Versicherungsschutz und COVID-19

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Versicherungen gegen Corona – Wann haben Unternehmen Deckungsschutz?

National und international hat die Corona-Krise inzwischen bereits zur Schließung zahlreicher Betriebe geführt. Die Auswirkungen von SARS-CoV-2 (Corona-Virus) sind immens. In einigen Staaten kam es bereits zu Zwangsschließungen, in anderen zu Empfehlungen, Betriebe (zum Beispiel Bäder, Kultureinrichtungen, Gastronomie und Einzelhandel) zu schließen. Vielfach entscheiden sich Unternehmen aber auch freiwillig dazu, schon um ihre Mitarbeiter zu schützen. Vor diesem Hintergrund stellt sich Unternehmensleitern, wie etwa Vorständen von Aktiengesellschaften oder Geschäftsführern von GmbHs die Frage, ob und inwieweit Versicherungen für die Kosten der Corona-Krise einstehen müssen. Zuvorderst kommt insoweit – soweit abgeschlossen – eine sogenannte „Betriebsschließungsversicherung“ in Betracht.

Was ist eine Betriebsschließungsversicherung?

Zu den sogenannten Ertragsausfallversicherungen gehören auch Betriebsschließungsversicherungen. Es geht um Deckungsschutz bei konkreten Betriebsunterbrechungen. Die Problematik liegt auf der Hand: Die Unternehmen sollen Miete, Personal, Zulieferanten bezahlen, stellen aber fest, dass Umsätze ausbleiben und/oder gar Erträge sinken, Zahlungen ausbleiben etc. Insbesondere der entgangene Gewinn wird von anderen Versicherungen nicht vollständig abgedeckt, so dass für bestimmte Zwecke Ertragsausfallversicherungen gezeichnet werden können. Bekannt ist dies zum Beispiel nach einem Brand (Feuerbetriebsunterbrechungs-Versicherung) und/oder auch nach einem Wasserschaden. Solche (sog. Sach-) Policen lösen den Versicherungsschutz für Ertragsausfälle regelmäßig aber erst dann aus, wenn der Versicherungsnehmer einen direkten physischen Schaden (einen sog. Sachschaden) an dem betroffenen Standort durch eine versicherte Gefahr erlitten hat. Bei der Pandemie, die sich weiter ausdehnt, bedarf es deshalb einer versicherungsvertraglichen Sonderlösung. Daher verdient die Betriebsschließungsversicherung besondere Aufmerksamkeit. Denn selbst bei größter Sorgfalt können Unternehmensleiter nicht verhindern, dass Betriebe von einer behördlichen Maßnahme zur Seuchenbekämpfung betroffen oder sogar gänzlich geschlossen werden. So sichert die Betriebsschließungsversicherung Unternehmen etwa dann ab, wenn der Betrieb „aus Gründen des Infektionsschutzes“ unterbrochen wird. Das bekannte Risiko war bisher, dass Krankheitserreger, zum Beispiel Salmonellen, eingeschleppt und innerhalb des Betriebes verbreitet werden. Die Betriebsschließungsversicherung bietet im Regelfall eine Absicherung vor den finanziellen Folgen bei einer behördlich angeordneten Betriebsschließung, sei es in Betrieben von Lebensmittelherstellern, oder auch bei Schließungen von Pflegeeinrichtungen wegen multiresistenter Keime.

Was sichert eine Betriebsschließungsversicherung ab?

In der Regel decken Betriebsschließungsversicherungen Vermögens- und Sachschäden ab, die Unternehmen durch behördlich angeordnete Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung entstehen, also zum Beispiel bei Schließung des Betriebes, für die Desinfektion des Betriebes und/oder auch zum Teil für die Vernichtung von Waren und Vorräten. Im Regelfall wird im Versicherungsfall der Ertragsausfall allerdings nicht uneingeschränkt gewährt, sondern ist vielmehr auf eine Haftzeit von 30 Tagen begrenzt. Zudem werden regelmäßig Kosten zum Beispiel für Desinfektionsmaßnahmen an Gebäuden und/oder auch Lohnkosten für Mitarbeiter ersetzt. Grundsätzlich müssen – generell und unabhängig davon, auf welcher vertraglichen Grundlage Zahlungen erfolgen müssen – drei Voraussetzungen (kumulativ) vorliegen:

  • die Schließung des versicherten Betriebes;
  • aufgrund unmittelbarer Anwendung des Infektionsschutzgesetzes;
  • wegen Auftretens eines meldepflichtigen Krankheitserregers.

Greift dieser Versicherungsschutz auch bei der SARS-CoV-2-Pandemie?

Entscheidend ist in erster Linie das Bedingungswerk der Betriebsschließungsversicherung. Dies muss ganz konkret anhand des Versicherungsvertrages geprüft werden. Dazu sind in erster Linie entscheidend die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und etwaige Besondere Vereinbarungen. Wie bereits betont, kommt es sehr auf den Einzelfall an. Jedoch lässt sich feststellen, dass in einer Vielzahl von Bedingungen vereinbart ist, dass die zuständige Behörde eine Betriebsschließung tatsächlich „angeordnet“ haben muss. Soweit dies in Deutschland geschehen ist, handelt es sich (im Regelfall) um Maßnahmen auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes; denn nach dem Infektionsschutzgesetz sind die Landesregierungen ermächtigt, Rechtsverordnungen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen (§ 32 Infektionsschutzgesetz). Dass das Corona-Virus auch ein meldepflichtiger Krankheitserreger ist, steht ebenfalls außer Frage. Im Einzelnen kann es darauf ankommen, ob die behördliche Anordnung unmittelbar an das betroffene Unternehmen gerichtet ist, oder ob das Unternehmen nur zu den betroffenen Betrieben, die zur Schließung gezwungen werden, gehört. Auch dies ist eine Frage des Einzelfalles.

