Behördliche Maßnahmen und staatliche Entschädigung

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Nach welchen Vorschriften sind behördliche Maßnahmen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) möglich?

Das IfSG sieht als spezielle Maßnahmen unter anderem die Beobachtung (§ 29), Quarantäne (§ 30), ein Tätigkeitsverbot (§ 31) und den Erlass von Rechtsverordnungen (§ 32) vor.

Besondere Bedeutung erhielten im März 2020 jedoch die Generalklauseln der § 16 Abs. 1 (zur Verhütung übertragbarer Krankheiten) und § 28 Abs. 1 IfSG (zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten). Auf letztere Ermächtigungsgrundlage wurden überwiegend die Allgemeinverfügungen zur Schließung von Betrieben und Schulen, Veranstaltungsverbote sowie die Rechtsverordnungen der Länder mit Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen gestützt.

Welche Voraussetzungen bestehen für die Entschädigung bei Verdienstausfall aufgrund von behördlicher Anordnung von Tätigkeitsverboten oder Quarantäne? (Anspruch aus § 56 IfSG)

§ 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG gewährt demjenigen einen Entschädigungsanspruch, der dadurch einen Verdienstausfall erleidet, dass ihm durch behördliche Anordnung gemäß § 31 Satz 2 IfSG die Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit verboten wird. Das Gleiche gilt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG grundsätzlich auch für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert (mit Absonderung ist die Quarantäne nach § 30 IfSG gemeint) wurden.

Können auch Eltern, die aufgrund der Betreuung ihrer Kinder einen Verdienstausfall erleiden, Entschädigung beanspruchen? (Anspruch aus § 56 IfSG)

Gemäß § 56 Abs. 1a IfSG (eingeführt durch die Änderung des IfSG am 27.03.2020) besteht ein Entschädigungsanspruch auch für Eltern (und unter Umständen Pflegeeltern) von Kindern unter 12 Jahren oder behinderten und auf Pflege angewiesenen Kindern, deren Betreuungseinrichtungen oder Schulen zur Verhinderung der Verbreitung des Virus durch die zuständige Behörde geschlossen wurden. Voraussetzung ist, dass die Eltern einen Dienstausfall dadurch erleiden, dass sie ihre Kinder selbst betreuen, ohne dass sie eine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit hätten sicherstellen können. Diese letzte Voraussetzung ist von den Eltern – auf Verlangen des Arbeitgebers auch gegenüber diesem – nachzuweisen.

Wie berechnet sich die Höhe der Entschädigung? (Anspruch aus § 56 IfSG)

Die Höhe der Entschädigung ist in Absatz 2 geregelt und wird für die ersten sechs Wochen in voller Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Ab der siebten Woche beträgt sie grundsätzlich 70 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens (§ 47 Abs. 1 SGB V).

Beim Anspruch der Eltern aus Absatz 1a wird jedoch für längstens sechs Wochen lediglich 67 Prozent des Verdienstausfalls und für einen vollen Monat höchstens 2016 Euro gewährt.

Grundlage der Berechnung ist demnach der Verdienstausfall, welcher in Absatz 3 definiert wird als das regelmäßige Netto-Arbeitsentgelt zuzüglich des etwaigen Kurzarbeitergeldes und Zuschuss-Wintergeldes. Für in Heimarbeit Beschäftigte gilt als Berechnungsgrundlage das durchschnittliche letzte Jahresgehalt und für Selbständige ein Zwölftel des Arbeitseinkommens (§ 15 SGB V) aus der entschädigungspflichtigen Tätigkeit.

Bei einer Existenzgefährdung können die Entschädigungsberechtigten auf Antrag bei der Behörde die während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen in angemessenem Umfang verlangen. Selbständige, deren Betrieb aufgrund des Verbotes oder der Absonderung ruht, erhalten in angemessenem Umfang zusätzlich Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben.

Gemäß Abs. 8 sind auf die Entschädigung anzurechnen Zuschüsse des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt aus einer Ersatztätigkeit, der Wert böswillig unterlassener Ersatztätigkeit und ein etwaiges Arbeitslosengeld.

Wann ist die Entschädigungszahlung fällig? (Anspruch aus § 56 IfSG)

Fällig ist die Entschädigungszahlung bei Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Fälligkeit des normalen Arbeitsentgelts, bei allen anderen Entschädigungsberechtigten zum Ersten eines Monats für den abgelaufenen Monat.

