Zum Tod von Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D.: Vor­kämpfer für Homose­xu­ellen-Rechte ges­torben

von Hasso Suliak

23.10.2019

Hartnäckig und mit profundem juristischem Wissen ausgestattet: Mit Manfred Bruns starb am Dienstag ein herausragender Wegbereiter für die Gleichstellung und Emanzipation von Schwulen und Lesben in Deutschland. Bruns wurde 85 Jahre alt.

Die Traurigkeit über den Tod von Manfred Bruns ist groß: Bei Weggefährten, Mitstreitern und allen, die ihn kannten. Bruns, langjähriger Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) und bis zuletzt Justiziar und Webmaster der Organisation, wurde allseits wertgeschätzt – und zwar nicht nur von denjenigen, für deren Rechte er eintrat. "Ein Freund, ein Held, ein Recht-Schaffender. Traurig und dankbar", schrieb der Verband wenige Stunden nach der Nachricht des Todes von Bruns.

Der LSVD, für den er sich fast 30 Jahre engagierte und den er mitaufgebaut hatte, würdigte Bruns als DEN Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung und Emanzipation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI).

Für die Bürgerrechtsorganisation LSVD spielte Bruns eine enorm wichtige Rolle: Als ehemaliger Bundesanwalt (1994 wurde er pensioniert) war er die juristische Koryphäe, die in den harten Auseinandersetzungen um die Durchsetzung der rechtlichen Gleichstellung von Homosexuellen durch Sachkunde glänzte und respektiert wurde.

Maßgeblichen Anteil hatte Bruns an der erst 1994 erfolgten Abschaffung des § 175 Strafgesetzbuch (StGB). Danach wurden Männer bestraft, wenn sie einvernehmlichen Sex mit Jugendlichen unter 18 Jahren hatten, um die Jugendlichen vor Verführung durch Homosexuelle zu schützen. Auch für die Rehabilitierung der nach §175 StGB Verfolgten, wie für die Reform des Transsexuellengesetzes, kämpfte Bruns unerlässlich. Und zu seinem Lebenswerk gehören auch seine Mitwirkung am Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG) und bei der Modernisierung des Familien- und Abstammungsrechts.

Vom Generalbundesanwalt strafversetzt

Bruns' herausragendes Engagement für die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen ist eng verknüpft mit der eigenen, bemerkenswerten Biographie: Geboren in Linz am Rhein wuchs er in einem erzkatholischen Elternhaus auf, studierte Jura in Bonn und heiratete 1961 seine Frau Helga. Mit ihr hat er drei Kinder. Und obwohl er schon als Junge merkte, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte, hielt er an seiner Ehe mit Helga fest.

Dazu sagte er im Rahmen einer Preisverleihung im Jahre 2012: "Ich habe zwanzig Jahre lang eisern an meiner Ehe festgehalten, weil ich Angst um eine bürgerliche Existenz hatte und Angst davor, dass ich meine Familie verlieren würde, an der ich sehr hänge. Ich hatte mit meiner Frau großes Glück. Wir haben eine sehr gute Ehe geführt und sind auch heute noch in Liebe verbunden." Erst Anfang der 80er Jahre bekannte sich Bruns dann gegenüber der Familie zu seiner Homosexualität. Mit seinem letzten Partner lebte Bruns dann bis zu seinem Tod fast 27 Jahre zusammen.

Unangenehme Folgen hatte sein Coming-Out allerdings in seinem juristischen Berufsleben: Nachdem er 1983 seinen damaligen Chef, Generalbundesanwalt Kurt Rebmann, eingeweiht hatte, begann für Bruns ein Spießrutenlauf. Kollegen mieden ihn, von Rebmann wurde er von allen Staatsschutzangelegenheiten abgezogen und als Sicherheitsrisiko eingestuft. Sein öffentliches Coming-Out mündete 1985 schließlich in der BILD-Schlagezeile: "Bundesanwalt Manfred Bruns bekennt: Ich bin schwul.“

In den Folgejahren forcierte Manfred Bruns sein gesellschaftspolitisches Engagement – auch für eine liberale Aids-Politik. Für die SPD saß er ab 1985 als sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission AIDS des Deutschen Bundestages. 1994 erhielt er aus den Händen des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse: "Für sein gesellschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement für die Emanzipation und Anerkennung Homosexueller, für den Schutz ihrer Rechte und für die Wahrung der Würde von Menschen, die HIV-positiv oder an Aids erkrankt sind", wie es in der Laudatio hieß. Diverse weitere Auszeichnungen sollten in den nächsten Jahren folgen. Zuletzt erhielt Bruns die Kompassnadel des Schwulen Netzwerks NRW für seinen Einsatz für die Rehabilitation der nach § 175 verurteilten Männer sowie seinen Einsatz für die gleichgeschlechtliche Ehe.

