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Ein modernes Familien- und Abstammungsrecht wäre hier eine von der Bundesregierung versprochene Stärkung und Entlastung von Familien.”

Begrüßung von LSVD-Bundesvorstand Gabriela Lünsmann auf der Fachtagung: Vielfalt im Blick — Rechtliche und soziale Herausforderungen für die Vielfalt des Familienlebens

LSVD-Bundesvorstand Gabriela Lünsmann (c) LSVDSehr geehrter Herr Dr. Metker, sehr geehrte Frau Reckmann, sehr geehrte Mitglieder des Deutschen Bundestages, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich, Sie in meiner Funktion als Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbands LSVD zu der heutigen Fachtagung „Vielfalt im Blick – Rechtliche und soziale Herausforderungen für die Vielfalt des Familienlebens“ begrüßen zu dürfen.

Die Tatsache, dass das Zukunftsforum Familie und der LSVD eine solche Fachtagung gemeinsam ausrichten, ist bereits ein erfreuliches Zeichen für neue Allianzen aufgrund neuer vielfältiger Familienformen, die ja heute unser Thema sind.

Wie Frau Reckmann bereits einführend sagte, ist Familienleben im Jahr 2018 in Deutschland überaus vielfältig: Viele Kinder wachsen hierzulande in Regenbogenfamilien mit mindestens einem lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* oder intergeschlechtlichen Elternteil auf.

Trotz gesellschaftlicher Fortschritte stoßen Regenbogenfamilien auf soziale und rechtliche Rahmenbedingungen, die ihre Lebensverhältnisse nicht immer angemessen berücksichtigen. Denn Vorbehalte gegenüber der Vielfalt von Liebes- und Lebensformen sind gerade im Zusammenhang mit Familie und dem Heranwachsen von Kindern besonders hartnäckig.

Regenbogenfamilien erfahren auch immer noch Diskriminierung, die mitunter schon bei der Geburt beginnt, wenn bei lesbischen Paaren zunächst eine langwierige und belastende Stiefkindadoption erforderlich ist, bis beide Mütter rechtliche Eltern ihres Kindes sind.

Ein modernes Familien- und Abstammungsrecht wäre hier eine von der Bundesregierung versprochene Stärkung und Entlastung von Familien.

Die jetzige gesellschaftliche und rechtliche Diskriminierung geht zuallererst zu Lasten der Versorgung und Absicherung der Kinder, die in Regenbogenfamilien aufwachsen. Kein Kind darf jedoch aufgrund seiner Familienform benachteiligt werden.

Aber nicht nur für Regenbogenfamilien, sondern auch für Ein-Eltern-Familien, Patchworkfamilien, Mehrelternfamilien, Lebensgemeinschaften und Pflegefamilien gibt es dringenden Reformbedarf. Er besteht u.a. im Abstammungsrecht, im Kindschaftsrecht, im Sozialrecht und im Rentenrecht. Aber auch im Recht der Fortpflanzungsmedizin zu den Themen Einzellspende, Embryonenspende und Leihmutterschaft, sowie im Internationalen Privatrecht bei der Anerkennung im Ausland begründeter Familienbeziehungen.

Die gesellschaftliche Wirklichkeit hat sich hier in vielen Bereichen deutlich schneller entwickelt als das Recht.

Der Gesetzgeber ist hier auch bereits – freiwillig oder durch das Bundesverfassungsgericht gezwungen – mit einzelnen Gesetzesentwürfen tätig geworden; etwa mit dem Entwurf eines Fortpflanzungsmedizingesetzes, der Einsetzung eines Sachverständigen-Arbeitskreises zum Abstammungsrecht beim Bundesjustiz-ministerium und aktuell mit dem – allerdings eher unzureichenden — Entwurf zur Änderung im Personenstandsrechts im Hinblick auf die dritte Option des Geschlechtereintrages für intersexuelle Menschen.

Zu den offenen Aufgaben des Gesetzgebers gehört auch die lange überfällige Neufassung des Transsexuellengesetzes, das in weiten Teilen seit Jahren aufgrund seiner Verfassungswidrigkeit unanwendbar ist.

Auf den ersten Blick mag der eine oder die andere von Ihnen sich fragen, was das Transsexuellengsetz oder die dritte Option beim Geschlechtseintrag von intersexuellen Menschen mit Familienformen zu tun hat.

Die Antwort liegt darin, dass alle diese Themen verbunden sind über Fragen der Geschlechterstereotypen und Rollenzuschreibungen.

Sie sind auch verbunden durch die Frage, welche Bedeutung wir rechtlichen, sozialen und biologischen Determinanten zumessen und wie wir diese in ein ausgewogenes, im besten Sinne gerechtes Verhältnis bringen.

Recht ist dabei immer eine ordnende Antwort auf gesellschaftliche Verhältnisse; es enthält Wertvorstellungen und Wertungen, die in Angesicht der Veränderung der Lebenswirklichkeit immer wieder einer Überprüfung und Anpassung vor dem Hintergrund unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung bedürfen.

Die Frage der rechtlichen und sozialen Gleichbehandlung aller Familienformen ist damit eine zutiefst demokratische Frage.

Dies ist der Grund, warum sich der Lesben und Schwulenverband als Bürgerrechtsverband für das Thema Vielfalt des Familienlebens engagiert.

Wir setzen uns ein für eine demokratische und offene Gesellschaft, in der alle Menschen und damit auch alle Familien ohne Angst verschieden sein können – jederzeit und überall. Dabei sind wir der festen Überzeugung, dass alle Menschen in der Gesellschaft von einen solchen demokratischen Klima profitieren!

Weitere Informationen zur Arbeit des LSVD und auch unser umfangreiches Positionspapier zum Familienrecht finden Sie auf dem Infotisch.

Auch mein Dank gilt an dieser Stelle dem Bundesfamilienministerium für seine finanzielle Förderung dieser Fachtagung.

Diese Förderung ist quasi eine gute Tradition, nachdem wir als LSVD gerade das ebenfalls geförderte dreijährige Modellprojekt „Beratungskompetenz zu Regenbogenfamilien — Erfordernisse und Potenziale in professioneller Begleitung“ abgeschlossen haben.

Das Projekt hat sehr erfolgreich bundesweit über 1.000 Mitarbeitende in den bestehenden professionellen Beratungsstrukturen von Staat, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden zum Thema Regenbogenfamilien sensibilisiert und fortgebildet. Es ist damit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Angebot dieser Strukturen für alle Familien unabhängig von der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von Eltern und Kindern.

Schließlich gilt mein besonderer Dank dem Zukunftsforum Familie, namentlich Christiane Reckmann, Alexander Nöhring und Lisa Sommer mit denen wir gemeinsam die Tagung inhaltlich konzipiert und vorbereitet haben.

Ich wünsche uns allen eine interessante und erkenntnisreiche Tagung!

Durch den Tag leiten und begleiten wird uns als Moderatorin der Fachtagung Dr. Julia Borggräfe, die ich herzlich begrüße.

Sie hat als promovierte Juristin mit philosophischem und soziologischen Hintergrund einen sicherlich fruchtbaren und vielfältigen Blick auf die heutige Thematik. Ihr langjährige Erfahrung als selbständige Beraterin, Organisationsentwicklerin und Moderatorin wird uns dabei zugutekommen. Wir freuen uns, dass Frau Dr. Borggräfe heute hier sein kann, obwohl sie seit wenigen Wochen die Abteilung „Digitalisierung und Arbeitswelt“ im Bundesministerium für Arbeit und Soziales leitet.



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