Berlin. Polizeipräsidentin Barbara Slowik sprach von einem Thema, „das wir sehr ernst nehmen“.

Eine transsexuelle Frau wird von zwei Männern beleidigt, aus der U-Bahn gestoßen und mit Faustschlägen und Fußtritten attackiert. Zwei schwule Männer werden auf dem Weg zu ihrer Wohnung angepöbelt und einem von ihnen wird ein Messer ins Bein gestochen. Ein lesbisches Paar wird bespuckt und geohrfeigt. Polizeipräsidentin Barbara Slowik nennt die Beispiele der vergangenen Wochen, um deutlich zu machen, dass Schwule und Lesben sowie trans- oder intersexuelle Menschen auch in der „Regenbogenhauptstadt“ Berlin Anfeindungen und Pöbeleien – oder sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt sind. „Deswegen müssen wir als Polizei ein klares Zeichen gegen Hasskriminalität und Ausgrenzung setzen“, sagt Slowik.

Deswegen ist die Polizeipräsidentin hier, bei der Verleihung des Respektpreises des Bündnisses gegen Homophobie im Hotel „Park Inn“ am Alexanderplatz: Sie will ein Zeichen setzen. Doch nicht nur das. Denn Slowik nennt auch bisher unveröffentlichte Zahlen zu homophoben Straftaten. In den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres registrierte die Polizei demnach 105 Delikte, darunter 30 gewalttätige Übergriffe. Das klingt, als hätte sich die Lage etwas verbessert. Denn im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 139 Straftaten, darunter 49 Gewaltdelikte. Doch der Schein trügt. Denn Slowik verweist auf einen Bearbeitungsstau, durch den noch nicht alle Delikte erfasst sind. Tatsächlich gingen die zuständigen Beamten „leider von einem Anstieg“ aus. Ob die Zahl der Vorfälle tatsächlich gestiegen ist, oder die Betroffenen die Übergriffe bloß häufiger anzeigen, sei unklar. Klar sei dagegen, dass man von einer hohen Dunkelziffer ausgehen müsse.

Die meisten Taten registrierte die Polizei in Vierteln, in denen Lesben, Schwule und Bisexuelle sowie Trans- und Intersexuelle (LSBTI) sich nicht verstecken, sondern besonders sichtbar sind: also in Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Schöneberg. 33 der 56 im laufenden Jahr erfassten Tatverdächtigen sind Deutsche, allerdings sei der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund höher als in der allgemeinen Bevölkerung.

Der Homophobie etwas entgegensetzen: Darum ging es bei der Veranstaltung des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) und des Bündnisses gegen Homophobie, das mit der Charité, den Berliner Bäderbetrieben und den Universitäten FU, HU, TU gleich fünf neue Mitglieder begrüßen konnte. Mit dem Respektpreis ausgezeichnet wurden die Macher der Handreichung „Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“. Die Broschüre wurde mit Senatsmitteln finanziert und erschien Anfang des Jahres. Die Bildungsinitiative „Queerformat“ wollte damit Fachkräften in Kindertagesstätten und anderen frühkindlichen Bildungseinrichtungen eine Arbeitsgrundlage für die Information über die Vielfalt sexueller Orientierungen und Identitäten bereitstellen. CDU, FDP und AfD forderten damals, die Verteilung zu stoppen. „Das hat uns sehr betrübt“, sagte Thomas Kugler, der an der Erstellung der Broschüre mitgewirkt hat und nun dafür geehrt wurde.

„Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“

Der Geschäftsführer des LSVD, Jörg Steinert, sprach bei der Preisverleihung auch das Problem von Zwangsehen von Frauen und Männern an. Im vergangenen Jahr seien 38 Fälle von Männern bekannt geworden, die zwangsverheiratet wurden oder bei denen dies bevorstand. Mindestens bei 17 davon sei der Grund ihre Homosexualität gewesen. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte, selbst in Berlin sei ein Coming-out als Homosexueller „in streng religiösen Familien“ immer noch nicht einfach möglich. Die tätlichen Übergriffe gegen LSBTI-Menschen bezeichnete er als „Spitze des Eisbergs“. Respektlosigkeit beginne bereits bei herablassenden Blicken, so Behrendt.