Gesellschaftsrecht

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I. Aktiengesellschaften

1. Kann mit der Einberufung der Hauptversammlung aufgrund der Coronavirus-Pandemie gewartet werden?

Nach § 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-Gesetz kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Hauptversammlung abweichend von § 175 Abs. 1 S. 2 „innerhalb des Geschäftsjahres“ stattfindet. Den Unternehmen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, im Jahr 2020 eine Hauptversammlung auch nach der Acht-Monatsfrist abzuhalten, ohne Zwangsgelder fürchten zu müssen.

Die Fristverlängerung für die SE konnte der deutsche Gesetzgeber aufgrund des Vorrangs des Europarechts nicht selbst regeln. Doch der Europäische Rat hat reagiert und die sonst geltende Sechs-Monatsfrist gem. Art. 54 Abs. 1 S. 1 SE-VO auf 12 Monate verlängert, sofern die Versammlung bis spätestens am 31. Dezember 2020 stattfindet.

2. Kann eine bereits einberufene Hauptversammlung aufgrund der Coronavirus-Pandemie wieder abgesagt werden?

Ja. Wie die Überschreitung der Einberufungsfristen nach § 175 Abs. 1 AktG bzw. Art. 54 Abs. 1 SE-VO erfordert die Rücknahme der Einberufung jedoch einen sachlichen Grund. Die Gefahr einer Ansteckung der Organmitglieder und teilnehmenden Aktionäre mit Krankheitserregern wie dem Coronavirus kann einen Grund für die Absage der Hauptversammlung darstellen.

3. Wer ist für die Rücknahme der Einberufung zuständig?

Es ist stets derjenige zur Rücknahme berechtigt, der die Hauptversammlung einberufen hat. In der Regel ist dies der Vorstand (vgl. § 121 Abs. 2 S. 1 AktG).

Ist die Einberufung durch ein mehrköpfiges Organ (Vorstand, Aufsichtsrat) erfolgt, ist auch für die Rücknahme der Einberufung ein Organbeschluss erforderlich. Der Beschluss über die Rücknahme bedarf der einfachen Mehrheit. Die Rücknahme durch ein einzelnes Organmitglied scheidet aus. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelne Person durch das Gesamtorgan zur Einberufung ermächtigt worden ist.

4. Was gilt bei einem Minderheitsverlangen gem. § 122 Abs. 1 S. 1 AktG?

Auch bei einer Hauptversammlung, zu der der Vorstand auf Verlangen einer Aktionärsminderheit gem. § 122 Abs. 1 S. 1 AktG eingeladen hat, gilt nichts anderes. Zwar ist der Vorstand grundsätzlich verpflichtet, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 122 Abs. 1 S. 1 AktG, die Hauptversammlung einzuberufen. Er bleibt aber berechtigt und ist angesichts der aktuellen Ansteckungsrisiken ggf. sogar verpflichtet, die Einberufung rechtswirksam wieder zurückzunehmen.

Nur die von Aktionären nach gerichtlicher Ermächtigung gem. § 122 Abs. 3 AktG einberufene Hauptversammlung kann der Vorstand nicht absagen, weil die Rücknahmekompetenz nur dem jeweils Einberufenden zusteht. Der Aktionär kann aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet sein, die Einberufung zum Schutz von Aktionären und Organmitgliedern zurückzunehmen oder von der Ermächtigung, sofern diese noch nicht ausgeübt wurde, vorerst keinen Gebrauch zu machen.

Kommt der Vorstand einem Antrag nach § 122 Abs. 1 AktG wegen der Coronavirus-Pandemie nicht nach, ist ein aufgrund dessen gestellter Antrag gem. § 122 Abs. 3 AktG rechtsmissbräuchlich und von dem Gericht zurückzuweisen.

5. Was ist bei der Rücknahme der Einberufung in formeller Hinsicht zu beachten?

Die Absage ist den Aktionären gegenüber zu erklären. Die Mitteilung ist dabei an keine bestimmte Form gebunden. Die Aktionäre sind jedoch möglichst effektiv zu unterrichten. Dies wird regelmäßig in der Form der Fall sein, in der auch die Einladung ausgesprochen worden ist.

