Recht & Urteil

Sturmschäden in Zeitlupe

In den letzten Jahren ist ein vermehrtes Auftreten von Starkwindereignissen zu beobachten gewesen, vermutlich begünstigt durch die Effekte des Global Warming, vorausgesetzt man ist kein Anhänger der Lesart, dass dieses nur eine Erfindung der Chinesen sei. Die Thematik der Sturmschäden hat in einer Entscheidung des OLG Hamm aus dem Herbst letzten Jahres allerdings eine sehr spezielle Ausprägung erfahren, da sich die Sturmeinwirkung in Gestalt eines umgestürzten Baumes dort erst mit einer Zeitverzögerung von immerhin sechs Tagen manifestierte (vgl. Urteil des OLG Hamm vom 25. September 2017, Az.: I-6 U 191/15, abgedruckt auch in RuS 2018, 18f; MDR 2018, 277).

Kläger dieses Rechtsstreits war ein Versicherungsnehmer, der bei der beklagten Versicherungsgesellschaft seit 1991 eine Gebäudeversicherung, welche u.a. das Risiko Sturm beinhaltete, vorhielt. Im Februar 2010 herrschte unstreitig im Bereich des klägerischen Grundstücks Wind mit einer Stärke von 8 Beaufort, so dass insoweit die bedingungsseitigen Voraussetzungen des Versicherungsvertrages für das Vorliegen eines Sturmschadens erfüllt waren. Während des Sturms sowie unmittelbar danach passierte jedoch nichts. Erst mit einer „Verspätung“ von sechs Tagen stürzte ein auf dem Nachbargrundstück stehender Baum um und beschädigte das Gebäude des Klägers erheblich. Daraufhin regulierte der Haftpflichtversicherer des Nachbarn den Schaden in Höhe von 18.583,09 EUR. 

Der Kläger meldete daraufhin den Schaden seinem Gebäudeversicherer und begehrte den Ersatz der über den Entschädigungsbetrag des Haftpflichtversicherers, welcher nur den Zeitwertschaden erstattet hatte, hinausgehenden Schadens. Insgesamt belief sich die Klagforderung auf 34.818,68 EUR.  

Die Beklagte verweigerte jedoch die Regulierung. Sie berief sich darauf, der Schaden am klägerischen Gebäude sei nicht durch eine unmittelbare Einwirkung des Sturms auf versicherte Sachen eingetreten. Das erstinstanzlich angerufene Landgericht holte daraufhin mehrere Gutachten ein und gab der Klage schließlich in Höhe von 17.758,87 EUR statt. Das LG begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger bewiesen habe, dass der Versicherungsfall eingetreten sei. Aus dem Wortlaut der dem Vertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen ergebe sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht, dass nur solche Schäden gedeckt seien, die durch unmittelbar während des Sturmereignisses herumgewirbelte Gegenstände verursacht wurden.

Gegen dieses Urteil legten sowohl der Kläger als auch die Beklagte Berufung ein. Der Kläger begehrte über den ausgeurteilten Betrag hinaus die Erstattung weiterer Reparaturkosten, während die Beklagte nach wie vor die Ansicht vertrat, es habe sich um keinen versicherten Schadenfall gehandelt, so dass die erstinstanzliche Entscheidung insgesamt aufzuheben und die Klage abzuweisen sei. Das OLG erhob daraufhin weiteren Sachverständigenbeweis und gab der Klage in Höhe von weiteren 3.108,12 EUR unter Abweisung im Übrigen statt, während es die Anschlussberufung der beklagten Versicherungsgesellschaft insgesamt verwarf.

Der Senat begründete seine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen erkennenden Landgericht damit, es sei nach dem Sachverständigengutachten bewiesen, dass das unstreitige Sturmereignis den Baum entwurzelt habe. Dass dieser erst sechs Tage nach dem Abflauen des Sturms umgestürzt sei ändere nichts an der Ursächlichkeit des Sturmes für den Gebäudeschaden. Unter Berücksichtigung dessen, dass Versicherungsbedingungen grundsätzlich so auszulegen seien, „wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss“ (vgl. OLG Hamm a.a.O., Rdnr. 63), könne dieser Versicherungsnehmer die einschlägige Regelung in § 8 Nr. 2 b VGB 88 dahin verstehen, dass jedenfalls dann wenn ein Sturm die maßgebliche Ursache dafür gesetzt hat, dass Gebäudeteile, Bäume o.ä. auf eine versicherte Sache fallen und diese dadurch schädigen, ein versicherter Sturmschaden vorliegt. Unerheblich ist in diesem Kontext, ob diese Gegenstände zeitlich unmittelbar während des Sturms oder erst mit zeitlicher Verspätung wie im vorliegenden Fall auf die versicherte Sache einwirken, sofern nur zwischen das Kausalereignis „Sturm“ und den Erfolg „auf das Gebäude geworfen werden“ keine weitere Ursache tritt, welche die Kausalkette unterbrechen könnte (vgl. OLG a.a.O., Rdnr. 64 m.w.N.).

Es ist zu begrüßen, dass das OLG hier eine versicherungsnehmerfreundliche Auslegung der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen vorgenommen hat. Glück hatte der Kläger auch insoweit, als das Sachverständigengutachten eindeutig ergab, dass Sturm kausale Ursache für das Umstürzen des Baumes war. Wäre diese Aufklärung nicht möglich gewesen, hätte sich der Kläger mit der Zeitwertentschädigung des Haftpflichtversicherers des Nachbarn begnügen müssen, da ein auslösendes Moment für das Eintreten der zur Entschädigung des Neuwertes verpflichteten Gebäudeversicherung gefehlt hätte.