Homosexuelle:Steinmeier bittet Lesben und Schwule um Vergebung

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Bundespräsident: Staat hat Homosexuellen auch nach Ende der NS-Zeit Unrecht getan.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Homosexuellen in Deutschland um Vergebung für erlittenes staatliches Unrecht gebeten. Beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Schwulen und Lesben sagte Steinmeier am Sonntag, auch nach dem Ende der NS-Zeit seien Homosexuelle verfolgt worden. Für sie sei "der 8. Mai 1945 nicht wirklich ein Tag der Befreiung" gewesen. Denn "unter dem Grundgesetz", wie auch in der DDR, seien sie weiterhin der Diskriminierung durch den Paragrafen 175 ausgeliefert gewesen. In der Bundesrepublik habe der Paragraf "sogar - ganz bewusst, ganz mit Absicht - noch mehr als 20 Jahre in der gleichen scharfen Form" fortgegolten, die ihm die Nationalsozialisten 1935 gegeben hatten. Mehr als 20 Jahre lang seien "Zehntausende Männer in der Bundesrepublik noch nach dem Paragrafen 175 verhaftet, verurteilt und eingesperrt" worden, sie "mussten sich weiter verstecken, wurden weiterhin bloßgestellt, haben weiterhin ihre wirtschaftliche Existenz riskiert".

Die neue freiheitliche Ordnung in der Bundesrepublik sei "über viele Jahre sehr unvollkommen" geblieben, die "Würde dieser Männer, sie blieb antastbar", sagte Frank-Walter Steinmeier. Zu lange habe es gedauert, "bis auch ihre Würde etwas gezählt hat in Deutschland". Der deutsche Staat habe all diesen Menschen schweres Leid zugefügt, "vor allen Dingen unter den Nationalsozialisten, aber auch danach noch, in der DDR und viel zu lange auch unter dem Grundgesetz".

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Wahr sei aber auch, dass das Land dazugelernt habe

Der Bundespräsident sagte, er bitte "heute um Vergebung - für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte". Wahr sei aber auch, dass das Land dazugelernt habe. Dabei verwies er etwa auf das Lebenspartnerschaftsgesetz, das vor 17 Jahren in Kraft trat, sowie auf die Einführung der Ehe für alle im vergangenen Jahr. Steinmeier sagte, er rufe "allen Schwulen, Lesben und Bisexuellen, allen Queers, Trans- und Intersexuellen in unserem Land" zu: "Auch Ihre sexuelle Orientierung, auch Ihre sexuelle Identität stehen selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates."

Die Worte des Bundespräsidenten bedeuteten den Betroffenen "sehr, sehr viel", sagte Günter Dworek vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) bei dem Festakt. Er erinnerte aber auch daran, dass es immer noch Woche für Woche homophobe und transfeindliche Übergriffe gebe. Das dürfe "eine demokratische Gesellschaft nicht kaltlassen", sagte Dworek.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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