Wer zahlt die Entschädigung aus und welche Anträge sind innerhalb welcher Frist zu stellen? (Anspruch aus § 56 IfSG)

Der Arbeitgeber hat für seine Arbeitnehmer die Entschädigung als „Auszahlstelle“ zunächst (längstens für sechs Wochen) selbst in Vorleistung auszuzahlen und erhält diese Zahlungen dann auf Antrag bei der Behörde zurückerstattet.
Auf Antrag hat die zuständige Behörde dem Arbeitgeber gemäß Absatz 12 einen Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbetrages zu gewähren, was insbesondere in Kleinbetrieben interessant sein dürfte.

Antrag und Frist:

Die Anträge auf Entschädigung sind durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der Tätigkeit oder nach dem Ende der Absonderung zu stellen. Beizufügen ist eine Bescheinigung des Arbeitgebers beziehungsweise des Auftraggebers über die Höhe des im maßgeblichen Zeitraum verdienten Arbeitsentgelts und der gesetzliche Abzüge, von Selbständigen entsprechend die Bescheinigung des Finanzamtes über die Höhe des letzten dort nachgewiesenen Arbeitseinkommens.

Für Ärzte und Psychotherapeuten sind weitere Informationen und die jeweilig zuständigen Behörden im Überblick durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammengefasst.

Kommt eine entsprechende Anwendung des Anspruchs aus § 56 IfSG auf die Fälle der Betriebsschließungen in Betracht?

Teilweise wird diskutiert, § 56 IfSG analog anzuwenden, um Betriebsschließungen und Tätigkeitsverbote gleich zu behandeln. Jedoch ist hier bereits das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zweifelhaft, welche Voraussetzung für die analoge Anwendung dieser Entschädigungsregelung wäre.

Für welche Fälle greift der Entschädigungsanspruch aus § 65 IfSG?

Eine zweite Anspruchsgrundlage für Entschädigungsansprüche enthält das IfSG in § 65.

Hiernach ist eine Entschädigung zu leisten, wenn auf Grund einer Maßnahme zur Verhütung übertragbarer Krankheiten nach den §§ 16 und 17 IfSG Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden (also einschlägig für die Vernichtung von Gütern) oder ein anderer, nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird.

Ausgenommen sind gemäß Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz diejenigen Personen, deren Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlichen als vermutlichen Überträgern behaftet oder dessen verdächtig sind. Im Sinne des Polizeirechts gewährt § 65 IfSG demnach nur sogenannten Nichtstörern einen Entschädigungsanspruch.

In welcher Höhe gewährt § 65 IfSG Entschädigung?

Die Höhe der Entschädigung (Absatz 2) bemisst sich bei der sachbezogenen Entschädigung nach dem allgemeinen Wert beziehungsweise der Wertminderung des Gegenstandes oder den erforderlichen Reparaturkosten. Entscheidend ist der Zustand des Gegenstandes vor seiner Beschädigung.

Zur Höhe der Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile enthält § 65 IfSG keine Präzisierungen, der Berechtigte darf jedoch nicht besser gestellt werden, als es ohne die Maßnahme der Fall wäre.

Bietet das IfSG in Fällen von Betriebsschließungen einen spezialgesetzlichen Entschädigungsanspruch aus § 65 IfSG?

In der Praxis höchst relevant und aufgrund der Neuartigkeit der Situation gerichtlich bislang nicht geklärt ist die Frage, ob behördlich angeordnete Betriebsschließungen und Veranstaltungsverbote zur Entschädigung berechtigen. Die Formulierung „anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil“ lässt eine solche Auslegung vom Wortlaut her zunächst zu.

Jedoch ist zu beachten, dass § 65 IfSG Maßnahmen nach den §§ 16 und 17 IfSG voraussetzt, also solche zur Verhütung übertragbarer Krankheiten. Die Maßnahmen der Länder und Kommunen wie Betriebsschließungen, Kontaktverbote oder Ausgangsbeschränkungen sind jedoch regelmäßig auf die Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 IfSG gestützt, also als Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten getroffen worden. Allgemein wird, obwohl Maßnahmen begrifflich häufig nicht trennscharf entweder der Verhütung oder Bekämpfung zugeordnet werden können, von einem Exklusivitätsverhältnis von §§ 16 f. und § 28 IfSG ausgegangen. Soweit die bestimmte Krankheit noch nicht aufgetreten ist, sind die §§ 16 ff. IfSG anwendbar, nach Auftreten der Krankheit ausschließlich die §§ 24 ff. IfSG (NdsOVG NdsVBl 2011, 158, 162).

Ob § 28 Abs. 1 IfSG tatsächlich die taugliche Rechtsgrundlage darstellt oder es sich bei Betriebsschließungen nicht doch um präventive Maßnahmen handelt, wird durch die Rechtsprechung in Eilverfahren momentan vereinzelt bezweifelt, mehrheitlich jedoch noch bejaht. Dafür spricht, dass die Erkrankung Covid-19 bereits aufgetreten war, als die Maßnahmen beschlossen wurden und daher eher der Bekämpfung dienen. Nach der Rechtsprechung dürfte dafür schon 1 Krankheitsfall ausreichen.

Zum Teil wird jedoch auch grundsätzlich an der Verfassungsmäßigkeit des § 28 IfSG und damit an dessen Tauglichkeit als Ermächtigungsgrundlage gezweifelt.

Während schon die sachbezogene Entschädigungspflicht restriktiv auszulegen ist, könnte dies erst recht für die auffangtatbestandliche Regelung für den „anderen Vermögensnachteil“ gelten.

Im Vorgängergesetz (BSeuchG) wurde diese Variante neben der sachbezogenen Entschädigung erst später (1971) lediglich ergänzt, um verbleibende Lücken zu schließen. Dass hierdurch eine Grundlage für exorbitante Entschädigungsansprüche in Milliardenhöhe wegen ausgedehnter Betriebsschließungen oder Veranstaltungsverboten geschaffen werden sollte, wird als zweifelhaft angesehen.

Zudem würde das Verständnis als umfassende staatliche Einstandspflicht der bestehenden Systematik des Staatshaftungsrechts widersprechen, welches für rechtmäßiges Behördenhandeln nur in Ausnahmefällen (Sonderopfer) bei außergewöhnlichen Einzelbelastungen Entschädigungsansprüche gewährt (so beim enteignenden Eingriff und dem Aufopferungsanspruch). Insbesondere ist für Sonderopfer erforderlich, dass der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich schlechter behandelt wird. Im Fall von Betriebsschließungen ist dies fraglich, da diese auf Grundlage der Allgemeinverfügungen bzw. Rechtsverordnungen alle Unternehmen einer Branche gleich treffen sollen.

Hilft eine entsprechende Anwendung des § 65 IfSG weiter?

Für eine analoge Anwendung des § 65 IfSG wäre zunächst erforderlich, dass eine planwidrige Regelungslücke für Maßnahmen vorliegt, die nicht der Verhütung, sondern der Bekämpfung von Infektionskrankheiten dienen. Dies erscheint bereits aus dem Grund fraglich, dass der Gesetzgeber ausdrücklich und wahrscheinlich bewusst die Differenzierung zwischen Verhütung und Bekämpfung vorgenommen hat, zumal bei bereits ausgebrochenen beziehungsweise verbreiteten Infektionskrankheiten (§ 28 IfSG) vom Bürger weitgehendere Eingriffe zu dulden sind, ohne eine Entschädigung verlangen zu können. Daher wird auch allgemein von einem Exklusivitätsverhältnis der §§ 16 f. und § 28 IfSG ausgegangen (NdsOVG NdsVBl 2011, 158, 162). Zudem wäre dem Gesetzgeber eine entsprechende Erweiterung der Entschädigungsregelungen im Zuge der Novellen zum Infektionsschutzgesetz (letzte Änderung Ende März 2020) ohne weiteres möglich gewesen, wovon aber abgesehen wurde. Aufgrund dessen werden Forderungen nach der Aufnahme einer umfassenden gesetzlichen Entschädigungsregelung im IfSG laut.

Welche Entschädigungsansprüche bietet das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht?

Entschädigungsansprüche können sich auch aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht ergeben. Der subsidiäre Rückgriff darauf dürfte neben den Entschädigungsansprüchen aus dem IfSG trotz vereinzelt geäußerter Zweifel zulässig sein. Ein Ausschluss „anderweitiger Rechtsvorschriften“ und „Gewohnheitsrecht“ zu Entschädigungsansprüchen sollte gerade nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist das Polizei- und Ordnungsrecht Ländersache und daher nicht einheitlich geregelt, doch existieren vergleichbare Regelungen in vielen Bundesländern (z.B §§ 221 ff. LVwG Schleswig-Holstein, §§ 56 ff. PolG Baden-Württemberg), deren Voraussetzungen sich jedoch im Einzelnen unterscheiden können. Exemplarisch seien hier die Entschädigungsansprüche im Land Nordrhein-Westfalen (§ 39 OBG) dargestellt:

Zu differenzieren ist zwischen rechtmäßiger und rechtswidriger Inanspruchnahme.

§ 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW gewährt bei rechtmäßiger Inanspruchnahme eines Nichtstörers (§ 19 OBG NRW) diesem aufgrund seines Sonderopfers eine Entschädigung. Bei Betriebsschließungen ist fraglich, ob betroffene Unternehmen tatsächlich als Nichtstörer oder doch über die Rechtsfigur des Zweckveranlassers als Störer anzusehen sind. Während die Öffnung der Ladengeschäfte eine neutrale Handlung darstellt, könnte argumentiert werden, dass das angelockte Publikum als Risiko veranlasst wurde. Ob die Figur des Zweckveranlassers hier zu bejahen ist, dürfte von den Umständen des Einzelfalles abhängen und bedarf eingehender Prüfung. Zudem stellen sich Fragen der Nachweisbarkeit des kausalen Schadens und der Ausschlussgründe aus Absatz 2 (soweit die Maßnahmen gesamtgesellschaftliche Schutzwirkung entfalten sollten).

Stellt sich die Betriebs- oder Ladenschließung als rechtswidrig heraus, kommt ein Anspruch aus § 39 Abs. 1 lit. b OBG NRW in Betracht, auch wenn die Unternehmen selbst als Störer zu qualifizieren sind. Jedoch ist bei beiden Anspruchsgrundlagen aus § 39 OBG NRW ein ungeschriebener Ausschlussgrund zu beachten, wenn und soweit der Betroffene es vorwerfbar versäumt hat, eine rechtswidrige Maßnahme der Ordnungsverwaltung mittels gerichtlichen Rechtsschutzes abzuwehren (Vorrang des Primärrechtsschutzes).

Rechtswidrigkeit der Maßnahmen:

Ob sich die behördlichen Maßnahmen als (teilweise) unverhältnismäßig und rechtswidrig darstellen, ist bislang nicht abschließend geklärt und bedarf einer Einzelfallprüfung, die bisherige Rechtsprechung tendiert jedoch aufgrund des hohen Ranges der geschützten Rechtsgüter wie die Gesundheit der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems überwiegend zur vorläufigen Annahme der Rechtmäßigkeit der getroffenen Maßnahmen, obgleich es bereits jetzt vereinzelt anderslautende Entscheidungen gibt (vgl. VG Aachen, B. v. 06.04.2020, 7 L 259/20). Gerade die unterschiedliche Ausgestaltung der Verbote von den einzelnen Ländern bedürfte hier einer eingehenden Prüfung. So drängt sich z. B. die Frage der Rechtmäßigkeit der Schließung von Baumärkten in Niedersachsen bei gleichzeitiger Zulässigkeit der Öffnung in den benachbarten Ländern geradezu auf.

Welche Ansprüche kommen nach dem allgemeinen Staatshaftungsrecht in Betracht?

Denkbar bleiben auch Entschädigungsansprüche aus anderen Instituten des Staatshaftungsrechts.

Im Falle von rechtmäßigen behördlichen Maßnahmen wie z.B. Betriebsschließungen kommt ein allgemeiner Aufopferungsanspruch des Unternehmens in Betracht. Allerdings sind durch diesen Anspruch nur nicht vermögenswerte Rechtsgüter (Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit) entschädigungsfähig, nicht jedoch die wirtschaftlichen Nachteile aufgrund der Schließungen.

In Betracht kommt bei rechtmäßiger Inanspruchnahme auch ein Anspruch aus einem enteignenden Eingriff. Voraussetzung dafür ist, dass eine Eigentumsposition im Sinne des Art. 14 GG durch Nebenfolgen des Verwaltungshandelns unmittelbar beeinträchtigt wird und der Betroffene dadurch ein Sonderopfer erbringt.

Fraglich ist, ob Betriebsschließungen einen Eingriff in die Eigentumsposition darstellen. Jedenfalls die Räumlichkeiten des Betriebes/Unternehmens dürften vom Begriff des geschützten Eigentums umfasst sein. Jedoch stellen Umsatzeinbußen durch Betriebsschließungen keine Zufalls- oder Unfallschäden dar, die zum typischen Anwendungsbereich des Anspruches wegen enteignenden Eingriffes gehören.

