Bei einem Festakt in Berlin erinnert das deutsche Staatsoberhaupt an das lange Leid vieler Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Klare Worte fallen mit Blick auf die Gegenwart.

Berlin - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat für das Unrecht an Homosexuellen auch in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik um Vergebung gebeten. Bei einem Festakt in Berlin zum 10. Jahrestag des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen sagte Steinmeier am Sonntag, zum Gedenken an die Verfolgung von Homosexuellen müsse auch die Zeit nach 1945 gehören. „Deshalb bitte ich heute um Vergebung - für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte.“

 

Für alle, deren Sexualität schon vor 1945 als eine Straftat galt, sei das Kriegsende am 8. Mai 1945 nicht wirklich ein Tag der Befreiung gewesen, sagte Steinmeier weiter. Die Erinnerung an das Leid der Opfer sei den Deutschen schwer gefallen, im Westen wie im Osten.

Der Bundespräsident setzte auch ein Zeichen für die Gegenwart

Auch unter dem Grundgesetz seien homosexuelle Männer weiterhin dem Paragrafen 175 ausgeliefert gewesen. In der Bundesrepublik habe diese Regelung noch mehr als 20 Jahre in der gleichen scharfen Form wie im Nationalsozialismus gegolten. „Die neue freiheitliche Ordnung in unserem Land, sie blieb über viele Jahre für viele noch unvollkommen. Die Würde von Homosexuellen, sie blieb antastbar.“ Zu lange habe es gedauert, bis auch ihre Würde wirklich etwas gezählt habe in unserem Lande. „Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Wir sind spät dran.“

Der Bundespräsident setzte auch ein Zeichen für die Gegenwart: „Allen Schwulen, Lesben und Bisexuellen, allen Queers, Trans- und Intersexuellen in unserem Land, Ihnen allen rufe ich heute zu: Auch Ihre sexuelle Orientierung, auch Ihre sexuelle Identität stehen selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates. Auch Ihre Würde ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon ganz am Anfang hätte sein sollen.“

In seiner Rede verurteilte der Bundespräsident zudem eine Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten in Deutschland scharf. „Wer heute den einzigartigen Bruch mit der Zivilisation leugnet, kleinredet oder relativiert, der verhöhnt nicht nur die Millionen Opfer, sondern der will ganz bewusst alte Wunden aufreißen und sät neuen Hass, und dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen“, sagte er.

Steinmeier ging nicht direkt auf die umstrittenen Äußerungen von Gauland ein

Steinmeier ging dabei nicht direkt auf die Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland ein, der mit seiner Relativierung der Zeit des NS-Terrors eine Welle der Empörung ausgelöst hat. Der Partei- und Fraktionschef hatte am Samstag beim Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative im thüringischen Seebach gesagt: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ Dieser mit Beifall quittierte Satz fiel nach einem Bekenntnis Gaulands zur Verantwortung der Deutschen für den Nationalsozialismus von 1933 bis 1945.

Berlins Regierungschef Michael Müller sagte, das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen rufe dazu auf, entschieden für eine vielfältige Gesellschaft einzustehen. „Wir wenden uns daher klar gegen alle Arten von Diskriminierung, ob aus Gründen von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität oder aus anderen Motiven, gegen rechtliche Benachteiligung genau wie Anfeindungen oder Gewalt auf der Straße.“

Günter Dworek, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD), erklärte: „Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus führt uns vor Augen, was geschehen kann, wenn Hass und Hetze eine Gesellschaft vergiften, wenn eine Mehrheit gleichgültig wird gegenüber dem Leben Anderer, wenn sie Ausgrenzung und Entrechtung zulässt. Es gibt kein Ende der Geschichte.“ Die Zukunft gehöre der offenen, demokratischen Gesellschaft, hieß es in einer Mitteilung.