CSD in Saarbrücken Hass gegen Homosexuelle nimmt wieder zu

Saarbrücken · Der Veranstalter des CSD Saar-Lor-Lux sieht Rückschritte bei Akzeptanz gegenüber Lesben, Schwulen und Intersexuellen.

 Auch diesmal erwarten die Veranstalter tausende Besucher zur CSD-Parade aus der Großregion Saar-Lor-Lux wie hier im Jahre 2016.

Auch diesmal erwarten die Veranstalter tausende Besucher zur CSD-Parade aus der Großregion Saar-Lor-Lux wie hier im Jahre 2016.

Foto: NPX/Norbert Pogrzeba

Vergangenes Jahr noch überschwängliche Freude, diesmal wieder ein Schuss Wehmut: Wenn am Wochenende der CSD Saar-Lor-Lux in Saarbrücken für gleiche Rechte von Homosexuellen voraussichtlich Tausende auf die Straßen bringt, ist die Euphorie über die wenige Tage vor dem Start der 2017er-Parade beschlossene Ehe für alle der Ernüchterung gewichen. Schlimmer noch, denn Rückschritte bei der gesellschaftlichen Akzeptanz gegenüber Schwulen, Lesben und Intergeschlechtlichen bereiten arge Sorgen.

Davon berichtet Irene Portugall vom veranstaltenden Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Saarland. „Der Hass, der von Rechtspopulisten massiv gezeigt wird, erfasst den kompletten sozialen Umgang und damit auch uns.“

Wer sich in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung auf der Straße Händchen haltend zeigt oder sich öffentlich sogar küsst, müsse zunehmend mit Anfeindungen rechnen. In den Kneipen trete dies ganz offensichtlich zutage. Portugall: „Dumme Sprüche an der Theke sind wieder gesellschaftsfähig. Das berichten uns Wirte.“

Bei verbalen Attacken allein bleibe es längst nicht nur. „Wir registrieren auch mehr Übergriffe.“ Dabei stützt sich die LSVD-Vertreterin auf Erfahrungsberichte Betroffener. Denn offizielle Zahlen habe ihr Verband nicht. Die Polizei führe darüber ebenso wenig Buch, wie Pressesprecher Stephan Laßotta beim Landespolizeipräsidium in der Landeshauptstadt berichtet. Grund dafür sei der Datenschutz. „Wir dürfen niemanden nach einem Angriff nach seiner sexuellen Orientierung fragen.“ Eine Körperverletzung ist und bleibt eine Körperverletzung, egal aus welchem Motiv heraus. Wenn die Fahnder allerdings durch den Tatverlauf eindeutig darauf schließen, dass es sich um einen homophob motivierten Übergriff handelt, werde dies so in den Akten vermerkt. Aber daraus sei keine aussagekräftige Fallzahl abzuleiten.

Irene Portugall spricht von einer wachsenden „Spaltung zwischen dem toleranten Lager und jenen, die uns anfeinden“. Darum habe der LSVD für den 21. CSD das Motto „Liebe schlägt Hass“ gewählt. „Wir stehen für ein friedliches Miteinander ein“, laute die Botschaft, für die Homosexuelle am Sonntag 10. Juni, ab 15 Uhr in einer Parade auf die Straße gehen. Bis Mittwochnachmittag sollen sich bereits 800 Teilnehmer angekündigt haben, zwölf Lastwagen und zahlreiche Autos seien ebenfalls im Zug. Aus der gesamten Großregion Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Lothringen kommen nach Portugalls Angaben Anmeldungen. Ähnlich viele wie in den Vorjahren.

Mit dem als politische Demonstration angemeldeten Marsch ziehen die Fußgruppen vom Start um 15 Uhr am Landtag über die Franz-Josef-Röder-Straße, Bismarckbrücke, Bismarckstraße, am Staatstheater vorbei, über den St. Johanner Markt bis in die Mainzer Straße.

Wenn dann dort gegen 17 Uhr die Abschlusskundgebung beginnt, wird auch Irene Portugall auf die Tribüne steigen. Ihre Forderung: den Gleichheitsartikel drei des Grundgesetzes um die sexuelle und geschlechtliche Identität ergänzen. Hier solle sich das Saarland einer Initiative von fünf Bundesländern anschließen, die eine entsprechende Verfassungsänderung über den Bundesrat einbringen wollen. Berlin, Brandenburg, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bremen sind für diesen Vorstoß verantwortlich. Portugall: „Ich wünsche mir, dass sich das Saarland am Freitag während der Sitzung der Länderkammer dem anschließt.“

Sieht die LSVD-Aktivistin wegen der beobachteten gegenläufigen Gesellschaftsströmungen eine Gefahr  für das vergangenes Jahr verabschiedete Gesetz, welches nun auch die Ehe gleichgeschlechtlicher Paare erlaubt? Irene Portugalls antwortet indirekt: „Wir wünschen uns die Grundgesetzänderung, um einen verfassungsmäßigen Schutz zu erlangen.“

Doch trotz aller Erfolge hinsichtlich der Gesetzeslage für Homosexuelle in Deutschland: Im Wesentlichen gehe es darum, Diskriminierung zu bekämpfen. Da sei die Gesellschaft schon mal weiter gewesen.

 Christopher Street Day 2017 in Saarbrücken:Auch diese Trierer Gruppe beteiligte sich an der Parade durch die Innenstadt mit einer Botschaft für Akzeptanz verschiedener Lebensweisen.

Christopher Street Day 2017 in Saarbrücken:Auch diese Trierer Gruppe beteiligte sich an der Parade durch die Innenstadt mit einer Botschaft für Akzeptanz verschiedener Lebensweisen.

Foto: Matthias Zimmermann

Der Christopher Street Day (CSD) erinnert an den ersten Homosexuellen-Aufstand in der Christopher Street in New York am 28. Juni 1969. Vorausgegangen waren sich wiederholende Polizeirazzien gegen sexuelle Minderheiten. Überwiegend in deutschsprachigen Regionen Europas marschieren bis heute Schwulen, Lesben, Bi- und Intersexuelle unter diesem Namen für Akzeptanz und gesetzliche Gleichberechtigung, so auch am Sonntag in Saarbrücken ab 15 Uhr.

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