Amsterdam/Berlin. Die Niederlande planen ein „Co-Parenting“-Gesetz, wonach zwei Elternpaare erziehungsberechtigt sind
„Ich habe zwei Väter!“ Die vierjährige Yse sitzt auf dem Wohnzimmerboden und spielt mit ihren Babys. Stolz schaut sie ihre Mutter Kim an. Die will es genau wissen: „Was genau findest du daran so gut?“, und Yse sagt: „Dass sie so lieb sind!“
Yse wohnt in einer hübschen Straße mitten in Amsterdam. Rote Klinkerhäuser, blühende Kirschbäume. Hier lebt das strohblonde Mädchen mit seiner 13 Monate alten Schwester Janne. Das Besondere: Die Kinder haben vier Eltern. Ihre Mütter heißen Kim und Lisa, die Väter Bart und Geer. Die homosexuellen Paare sind Co-Eltern, das heißt, sie teilen sich die Erziehung ihrer Töchter. Yse und Janne wohnen die halbe Woche bei den Müttern, die andere bei den Vätern, die nur 15 Minuten von der Wohnung der Frauen entfernt leben.
Mutter Kim (33) setzt sich auf die Couch und schaut Yse beim Spielen zu. Yse sieht Janne ähnlich. Verwandt sind die beiden allerdings nicht. Sie sind Stiefschwestern. Yses biologische Eltern sind Kim und Geer (33). Jannes biologische Eltern sind Lisa (33) und Bart (31). „Wenn ich Menschen erzähle, dass ich nicht die biologische Mutter von Janne bin, sind sie verunsichert und sehen mich weniger als ihre Mutter an. Ich bin aber auch Jannes Mama. Ich stehe mitten in der Nacht auf, um mich um sie zu kümmern, und ich bin da, wenn es ihr nicht gut geht. Natürlich sollte man immer wissen, wer seine biologischen Eltern sind. Aber Elternschaft beginnt ja nicht damit, dass man das gleiche Blut hat, sondern mit der Einstellung zum Kind.“
In den Niederlanden wird „Co-Parenting“ – oder auch Mehrelternschaft genannt – immer beliebter. Viele der Frauen und Männer, die sich dieses Familienmodel wünschen, lernen sich über Dating-Portale kennen. Die organisiert „Meer dan gewenst“, was auf Deutsch „Mehr als erwünscht“ heißt. Sara Coster ist im Vorstand des Vereins. Sie plant seit fünf Jahren Speeddates für Menschen, die sich eine Familie wünschen und sich Co-Parenting vorstellen können.
Das Problem, das all die Familien eint: Das Recht sieht mehr als zwei Eltern nicht vor. In den Niederlanden aber erarbeitete eine Expertenkommission einen Gesetzesentwurf zum Co-Parenting, der vorsieht, dass es bis zu vier Elternteile geben kann. Seitdem führt die Regierung Untersuchungen zur Mehrelternschaft durch. „Das Gesetz ist nun in der Bearbeitung“, so Sara Coster. „Ich hoffe, dass es 2019 verabschiedet wird. Denn bis dahin sind meine Kinder nicht so geschützt, wie ich das gerne hätte. Wenn mein Kind im Krankenhaus ist, hat einer der Väter nicht das Recht, das Kind zu besuchen. Wir müssen uns immer auf den guten Willen der anderen Menschen verlassen“, so Sara Coster.
Der deutsche Lesben- und Schwulenverband (LSVD) empfiehlt in seinem Positionspapier „Regenbogenfamilien im Recht“, dass das Familienrecht endlich auch in Deutschland weiterentwickelt und auch die Mehrelternschaft berücksichtigt wird. Bis zu vier Menschen sollten „einvernehmlich rechtliche Elternteile und/oder Sorgeberechtigte sein können“.
Kim und Lisa aus Amsterdam sind seit sechs Jahren verheiratet. Für die Frauen stand früh fest, dass sie auch Kinder wollen. „Ich kenne Geer, seit ich 15 bin, wir haben immer Witze darüber gemacht, dass wir mal zusammen Kinder bekommen könnten“, erzählt Kim. Sie habe das dann irgendwann Lisa vorgeschlagen. „Sie fand die Idee gut.“ Adoption kam damals nicht infrage. „Wir finden es wichtig, dass die Kinder wissen, wo sie herkommen und wer ihre Eltern sind.“ Gemeinsam mit Geer habe man viele Gespräche geführt. Nach anderthalb Jahren sei man sich dann einig gewesen, dass man mit der Familienplanung starten wolle – und Kim wurde sofort schwanger. Damals war sie 29.
Als Yse drei Monate alt war, kam Geer mit Bart zusammen. Seitdem sind sie eine Familie mit vier Eltern. Eine Entscheidung, die keiner von ihnen bereut. „Für die Väter, Lisa und mich ist Co-Parenting die richtige Wahl“, sagt Kim.