Des Weiteren müsste dem jeweiligen Unternehmen beziehungsweise dem Betreiber durch die Schließung ein Sonderopfer auferlegt worden sein. Ein Sonderopfer liegt vor, wenn in die geschützte Rechtsposition des Betroffenen nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkung schwer und unerträglich eingegriffen wurde. Dies ist einerseits unter dem Aspekt eines Gleichheitsverstoßes denkbar. Jedoch dürfte dem entgegenstehen, dass die Anordnung von Betriebsschließungen regelmäßig nicht gegen einzelne Unternehmen gerichtet ist, sondern sich auf alle Unternehmen einer Branche im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung bezieht. Andererseits erscheint zumindest in einigen Fällen die Annahme einer besonderen Schwere nachvollziehbar, wobei es unter anderem auf die Dauer und Intensität der Maßnahme ankommen wird. Auch hier ist daher eine genaue Prüfung des Einzelfalles unerlässlich.

Stellt sich die Maßnahme dagegen als rechtswidrig heraus, ist ebenso ein Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs denkbar. Hierbei wären unabhängig von der Frage der Reichweite der Ermächtigungsnorm des § 28 IfSG vor allem die Anforderungen aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Auch hier ist neben der Eigentumsbeeinträchtigung (Art. 14 GG) das Vorliegen eines Sonderopfers erforderlich.

Bezüglich eines denkbaren Amtshaftungsanspruches gemäß Art. 34 Satz 1 GG i. V. m. § 839 BGB ist zu beachten, dass die erforderliche Amtspflichtverletzung in einer fehlerhaften Ermessensausübung und insbesondere der Unverhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen im Einzelfall liegen könnte (die Maßnahme muss rechtswidrig sein). Jedoch dürften die Anforderungen an eine solche Amtspflichtverletzung sehr hoch sein, da durch die Maßnahmen höchste Rechtsgüter wie die Gesundheit der Bevölkerung und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems geschützt werden sollen. Zudem wird der Ermessensspielraum der handelnden Behörde bei Prognoseentscheidungen, die aufgrund der unübersichtlichen Sachlage zu ergehen haben, tendenziell sehr weit sein.

Auch wird ein Amtshaftungsanspruch in der Regel dann ausscheiden, wenn nicht der Geschädigte zunächst verwaltungsgerichtlich (etwa im Eilverfahren) versucht hat, die angeordneten Maßnahmen abzuwehren.

Muss primär gegen die Maßnahme vorgegangen werden oder kann direkt Entschädigung verlangt werden? Wie können Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen angegriffen werden?

Sollen Entschädigungsansprüche wegen rechtswidriger Maßnahmen verfolgt werden, stellt sich generell das Problem des vorrangigen Primärrechtsschutzes. Der Anspruchsteller müsste demnach zunächst gegen die Allgemeinverfügungen oder Rechtsverordnungen vorgehen, durch welche die Maßnahmen angeordnet wurden. Es gilt gerade nicht der Grundsatz „dulde und liquidiere“, soweit es dem Betroffenen zumutbar ist, sich gegen die Maßnahmen zu wehren. Offensichtlich aussichtslose Anfechtungsklagen oder Eilanträge müssen allerdings nicht gestellt werden.

Jedenfalls ist eine zeitnahe Prüfung der in Betracht kommenden Ansprüche erforderlich, da im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Fristen einzuhalten sind. Kommunale Allgemeinverfügungen erwachsen in Bestandskraft, wenn seit ihrer Bekanntgabe ein Monat verstrichen ist. Es muss daher bei jeder Allgemeinverfügung einzeln eine mögliche Verfristung geprüft werden.

Bezüglich der Rechtsverordnungen ist in einigen Ländern ein Normenkontrollverfahren möglich (beispielsweise im Land Nordrhein-Westfalen seit dem 01.01.2019 gemäß § 109a JustG NRW vor dem Oberverwaltungsgericht; Ermächtigung in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Dieser Antrag muss innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung gestellt werden.

In Ländern, die ein solches Normenkontrollverfahren für untergesetzliche Normen nicht vorsehen, müsste stattdessen eine Überprüfung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage vorgenommen werden.

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