statt. Anders als das OLG sah der Senat einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S.2 BGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 S. 1 VVG als gegeben an.

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch setzt voraus, dass von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Nutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die dessen Eigentümer nicht dulden muss, jedoch aus besonderen Gründen nicht unterbinden kann und dadurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß übersteigen. Diese Voraussetzung bejahte der BGH für den Fall eines übergreifenden Brandes, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht rechtzeitig erkennen und von daher auch nicht abwehren kann.

Weitere Voraussetzung eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches ist, dass der in Anspruch genommene Nachbar als Störer im Sinne des § 114 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Diese Einschätzung, die zunächst voraussetzt, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Nachbarn zurückgeht, ist nur anhand einer wertenden Einzelfallbetrachtung vorzunehmen.  Diese Störereigenschaft hat der BGH im vorliegenden Fall bejaht mit der Begründung, für die Zurechnung der durch den Dachdecker verursachten Gefahrenlage, komme es nicht darauf an, ob die Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Handwerkerauswahl irgendwelche Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Maßgeblich sei einzig, ob es Sachgründe gäbe, die eingetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Da diese in ihrer Eigenschaft als Gebäudeeigentümer die Vornahme der Dacharbeiten beauftragt hätten und aus diesen auch Nutzen ziehen wollten, hätten sie eine Gefahrenlage geschaffen,, so dass der schlussendlich aufgrund mangelhafter Ausführung der Arbeiten ausgebrochene Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Einflussbereich zuzurechnen seien.

Diese Entscheidung ist juristisch sicherlich gut vertretbar, lässt die Gebäudeeigentümer aber oftmals schutzlos zurück, da der Einschluss von nachbarrechtlichen Ausgleichsansprüchen nach §§ 906, 1004 BGB in Haus- und Grundeigentümer-Haftpflichtverträgen nicht unbedingt als normaler Standard gelten kann. Es bestätigt sich auch hier wieder die Binsenweisheit, dass jeder gut daran tut, einen branchenerfahrenen Spezialisten mit der Beschaffung einschlägigen Versicherungsschutzes zu beauftragen, da entsprechende Deckungskonzepte für Immobilien diese Nachbarrechtskomponente üblicherweise enthalten.