Hunderttausende ziehen zum Christopher Street Day durch die City West – Party wegen Unwetter beendet

    Den Rugbyball in der Hand, brüllt das Team der „Berlin Bruisers“ und ist bereit zum Angriff gegen Homophobie. Nur stehen sie hier nicht mitten auf dem Spielfeld, sondern beim diesjährigen 40. Christopher Street Day (CSD). Rugbyspieler Nico (32) berichtet von Schwulenhass auf dem Spielfeld, von Sprüchen wie: „Ich bring euch schwulen Schweine um.“ Dagegen will er kämpfen, deswegen ist er hier.

    Der CSD am gestrigen Sonnabend lief unter dem Motto „Mein Körper – meine Identität – mein Leben!“ Kurz nach 12 Uhr verwandelte der Kurfürstendamm sich eine regenbogenfarbene Menschenmenge, tanzend zu Musik mit wummernden Bässen, viele mit Fahnen und Transparenten. Dann zog der „Zug der Liebe und der Toleranz“ vom Kranzler Eck zum Brandenburger Tor. Die Straßen in der City West und um den Tiergarten waren über Stunden gesperrt. Vom Veranstalter angemeldet waren 500.000 Teilnehmer. Als sich am Abend ein Unwetter ankündigte, beendete die Polizei die Party am Brandenburger Tor aus Sicherheitsgründen gegen 19.30 Uhr.

    „Wir haben selbst in einer so offenen Stadt wie Berlin eine gefühlte Steigerung von homophoben Angriffen“, sagt Thomas Hummitzsch vom Humanistischen Verband Deutschlands. „324 waren Angriffe es alleine im letzten Jahr.“ Hummitzsch spricht von einer besorgniserregenden Tendenz und einer Dunkelziffer. Viele Betroffene würden aus Scham keine Anzeige erstatten.

    Der CSD reiht sich ein in die vielen bunten Straßenfeste Berlins – doch vorab wurden auch elf zentrale politische Forderungen formuliert, um weiterhin für die Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, intersexuellen und anderen queeren Menschen zu kämpfen. Unter anderem geht es um das gleiche Adoptionsrecht für Regenbogenfamilien. Das fordert auch der Lesben- und Schwulenverband Deutschland, der dafür bereits bei der Justizministerkonferenz einen Antrag eingebracht hat. „Gerade Berlin sollte mit seinem Rot-Rot-Grünen Senat da Vorreiter sein“, sagt Vorstand Bodo Mende.

    Dass ein Umdenken in der Politik stattfindet, zeigen die vielen prominenten Besucher beim CSD. Vor dem Bus des Auswärtigen Amtes schlendern US-Botschafter Richard Grenell und der britische Botschafter, Sir Sebastian Wood. „Wir haben Freunde aus der Botschaft und des Auswärtigen Amtes eingeladen“, sagt Wood. „Mit dabei zu sein war für mich nie eine Frage. Es entspricht der Linie meiner Regierung und meiner persönlichen Wertvorstellung.“ Teilnehmer Mahmut ist Flüchtling aus Syrien. Vor zwei Jahren sei er mit seiner Familie nach Berlin gekommen, er sei Vater von drei Kindern. „Erst kürzlich habe ich mich scheiden lassen, mich als schwul geoutet. Meine Familie hat dafür Verständnis. Heute will ich meinem Sohn zeigen, wie tolerant die Menschen sein können.“