International betrachtet gehen viele Nationalstaaten weiter. Spanien lässt ganze Betriebsbereiche schließen, ebenso Südafrika. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob und welche Behörden was konkret angeordnet haben.

Was bedeutet es, wenn in den Versicherungsbedingungen Covid19 nicht aufgelistet ist?

Die Versicherungsbedingungen enthalten in aller Regel eine konkrete Normierung namentlich genannter Krankheiten und/oder auch entsprechender Erreger. Insoweit ist individuell zu bestimmen, ob und inwieweit das SARS-CoV-2 entsprechend berücksichtigt werden kann, oder eben nicht. Hier streiten Juristen. Zum einen wird die These vertreten, dass für den Fall, dass „COVID-19“ nicht aufgelistet ist, sich dann eben aus dem Wortlaut kein Versicherungsschutz ergibt. Dies kann nach Sinn und Zweck der konkreten Police aber anders sein. Dafür müssen die unterschiedlichen Formulierungen der Versicherungsbedingungen genau betrachtet und gegebenenfalls nach juristischen Methoden ausgelegt werden. Zum Teil wird in der Liste auf das Infektionsschutzgesetz Bezug genommen. Mit der „Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht“ nach § 6 und § 7 des Infektionsschutzgesetzes wurde das Infektionsschutzgesetz erweitert, und zwar auch auf den Corona-Virus. Ob und inwieweit dies aber rückwirkend auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses Einfluss hat, ist sehr umstritten. Es kommt in erster Linie darauf an, ob die Deckung der Versicherung eine sogenannte „dynamische Verweisung“ auf das Infektionsschutzgesetz enthält. Dann kann sich der Versicherungsschutz tatsächlich auf sämtliche jeweils meldepflichtigen Krankheiten und Erreger beziehen. Ergo: Jede Police muss sehr individuell geprüft werden.

Obliegenheiten

Voraussetzung ist allerdings, dass der Versicherungsnehmer seinen Mitwirkungspflichten und Obliegenheiten stets nachkommt. Insofern ist auch zu prüfen, bis wann der Versicherer über diese Umstände zu informieren ist.

Kehrtwende der Betriebsschließungsversicherer

Während manche Versicherer sich relativ schnell bereit erklärt hatten, Betriebsschließungsschäden wegen COVID-19 zu übernehmen, stellten sich andere Versicherer bekanntlich quer.

Am 03.04.2020 haben sich nun das bayerische Wirtschaftsministerium, der Hotel- und Gaststättenverband Bayern und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft mit den Versicherern Allianz, Versicherungskammer Bayern und Haftpflichtkasse auf einen Kompromiss geeinigt. Dabei übernehmen die Versicherer 10 bis 15 Prozent der in den Betriebsschließungspolicen vereinbarten Tagessätze. Die Allianz etwa will 15 Prozent der vereinbarten Tagesentschädigung für maximal 30 Tage zahlen.

Weitere Versicherer haben sich dem Kompromiss mittlerweile angeschlossen. Zurich, Nürnberger und nun auch die R+V haben bereits erklärt, den Kompromiss ebenfalls umsetzen - und das nicht nur in Bayern, sondern bundesweit. Weitere Gesellschaften werden sicherlich folgen. Die Entwicklung sollte hier genau verfolgt werden.

Erste gerichtliche Entscheidungen zu Betriebsschließungsversicherung

Mittlerweile liegen erste zivilgerichtliche Entscheidungen vor, die sich mit Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit behördlichen Maßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie befassen.

Den Anfang machte Ende April 2020 eine Entscheidung des LG Mannheim (LG Mannheim, Urt. v. 29.04.2020 – 11 O 66/20). Das im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ergangene Urteil befasst sich u.a. mit einem Verfügungsanspruch des Versicherungsnehmers, den das Gericht – jedenfalls nach der dort streitgegenständlichen Klauselgestaltung – als gegeben ansieht. Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass der Klauselwortlaut, der selbst keine enumerative Aufzählung bestimmter Krankheiten oder Krankheitserreger enthält, für eine dynamische Verweisung auf die §§ 6 und 7 IfSG spreche. Weiter führt es aus, dass auch die mit einer Allgemeinverfügung oder einer Rechtsverordnung allgemein angeordneten, also nicht nur dem konkreten Betrieb des Versicherungsnehmers auferlegten Beschränkungen (präventive Schließungen), den Versicherungsfall aus der Betriebsschließungsversicherung auslösen können.

Demgegenüber sind nun aber auch Entscheidungen ergangen, die eine konträre Sichtweise vertreten. Nach LG Bochum, Urt. v. 15.07.2020 (4 O 215/20) etwa oder auch OLG Hamm, Beschluss v. 15.07.2020 (20 W 21/20) besteht kein Versicherungsschutz, wenn das Corona-Virus nicht in einem enumerativen („nur“) Katalog meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger der Versicherungsbedingungen aufgezählt ist. Ein (bloßer) Hinweis auf das IfSG führe nicht zu einer Auslegung dahin, dass «dynamisch» (auch) auf spätere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes verwiesen werde.

Zu bedenken ist aber stets, dass gerichtliche Entscheidungen – schon aufgrund der sehr unterschiedlichen Bedingungswerke – letztlich nur Einzelfall-Entscheidungen darstellen, die zwar einen Fingerzeig geben, aber nicht verallgemeinert werden können. Jede Police muss letztlich individuell geprüft werden.

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