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12.11.2020
Impressum
Guten Morgen aus Südtirol!
Herzlich willkommen zur zwölften Ausgabe von "KulturSüdtirol im November"! Es ist Donnerstag, der 12.11.2020 und wir starten wieder mit Euch in diesen Tag. 

Nach unserem gestrigen Besuch in Sterzing, der nördlichsten Stadt Südtirols und Italiens, nehmen wir Euch heute noch einmal in Brixens Partnerstadt Regensburg mit. Genauer gesagt haben wir für Euch recherchiert, wie man vor 380 Jahren eine Geschäftsreise vom Südtiroler Brixen ins bayerische Regensburg absolvierte - mindestens so abenteuerlich, wie derzeit...

Viel Spaß beim Lesen,
Johanna und Benjamin
Ein "Businesstrip" vor 380 Jahren:
Jesse Perkhofer reist nach Regensburg
Was für viele von uns inzwischen unvorstellbar war, wurde Mitte März und jetzt im Herbst erneut zur Realität: Länder schlossen innerhalb der EU und auch für EU-Bürger ihre Grenzen (wie es beispielsweise Dänemark seit Wochen tut) oder knüpfen die Einreise an strenge Bedingungen.

Vor 380 Jahren machte sich der Domherr Jesse Perkhofer (1604–1681) als Gesandter des Brixner Fürstbischofs auf den Weg nach Regensburg. Kaiser Ferdinand III. hatte einen Reichstag einberufen, in dem auch der Brixner Fürstbischof Sitz und Stimme hatte. 

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation war kein Nationalstaat in heutigem Sinne, sondern ein Konstrukt, das vielen großen, kleinen und kleinsten Territorien, die von weltlichen und geistlichen Landesherren regiert wurden, rechtliche Rahmenbedingungen wie die Reichsgesetze oder die Reichsgerichtsbarkeit vorgab. Die quasi-selbständigen Landesherren erkannten den (gewählten) Kaiser als Reichsoberhaupt an und waren, zum Beispiel durch die Teilnahme an den Reichstagen, an der Reichspolitik durchaus beteiligt. 

Auf seinem Weg von Brixen nach Regensburg durchquerte also auch Jesse Perkhofer verschiedene Herrschaftsgebiete. Ausgehend vom Fürstentum Brixen über das habsburgische Tirol und das von den Wittelsbachern regierte Kurfürstentum Bayern erreichte er die freie Stadt Regensburg, die nur wenige Jahre zuvor unter den Kämpfen des immer noch nicht beendeten Dreißigjährigen Krieges enorm gelitten hatte. Wie sich die Grenzübergänge für Perkhofer im Detail gestalteten, ist nicht überliefert, doch war er wohl schon vor der Abreise mit allen notwendigen Papieren und Passierscheinen ausgestattet worden.
Reisevorbereitungen
Überhaupt bedurfte eine solche Reise einer gewissen Vorbereitung. Genau genommen hätte der Fürstbischof selbst beim Reichstag dabei sein sollen. Doch war es durchaus üblich, dass er stattdessen einen Vertreter entsandte – nicht zuletzt aus Kostengründen. Hätte der Fürstbischof selbst die Reise angetreten, wäre sie mit höheren Ausgaben, unter anderem für Repräsentationszwecke in Regensburg, verbunden gewesen. 

So wurde also Jesse Perkhofer, Domherr in Brixen und Dekan in Flaurling, laut den Aufzeichnungen in den Hofratsprotokollen vom 25. Juni 1640 zum Gesandten bestimmt und das entsprechende Geld für seine Reise bereitgestellt. 

Fürstbischof Wilhelm von Welsperg wandte sich am 22. August 1640 in einem Schreiben an den Fürstbischof von Trient, Carlo Emanuele Madruzzo, und schlug darin eine gemeinsame Reise der Gesandten von Brixen und Trient nach Regensburg vor. Die beiden sollten mit einer Kutsche nach Mittenwald fahren, von dort ihre Reise auf dem Schiffsweg über die Isar nach Landshut fortsetzen und den letzten Abschnitt erneut mit einer Kutsche zurücklegen. Eine Abschrift des Schreibens ist in der Hofregistratur von Brixen erhalten. 
Im Detail: "Johann Perkhofer, Domherr"
Detail aus dem Kupferstich von Merian mit Jesse Perkhofer als Rückenfigur Nr. 18 und Nennung in der Textlegende.
Geänderte Reisepläne
Doch es sollte ganz anders kommen. Der Gesandte aus Trient traf nicht rechtzeitig in Brixen ein. Perkhofer selbst war zuvor noch nach Flaurling in Tirol gefahren und trat die Reise nach Regensburg schließlich von dort aus an. