In diesem Monat wollen wir wieder eine unserer so wichtigen Kaninchenschutz e.V.-Pflegestellen vorstellen. Unsere Pflegestellen beherbergen zumeist nicht nur Kaninchen, die vom Kaninchenschutz e.V. unterstützt werden, sondern vielfach auch private Pflegetiere. Sie sind daher immer auf Unterstützung angewiesen - moralisch, durch liebe Worte, durch Trost nach Trauerfällen oder auch durch Sachspenden. Wir zeigen euch, was eine Pflegestelle noch ausmacht, sie bewegt und womit sie zu kämpfen hat.
In diesem Monat haben wir mit Claudia S. gesprochen, bei der derzeit unter anderem die Patenkaninchen Paul und Charly leben.
Was war das bisher schönste Erlebnis während deiner Zeit als Pflegestelle?
Gwendolyn Schnütchen. Sie lebte 11 Jahre lang nur im Käfig und wurde von der älteren Dame so fett gefüttert, dass sich ihre Beinchen unter der Körperlast deformierten. Sie muss jeden Tag unglaubliche Schmerzen gehabt haben, da sich auch Arthrose und Spondylose zu den Deformierungen gesellten. Doch sie war das liebste Kaninchen, das ich kannte und als sie das erste Mal mit Kaninchen zusammentraf, blühte sie auf, verstand sofort, wie man putzt und dass es nichts Schöneres gibt, als mit Artgenossen zu kuscheln. Sie war eines der sozialsten Kaninchen, die ich kennenlernen durfte. Ihren Verlust bedaure ich immer noch sehr.
Was war dein bisher schlimmster Pflegefall?
Das kann man so gar nicht auf ein einzelnes Tier festlegen. Neben Schatten ist auch Licht, und so gab es auch bei schweren Fällen immer wieder Lichtblicke, die Hoffnung gaben oder bei dem das Kaninchen unbändigen Lebenswillen zeigte. Jeder Fall ist individuell, und ich müsste hier mehrere nennen, die für mich persönlich „schlimm“ waren.
Was motiviert dich, wenn die Arbeit als Pflegestelle gerade besonders hart ist wegen besonders schwer kranker Tiere, dem Verlust eines Tieres o.ä.?
Ich gebe zu, ich muss erstmal meinen Schmerz verarbeiten. Solange kann ich mich auch nur um die vorhandenen Tiere daheim kümmern, also die eigenen und die Pflegetiere. Doch es kommt dann immer wieder die Zeit, in der mein Herz offen ist, wieder zu helfen. Ich liebe jedes der Tiere, die hier leben. Ich möchte allen gerecht werden, daher pass ich auch auf, dass ich mich physisch und auch emotional nicht übernehme. Denn ich möchte nicht selber ein Notfall werden. Ich achte auf meine Grenzen, und wenn die gewahrt sind, helfe ich gerne. Es motiviert mich, Kranke beim Genesen zu unterstützen, auch wenn das temporär oder mittelfristig sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Und wenn dann ein neues einsames, krankes Kaninchen gesund ist bzw. ein chronisch krankes vergesellschaftungsfähig, dann motiviert es mich sehr, wenn ich es in einer harmonischen Gruppe (er)leben sehen darf.
Wie kam es dazu, dass du Pflegestelle geworden bist?
Naja, ich war vorab die Ansprechpartnerin der Kaninchenhilfe Österreich für den Bereich Deutschland, später Gründungsmitglied und Vorstand des Kaninchenschutz e.V. Damals gab es nur die Bunnyhilfe, die fast nur in NRW ansässig war. Und ich hatte die Nähe zu Berlin, und da kommt eins zum anderen. So schnell kann man gar nicht schauen, wie schnell man zu einem Pflegetier kommen kann, gewollt oder ungewollt. Bin auch überrascht, dass auch nach 14 Jahren kein Pflegetier vor meiner Haustür ausgesetzt wurde, schließlich wurde in der Anfangszeit meine Adresse auf den Flyern gedruckt, die deutschlandweit verteilt wurden. Gott bewahre, dass das aber jemals passieren möge!
Eines meiner ersten Schützlinge bekam ich so auch von der Tierärztin „übergestülpt“, das ist nicht selten, schließlich landen bei ihnen oft Tiere, die aus fadenscheinigen Gründen eingeschläfert werden sollen.
Was ist deiner Meinung nach das Wichtigste in der Organisation für eine Pflegestelle?
Klare Regeln für beide Seiten, an die man sich hält. Sei es, wie es zur Unterstützung eines Pflegetieres durch den Verein kommt, Regularien zur finanziellen Unterstützung etc.
Pflegestelle zu sein bedeutet, Pflichten zu erfüllen. Nicht nur dem einzelnem Kaninchenschicksal zu helfen, sondern auch dem Verein gegenüber. Sei es bei einem Kaninchen mit KS-Status die regelmäßige Berichterstattung im Forum und per Monatsbrief an die Paten, als auch den Vorstand zu informieren, wenn höhere Kosten entstehen sollten oder sich die Haltungsbedingung (Gruppe etc) für das Tier ändern könnte. Man darf ja nicht vergessen, dass ein Pflegetier nicht das eigene Tier ist und man damit machen kann, was man will. Dafür gibt’s eben die Regeln und Pflichten, die jeder Pflegestelle klar sein sollten, ehe man sich ein Pflegetier „ins Haus holt“.
Hast du Momente, in denen du an deiner Tätigkeit als Pflegestelle zweifelst / gerne das Handtuch werfen würdest? Warum und was hilft bei Dir dagegen?
Ja, jedes Mal, wenn ein Liebling stirbt. Dann kommen natürlich die Zweifel, ob man wirklich alles gegeben hat. Der Verlust schmerzt dann so sehr, dass Platz für Zweifel entsteht.
Da hilft nur Zeit, die Wunden zu pflegen und den Verlust zu verarbeiten. Nur wenn mein Herz wieder „normal“ arbeitet, bin ich auch wieder bereit zu helfen. Ich kann also nicht permanent Tiere aufnehmen, Verluste erleiden und währenddessen neue aufnehmen. Helfen ist bei mir eine Herzensangelegenheit, keine Überlebensstrategie. Alles in Maßen, nicht in Massen.
Wie geht deine Umwelt (Familie, Freunde, Kollegen) damit um? Unterstützen sie dich?
Mit den Jahren wandelt sich der Freundeskreis, sei es durch Wegzug, Entwicklung anderer Interessen etc. pp. So sind Freunde geblieben, die tierlieb sind und verstehen, was ich mache und warum. Meine Familie ist jetzt nicht sooooo tierlieb, aber die Augenbrauen zucken nicht mehr so in die Höhe. Man hat es akzeptiert, das Interesse liegt da aber auch bei unseren Hunden. Kaninchen haben für sie leider keinen „Wert“.
Wie kannst Du die Versorgung/Betreuung der Tiere mit Deiner Arbeit vereinen?
Wie bekommst Du alles zeitlich/organisatorisch geregelt?
Ich habe den Luxus, größtenteils von daheim arbeiten zu können. Schlimmstenfalls bin ich 6 Stunden fort. Ein neues Pflegetier bedeutet für mich immer Einschnitte in der Routine, da anfangs mehrere Tierarztbesuche anstehen, bis klar ist, was für Baustellen das Tier mit sich bringt und wie die Behandlung aussieht. Schwer kranke Fälle müssen intensiver gepflegt werden, das geht schon an die Substanz. Wenn alles in seinen „geordneten“ Bahnen läuft, ist alles machbar. Darum achte ich ja auch sehr auf die Anzahl der hier im Haus zu betreuenden Tiere. Wir haben ja nicht nur Pflegekaninchen und eigene Kaninchen, sondern auch Katzen und Hunde. Das alles kostet Zeit und ich halte mir immer vor Augen, ihnen auch gerecht zu werden, wenn ich mal die „Rüsselkrätze“ habe, also 2-3 Wochen geschwächter bin.
Was würdest du jemandem raten, der überlegt eine Pflegestelle zu werden?
Worüber sollte man sich vorher besonders Gedanken machen?
Man sollte sich immer überlegen, einen Plan B parat zu haben, was die Unterbringung angeht. Wenn man wenig Platz hat, aber z.B. schon 2 eigene Kaninchengruppen und nur einen Notfallplatz hat, wird es schwierig. Was ist, wenn ein eigenes Tier separiert werden muss? Wohin dann mit ihm?
Auch sollte man sich der Verantwortung dem Verein gegenüber bewusst sein. Wenn zB die Tierarztrechnungen nicht direkt an den Verein geschickt werden, ist es die Pflicht der Pflegestelle, dies umgehend zu tun. Man stellt den Verein beim Tierarzt dar. Wenn der Tierarzt aber wochen- oder monatelang auf die Bezahlung seiner erbrachten Leistungen wartet, weil man es nicht geschafft hat, die Tierarztrechnungen dem Verein zuzuschicken, hat das massive Folgen für den Gesamtverein. Ähnliches gilt für die Berichterstattung eines Patenkaninchens. Jeder wird mal krank, aber monatelang unterzutauchen, funktioniert als Pflegestelle nicht. Man muss den dauerhaften Dialog anstreben, sei es dann über eine dritte Person, wenn man nicht selbst dazu im Stande ist.
Was braucht eine Pflegestelle außer finanzieller Unterstützung durch KS & Patenschaften?
Rückhalt, Anteilnahme. Ich bin ein Mensch und keine Maschine. Auch mir geht’s mal schlecht und ich kann dann nur bedingt funktionieren. Auch helfen liebe Worte der Paten. Leider nimmt das im Forum sehr ab, dafür bei Facebook zu, das ist der Lauf der Dinge, es verschiebt sich einfach. Aber wenn es meinem Schützling schlecht geht, bin ich dankbar für Zuspruch anderer, die mitfiebern. Das Gefühl, die emotionale Last dann nicht alleine zu tragen, hilft sehr.