"Die ganze Juristenzunft war gegen uns"

Apropos gleichgeschlechtliche Ehe: Ob dieses Rechtsinstitut tatsächlich auch ohne das Wirken von Manfred Bruns Rechtswirklichkeit in Deutschland wäre, darf durchaus bezweifelt werden. Bruns galt immer als enger Vertrauter, Berater und Mitstreiter des früheren grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck. Gemeinsam trieben sie das Anliegen "Rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen" über Jahre mit Ausdauer und Beharrlichkeit voran. Beck als grüner Abgeordneter im Bundestag, Bruns quasi als eine Art juristischer Berater und Sachverständiger des LSVD.

In einem Gastbeitrag für LTO vom Mai 2018 schilderte Bruns den langen und mühsamen Weg bis zur sogenannten Homo-Ehe. Bezogen auf die eigene Zunft fand Bruns klare Worte: Der Kampf der Schwulen und Lesben für ihre rechtliche Gleichstellung in Deutschland habe sich gelohnt. "Juristen zählten dabei nicht immer zu den Unterstützern."

Bruns erinnerte daran, wie er gemeinsam mit Volker Beck Anfang der neunziger Jahre in einer juristischen Fachzeitschrift einen Aufsatz über die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare veröffentlicht hatte: "Wir hatten gehofft, damit eine Debatte der Juristen über dieses Thema lostreten zu können, auf die wir uns hätten berufen können. Aber tatsächlich geschah nichts. Das Thema war den Juristen zu abseitig. Erst als die Juristen mitbekamen, dass die rot-grüne Koalition ein solches Gesetz plante, meldeten sich immer mehr Juristen zu Wort und vertraten die Meinung, dass ein solches Gesetz verfassungswidrig sei. Zuletzt war fast die ganze Juristenzunft gegen uns."

Erstarken der Rechtspopulisten machte ihm Sorge 

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Gastbeitrages bei LTO, wirkte Bruns trotz des Erreichten alles andere als zufrieden: Sorge machte ihm "ein Bündnis aus christlich-fundamentalistischen, evangelikalen und rechtspopulistischen Gruppen und Initiativen, das seit einiger Zeit versucht, ein gesellschaftliches Rollback in Gang zu bringen und durchzusetzen".  

Diese Gruppen seien ein Sammelbecken für alle diejenigen, die unterschiedliche Lebensentwürfe nicht ertragen. "Sie nehmen Vielfalt nur als Angriff auf alte Werte, aber nie als Bereicherung wahr. Sie erheben verbissen und wütend das eigene Weltbild zum Maßstab und ziehen im Namen von Ehe und Familie, Religion und Abendland gegen all jene zu Felde, die den eigenen rassistischen und homophoben Vorstellungen widersprechen. "

Selbst Paroli bieten wird Manfred Bruns diesen Gruppen nun nicht mehr. Sein alter Weggefährte Volker Beck zollte Bruns im Gespräch mit LTO großen Respekt: "Ich bin traurig, aber auch dankbar, dass wir ihn hatten. Zahlreiche Erfolge, die endgültige Streichung des § 175 StGB, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Lebenspartnerschaftsgesetz mit seiner langen Serie von Nachbesserungen, die Rehabilitierung der 175-er und schließlich der Fall des Eheverbotes der Gleichgeschlechtlichkeit sind untrennbar mit dem Namen von Manfred Bruns verbunden." Diese Erfolge, so Beck, seien nur möglich gewesen, weil Manfred Bruns die Niederlagen nie als letztes Wort akzeptiert habe. "Er vertraute stets darauf, dass das rationale Argument am Ende über das dumpfe Vorurteil obsiegen müsste." Bruns starb am Dienstag in Karlsruhe. Er wurde 85 Jahre alt.

Zitiervorschlag

Zum Tod von Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D.: Vorkämpfer für Homosexuellen-Rechte gestorben . In: Legal Tribune Online, 23.10.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38345/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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