Inhaltlich muss die Mitteilung unmissverständlich erkennen lassen, dass die einberufene Hauptversammlung zur vorgesehenen Zeit am vorgesehenen Ort nicht stattfinden wird.  Weiteren Anforderungen unterliegt die Mitteilung nicht. Es müssen insbesondere keine Gründe für die Rücknahme genannt werden, auch wenn dies gleichwohl zu empfehlen ist.

6. Was ist hinsichtlich der ggf. ablaufenden Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern zu beachten?

Gemäß § 102 Abs. 1 AktG können Aufsichtsratsmitglieder nicht für längere Zeit als bis zur Beendigung der Hauptversammlung bestellt werden, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Nach § 120 Abs. 1 S. 1 AktG beschließt die Hauptversammlung alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahrs über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats. Verzögert sich die Beschlussfassung, gleich aus welchem Grund, führt dies nicht zu einer Verlängerung der Amtszeit. Das Aufsichtsratsmitglied scheidet vielmehr zu diesem Zeitpunkt von Gesetzes wegen automatisch aus dem Amt aus.

Sofern hierdurch die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern unterschritten wird (vgl. § 108 Abs. 2 AktG), kann der Beschlussunfähigkeit abgeholfen werden, indem der Vorstand, ein Mitglied des Aufsichtsrats oder ein Aktionär rechtzeitig bei Gericht einen Antrag nach § 104 Abs. 1 AktG auf Ergänzung des Aufsichtsrats stellt.

Durch das COVID-19-Pandemie-Gesetz/COVID-19-GesR-Gesetz wurden weder die Fristen der §§ 102 Abs. 1, 120 Abs. 1 S. 1 AktG verlängert, noch die für die wirksame Beschlussfassung erforderliche Zahl an Aufsichtsratsmitgliedern angepasst. Um eine Beschlussunfähigkeit des AG-Aufsichtsrats zu vermeiden, ist von der eröffneten Möglichkeit der Online-Teilnahme oder der rein virtuellen Hauptversammlung (siehe Frage 7) Gebrauch zu machen und rechtzeitig der jeweilige Nachfolger zu wählen.

7. Kann die Hauptversammlung auch ausschließlich „online“ durchgeführt werden?

a) Grundsätzlich: Nein. Zwar kann die Satzung nach Maßgabe des § 118 Abs. 1 S. 2 AktG vorsehen, dass Aktionäre mittels elektronischer Kommunikationsmittel an der Hauptversammlung teilnehmen (sog. „Online-Teilnahme“). Der Einsatz moderner Medien soll aber lediglich eine unterstützende Funktion einnehmen. An der Präsenzhauptversammlung führt weiterhin kein Weg vorbei.

b) COVID-19-Pandemie-Gesetz/COVID-19-GesR-Gesetz

Dem Vorstand wird (mit Zustimmung des Aufsichtsrats) die Möglichkeit eingeräumt, eine Hauptversammlung gänzlich ohne physische Präsenz der Aktionäre abzuhalten (sog. „virtuelle Hauptversammlung“). Voraussetzung hierfür ist, dass

  • die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
  • die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
  • den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird, sowie
  • den Aktionären die Möglichkeit zum elektronischen Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt wird.

Zudem liegt es im „pflichtgemäßem, freien Ermessen“ des Vorstands, welche Fragen er wie beantwortet. Insbesondere kann der Vorstand nunmehr vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind (bspw. E-Mail-Adresse oder Kontaktformular auf der Website).

8. Sind Körpertemperaturscanner, Fiebermessen oder sonstige gesundheitsbezogene Zugangskontrollen aktuell ein probates Mittel, um Ansteckungsrisiken zu begegnen? Darf einem Aktionär mit respiratorischen Symptomen der Zugang verweigert oder dieser von der laufenden Hauptversammlung ausgeschlossen werden?

