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Schadenfall des Monats: Autounfall ohne zweite Partei – eine Sache für die Polizei?

In jeder Ausgabe unseres Newsletters beleuchten wir einen aktuellen Schadenfall aus unserer Praxis. Dieses Mal geht es um einen Autounfall in Österreich und die Frage, welche Pflichten der Unfallverursacher hat, um seinen Kasko-Versicherungsanspruch nicht zu verlieren. Bernd Bieberitz aus dem AVW-Schadenmanagement berichtet.

Was ist passiert?

Ein Autofahrer aus Deutschland fuhr während einer Dienstreise in Österreich einen öffentlichen Poller an. Da kein weiteres Fahrzeug in den Unfall involviert war, verständigte der Fahrer nicht die Polizei, sondern meldete den Schaden am Fahrzeug seiner Werkstatt und uns. Wir informierten den Versicherer. Doch der lehnte eine Schadenübernahme ab. Der Grund: Es läge eine Obliegenheitsverletzung vor. Der Versicherungsnehmer hätte die Polizei rufen und den geschädigten Dritten ausfindig machen müssen.

Liegt eine Obliegenheitsverletzung vor?

Der Versicherer sah eine Obliegenheitsverletzung beim Versicherungsnehmer, da es keine polizeiliche Meldung gab. So könnte die Höhe des Schadens im Nachhinein beeinflusst worden sein. Doch dieses Argument konnte widerlegt werden. Denn es konnte nur auf den Poller zutreffen, da dieser unter Umständen von weiteren Fahrzeugen angefahren wurde. Der Schaden am eigenen Fahrzeug hingegen blieb gleich – völlig unabhängig davon, ob die Polizei vor Ort war oder nicht.

Anzahl Fahrzeuge entscheidend

Der Versicherer blieb bei seiner Meinung und bestätigte die Obliegenheitsverletzung mit dem Hinweis, dass die Hinzuziehung der Polizei in den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) des Versicherers vorgeschrieben sei. Wir arbeiteten die Versicherungsbedingungen auf und es stellte sich heraus, dass nur bei einem Parkschaden zwischen zwei Fahrzeugen die Polizei einzuschalten sei. Damit sollen der Tathergang und die Fahrtüchtigkeit der Fahrer festgestellt werden. Da in diesem Fall jedoch nur ein Fahrzeug involviert war, war der Versicherungsnehmer nicht verpflichtet, die Polizei zu verständigen. Wir ließen unsere Erkenntnisse dem Versicherer schriftlich zukommen – und am Ende hat er ohne weitere Abzüge gezahlt.

In Deutschland muss die Polizei gerufen werden

Der Versicherungsnehmer hat also alles richtig gemacht.

Wäre ihm der Unfall in Deutschland passiert, sähe die Lage jedoch anders aus. Die Straßenverkehrsordnung in Österreich ist der deutschen zwar sehr ähnlich, unterscheidet sich jedoch in Details. Laut der deutschen Straßenverkehrsordnung muss bei einem Unfall mit Beschädigung Dritter immer die Polizei verständigt werden, wenn die dritte Person nicht anwesend ist. Bei Personenschäden ist in jedem Fall die Polizei zu verständigen.

Bedeutet: Wer in Deutschland gegen einen Poller fährt, muss die Polizei rufen. Sonst kann sich der Versicherer tatsächlich auf eine Obliegenheitsverletzung berufen – ganz unabhängig von der Versicherungsart. Zumal in den deutschen AKB sogar zusätzlich der Passus enthalten ist, dass der Versicherer sich auf eine Obliegenheitsverletzung berufen kann, wenn gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird. Und das dann auch im Bereich der Kaskoversicherung.