a) Grundsätzlich: Sowohl von gesundheitsbezogenen Zugangskontrollen als auch von einem Verweis von Aktionären etwa mit akuten respiratorischen Symptomen während der Hauptversammlung ist angesichts der damit einhergehenden Anfechtungsrisiken (Verletzung des Teilnahmerechts) dringend abzuraten. Zwar sind Zugangskontrollen, bei denen die Personen selbst und deren Gepäck nach gefährlichen Gegenständen kontrolliert werden, grundsätzlich zulässig. Sicherheitskontrollen müssen jedoch stets verhältnismäßig sein. Dies ist bei einer auf Krankheitssymptome (erhöhte Körpertemperatur, respiratorische Symptome, Hautausschläge etc.) problematisch. Zudem ist jedenfalls die Kontrolle auf allgemeine Krankheitssymptome wie eine erhöhte Körpertemperatur oder Husten wenig sinnvoll, da bspw. Fieber generell nur ein Symptom für entzündliche Prozesse im menschlichen Körper darstellt und ebenso wie Husten unzählige andere Gründe haben kann. Darüber hinaus leiden infizierte oder bereits erkrankte Personen regelmäßig nicht zwingend an den gleichen Symptomen oder zeigen wegen einer längeren Inkubationszeit noch überhaupt keine Symptome. Neben diesen rein faktischen Bedenken bleibt auch die datenschutzrechtliche Zulässigkeit fraglich.

b) Empfehlung: Vor diesem Hintergrund sollte vielmehr von den nun nach dem COVID-19-GesR-Gesetz eröffneten Möglichkeiten einer virtuellen Hauptversammlung Gebrauch gemacht werden. Durch einen weitreichenden Ausschluss des Anfechtungsrechts soll dabei vermieden werden, dass Unternehmen aufgrund technischer Unsicherheiten oder aus Angst vor Klagen diese Möglichkeit nicht nutzen.

9. Was bedeutet die Corona-Krise für derzeit laufende oder bevorstehende Wahlen zum Aufsichtsrat bei mitbestimmten Gesellschaften?

Gegenwärtig laufen in vielen Unternehmen die Wahlen der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz (MitbestG) und dem Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) bzw. steht die Einleitung der Wahl bevor. Eine „Notfallgesetzgebung“ für die laufenden oder gerade anstehenden Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer ist derzeit nicht Gegenstand der politischen Diskussion. Die beteiligten Unternehmen, Wahlvorstände, Betriebsräte und Gewerkschaften sind demnach aufgerufen, gemeinsam zu erörtern und zu entscheiden, wie mit der Wahl der Arbeitnehmer verfahren werden soll.

Die Wahl kann zum einen fortgeführt bzw. eingeleitet werden. Zu denken ist zum anderen an die Aussetzung und Unterbrechung der bereits eingeleiteten Wahl sowie an deren Abbruch. In der letztgenannten Alternative, also bei Verschiebung, Unterbrechung oder Abbruch der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer gilt zu bedenken, dass die Mandate der aktuellen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (möglicherweise) enden werden, ohne dass neue Arbeitnehmervertreter gewählt wurden. Dann sollte entsprechend § 104 AktG die gerichtliche Ersatzbestellung durch Antrag beim zuständigen Registergericht in Betracht gezogen werden, welches die freien Aufsichtsratsplätze nach freiem Ermessen – regelmäßig aber nach den ihm (einvernehmlich) unterbreiteten Vorschlägen besetzt. Idealerweise erfolgt eine einvernehmliche Abstimmung des Vorschlags zur registergerichtlichen Ersatzbestellung zwischen Geschäftsleitung, den Betriebsratsgremien sowie den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften.

Die Fortführung oder (geplante) Einleitung der Wahl sieht sich in den Zeiten der Pandemie tatsächlichen Problemen bei der Stimmabgabe (Stichwort Infektionsschutz) ausgesetzt, zumal das Sammeln von Stützunterschriften erschwert sein kann. Diesen Problemen kann ggf. durch die inzwischen allgemein bekannten Regelungen zu Abständen, Hygiene, Maskenpflicht etc. begegnet werden. Zu bedenken gilt jedoch ein mögliches Anfechtungsrisiko, weil Beschäftigte gar nicht mehr oder nur selten im Betrieb sind und Ausschreibungen und Bekanntmachungen zur Wahl nicht zur Kenntnis nehmen können. Nicht zu verkennen ist im Übrigen eine möglicherweise niedrige Wahlbeteiligung und die daraus resultierende Besorgnis, die Erfolgsaussichten externer Bewerber zu erhöhen.

Im Fall der bereits eingeleiteten Delegiertenwahl erscheint die Fortsetzung, z.B. auch in Form der Briefwahl eine sinnvolle Option zu sein. Die Öffentlichkeit der Stimmenauszählung kann durch Internet-Lösungen hergestellt werden (z.B. Live-Stream). Bei der Delegiertenwahl wird zudem zwischen der Wahl der Delegierten und der Durchführung der Delegiertenversammlung eine mehrmonatige Pause eingelegt werden können. Die Delegiertenversammlung soll zwar innerhalb eines Monats nach der Meldung der gewählten Delegierten an Haupt- oder Unternehmenswahlvorstand durchgeführt werden. Von dieser Regelung kann aber bei Vorliegen eines sachlichen Grundes abgewichen werden. Die hohe Ansteckungsgefahr bei Großveranstaltungen und die zur Zeit bestehenden staatlichen Beschränkungen für private Veranstaltungen bestimmter Größenordnungen stellen indes einen sachlichen Grund dar.

Zu erwägen ist ferner die Verschiebung der Wahl im Gleichlauf mit der Verschiebung der Hauptversammlung, um auch die mit Abschluss der Hauptversammlung endende Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder zu verzögern (§ 102 Abs. 1 AktG). Nach Art. 2, § 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-Gesetz kann der Vorstand mit Zustimmung des Aufsichtsrats entscheiden, dass die Hauptversammlung abweichend von § 175 Abs. 1 S. 2 AktG „innerhalb des Geschäftsjahres“ stattfindet. Den Unternehmen wird dadurch die Möglichkeit eingeräumt, im Jahr 2020 eine Hauptversammlung auch nach der Acht-Monatsfrist abzuhalten, ohne Zwangsgelder fürchten zu müssen. Die Fristverlängerung gilt nicht für die SE – hier bleibt es aufgrund des Vorrangs des Europarechts bei der zwingenden Sechs-Monatsfrist gem. Art. 54 Abs. 1 S. 1 SE-VO. Die Beteiligten sollten sich indes der streitigen Diskussion über die Frage bewusst sein, ob sich bei einer späteren Abhaltung der Hauptversammlung nach Art. 2, § 1 Abs. 5 COVID-19-GesR-Gesetz die Amtszeit der Aufsichtsratsmitglieder entsprechend verlängert. Durchaus gewichtige Argumente sprechen gegen die Verlängerung: das COVID-19-GesR-Gesetz sieht für die AG – anders als bei der Genossenschaft oder Vereinen (vgl. Art. 2, § 3 Abs. 5; § 5 Abs. 1) – keine Regelung zur Fortgeltung der Amtszeit vor. Vorsorglich sollte daher nicht von einer Verlängerung der Amtszeit ausgegangen werden.

Die einschlägigen Wahlordnungen enthalten keine Bestimmungen zur Aussetzung oder Unterbrechung der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer. Demnach sollte ein grundsätzliches Risiko bedacht werden, dass die später fortgesetzte Wahl angefochten wird. Andererseits ist die Wiederaufnahme des Wahlverfahrens nach der Corona-Krise unter den Aspekten Zeit und Kosten die am meisten effektive Alternative. Der Abbruch nebst Neustart der Wahl nach der Corona-Krise dürfte die meisten Kosten auslösen, aus rechtlicher Sicht hingegen der sicherste Weg sein.

Die Entscheidung, wie mit einer Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer in Zeiten von Covid-19 umgegangen wird, ist stets eine Einzelfallentscheidung. Die Beteiligten sollten das gemeinsame Ziel verfolgen, den arbeitnehmerlosen Aufsichtsrat oder ein zahlenmäßiges Ungleichgewicht von Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern zu vermeiden.

Bei einer bereits eingeleiteten Wahl hat der „oberste“ Wahlvorstand die Entscheidung zu treffen. Gleichwohl sollte mit allen Beteiligten, d.h. vor allem mit dem Unternehmen und den anderen Wahlvorständen, gesprochen werden. Nicht zuletzt wegen der vom Unternehmen letztlich zu tragenden Kosten ist Unternehmen zu empfehlen, die Wahlvorstände aktiv anzusprechen, um das weitere Vorgehen abzustimmen.

 

II. GmbH

1. Wie können GmbHs während der Kontaktsperre wegen des Corona-Virus Versammlungen abhalten und Beschlüsse fassen?

Zunächst einmal gelten wie bisher die Regelungen im Gesellschaftsvertrag, der regelmäßig Vorschriften zur Durchführung von und Abstimmung in Gesellschafterversammlungen enthält. Gerade neuere Gesellschaftsverträge erlauben häufig Abstimmungen im schriftlichen Verfahren, per Telefon- oder Videokonferenz oder in beliebiger Kombination.

Für den Fall, dass der Gesellschaftsvertrag keine Regelung trifft, hat der Gesetzgeber vorübergehend die Möglichkeit geschaffen, auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren durchzuführen (siehe dazu Frage 4).

2. Sind virtuelle Gesellschafterversammlungen auch für die GmbH möglich?

Wenn es der Gesellschaftsvertrag vorsieht, kann die Gesellschafterversammlung auch virtuell, d.h. in einer Telefon- oder Videokonferenz, abgehalten werden.

Anders als für Aktiengesellschaften (s.o.) hat der Gesetzgeber eine virtuelle Gesellschafterversammlung ohne Satzungsermächtigung auch für die Zeit der Covid-19-Pandemie nicht eingeführt. Beschlussfassungen in Telefon- oder Videokonferenzen sind daher nach wie vor nur dann möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag dies ausdrücklich erlaubt. Dies gilt nach der (noch) herrschenden Meinung selbst dann, wenn alle Gesellschafter ausdrücklich mit der Beschlussfassung per Telefon- oder Videokonferenz einverstanden sind.

Praktisch lassen sich virtuelle Gesellschafterversammlungen mit Zustimmung aller Gesellschafter dadurch realisieren, dass sich die Gesellschafter zunächst in Telefon- oder Videokonferenzen über die einzelnen Beschlussgegenstände austauschen und (unmittelbar) anschließend Beschluss fassen entweder 1) im schriftlichen Umlaufverfahren oder 2) indem die Gesellschafter einen Gesellschafter bevollmächtigen, eine Gesellschafterversammlung abzuhalten und dort in ihrem Namen für sie die Stimme abzugeben. Eine solche Vollmacht kann grundsätzlich formlos erteilt werden, zu Beweiszwecken ist wenigstens Textform (z.B. per E-Mail) zu empfehlen. Teilweise schreibt auch der Gesellschaftsvertrag Text- oder Schriftform vor.

3. Können einzelne Gesellschafter einer Präsenzversammlung telefonisch zugeschaltet werden oder ihre Stimme schriftlich abgeben?

Gemischte Abstimmungsformen sind nur zulässig, wenn der Gesellschaftsvertrag dies zulässt. Ohne Grundlage im Gesellschaftsvertrag sind eine partiell präsenzlose Beschlussfassung, insbesondere die sog. kombinierte Beschlussfassung (Abstimmung teils in der Versammlung, teils schriftlich) nach der Rechtsprechung des BGH unzulässig und führen zur Nichtigkeit der Beschlüsse, und zwar selbst dann, wenn alle Gesellschafter damit einverstanden sind.

Praktisch lassen sich kombinierte Gesellschafterversammlungen mit Zustimmung aller Gesellschafter dadurch realisieren, dass die abwesenden (aber per Telefon oder Videokonferenz zugeschalteten) Gesellschafter einen in der Gesellschafterversammlung anwesenden Gesellschafter bevollmächtigen, in ihrem Namen für sie die Stimme abzugeben. Eine solche Vollmacht kann grundsätzlich formlos erteilt werden, zu Beweiszwecken ist wenigstens Textform (z.B. per E-Mail) zu empfehlen. Teilweise schreibt auch der Gesellschaftsvertrag Text- oder Schriftform vor.

4. Wie können Beschlüsse im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden?

a) Grundsätzlich gilt:

Nach § 48 Abs. 2 GmbHG können Gesellschafterbeschlüsse auch außerhalb von Versammlungen gefasst werden, wenn sämtliche Gesellschafter 1) einem Beschlussantrag in Textform (z.B. per Post, per E-Mail oder Fax) zustimmen oder 2) jedenfalls der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren zustimmen, auch wenn der Beschluss selbst nicht einstimmig gefasst wird. Das GmbH-Recht setzt demnach voraus, dass sich sämtliche Gesellschafter mit der Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren einverstanden erklären. Eine besondere Regelung im Gesellschaftsvertrag ist dafür nicht erforderlich.

b) COVID-19-Pandemie-Gesetz/COVID-19-GesR-Gesetz

Nach § 2 COVID-19-GesR-Gesetz ist die Zustimmung aller Gesellschafter nicht mehr erforderlich. Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform (E-Mail, Telefax etc.) oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Mehrheitsbeschlüsse sind demnach im Umlaufverfahren möglich – auch gegen den Willen einzelner Gesellschafter. Diese temporäre Ausnahme gilt befristet für alle Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse im Jahr 2020.

5. Können sämtliche Beschlüsse im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst werden?

Die Erleichterung gilt nicht für Gesellschafterbeschlüsse, die notariell beurkundet werden müssen (z.B. Änderungen des Gesellschaftsvertrags, Kapitalerhöhungen, Umwandlungsbeschlüsse). Davon abgesehen sind sämtliche Beschlussfassungen einschließlich Wahlen, Organbestellungen und -abberufungen, Entlastung des Geschäftsführers sowie die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung grundsätzlich im schriftlichen Umlaufverfahren möglich. Dafür genügen E-Mails oder WhatsApp-Nachrichten.

6. Was gilt bei Beschlüssen, die der notariellen Beurkundung bedürfen?

Für notariell zu beurkundende Gesellschafterbeschlüsse ist das schriftliche Verfahren nicht geeignet. Für beurkundungspflichtige Beschlüsse muss nach der Rechtsprechung eine Präsenzversammlung vor dem Notar abgehalten werden.

Um die Zahl der anwesenden Personen beim Notar zu minimieren, können die Gesellschafter eine Person mit der Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte in einer Gesellschafterversammlung und der Stimmabgabe bevollmächtigen. Dieser Bevollmächtigte kann dann in Anwesenheit eines Notars die Gesellschafterversammlung abhalten und den betreffenden Beschluss fassen. Der Notar kommt als Vertreter nicht in Betracht, wohl aber Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im Notariat. Die Vollmacht bedarf kraft Gesetzes keiner besonderen Form, außer bei Gesellschaftsgründungen oder der Übernahme von Anteilen im Rahmen von Kapitalerhöhungen. Empfehlenswert sind jedoch generell schriftlich erteilte Vollmachten. Zu beachten sind auch etwaige gesellschaftsvertragliche Anforderungen an die Vollmacht. Teilweise verlangen Gesellschaftsverträge Schriftform oder erlauben nur die Bevollmächtigung eines anderen Gesellschafters oder eines zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Beraters.

7. Wie sind die Gesellschafter über das schriftliche Umlaufverfahren zu informieren?

Auch die Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren muss mit der hierfür vorgesehenen Ladungsfrist angekündigt werden. § 51 GmbHG bestimmt hierfür eine Frist von einer Woche, viele Gesellschaftsverträge sehen längere Fristen vor. Diese Frist ist allen Gesellschaftern für die Rückmeldung und Stimmabgabe einzuräumen. Bei schriftlichen Stimmabgaben per Post kann es sinnvoll sein, die Frist um ein paar zusätzliche Tage für die Postlaufzeit zu verlängern. Die Ankündigung sollte außerdem den Hinweis enthalten, dass der Beschluss auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter wirksam gefasst werden kann.

Die Ankündigung erfolgt durch den Geschäftsführer, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag eine andere Person zur Einberufung von Gesellschafterversammlungen ermächtigt.

Unterlagen, die für die Beschlussfassung erforderlich sind, z.B. der aufgestellte Jahresabschluss, sind den Gesellschaftern rechtzeitig zu übermitteln.

8. An wen muss die Stimmabgabe zur Beschlussfassung geschickt werden?

Die Einholung der Stimmen obliegt dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Versammlungsleiter. Dies ist oft ein Geschäftsführer, der älteste Gesellschafter oder der Gesellschafter mit den meisten Stimmen. Sieht der Gesellschaftsvertrag keinen Versammlungsleiter vor, sind die Geschäftsführer für die Einholung der Stimmen verantwortlich.

Nach Abgabe aller Stimmen bzw. Ablauf der dafür vorgesehenen Frist stellt der Versammlungsleiter bzw. der Geschäftsführer das Beschlussergebnis fest und teilt es den Gesellschaftern schriftlich oder in Textform (E-Mail, Fax etc.) mit. Mit Zugang der Mitteilung des Beschlussergebnisses läuft die Anfechtungsfrist für die Gesellschafter.

 

III. Umwandlungsrecht

1. Was gilt bei Beschlüssen über Umwandlungsmaßnahmen?

Beschlussfassungen über die Verschmelzung, die Spaltung/Ausgliederung und den Formwechsel sind nur in Präsenzversammlungen möglich und bedürfen zudem der notariellen Beurkundung. Eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren kommt daher nicht in Betracht.

2. Welche Erleichterungen gelten aufgrund der Corona-Krise im Umwandlungsrecht?

a) Grundsätzlich gilt:

Bei der Anmeldung einer Verschmelzung nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG oder auch einer Spaltung/Ausgliederung nach § 125 UmwG zum Handelsregister muss eine Schlussbilanz beigefügt werden, die auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden ist. Die Schlussbilanz kann, muss aber nicht der Bilanz im letzten Jahresabschluss entsprechen. In der Praxis sind Umwandlungen meist so strukturiert, dass der letzte Jahresabschluss zugleich als Schlussbilanz für die Umwandlung dienen kann.

Gesellschaften, deren Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht und die die Bilanz des letzten Jahresabschlusses beifügen wollen, müssen daher bis zum 31.08. eines Jahres die Umwandlungsmaßnahme zur Eintragung im Handelsregister anmelden. Zuvor müssen die Gesellschafter in einer Präsenzversammlung über die Umwandlungsmaßnahme Beschluss fassen (siehe Frage 1).

b) COVID-19-Pandemie-Gesetz/COVID-19-GesR-Gesetz

Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass Umwandlungsmaßnahmen nicht aufgrund der derzeitigen Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten scheitern, weil die gesetzliche Achtmonatsfrist für die Anmeldung der Umwandlung beim Handelsregister nicht eingehalten werden kann. Deshalb wird nach § 4 COVID-19-GesR-Gesetz die Frist in § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG auf zwölf Monate verlängert. Für die Anmeldung einer Verschmelzung oder Spaltung/Ausgliederung ist damit eine Bilanz ausreichend, die zu einem höchstens zwölf Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt wurde. Diese Sonderregelung gilt nur für Anmeldungen, die im Jahr 2020 vorgenommen werden.

Gesellschaften mit dem Kalenderjahr als Geschäftsjahr können also Umwandlungen mit der Bilanz zum 31.12.2019 nunmehr bis zum 31.12.2020 anmelden und haben damit mehr Zeit, eine Präsenzversammlung nach der Lockerung der Versammlungsbeschränkungen einzuberufen.

 

IV. Personengesellschaften

Können Abstimmungen im Umlaufverfahren stattfinden?

Das COVID-19-Pandemie-Gesetz enthält keine Sonderregelungen für Personengesellschaften. Eine analoge Anwendung einzelner Normen des COVID-19-Pandemie-Gesetzes, insbesondere von § 2 COVID-19-GesR-Gesetz, der für die GmbH eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter ermöglicht, ist kritisch zu sehen. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, da der Gesetzgeber für andere Gesellschaftsformen, Vereine, Stiftungen und Genossenschaften explizit Regelungen getroffen hat. Maßgeblich für Personengesellschaften sind damit weiterhin die Regelungen im Gesellschaftsvertrag. Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zu einem Umlaufverfahren, bedarf es hierfür der Zustimmung aller Gesellschafter.

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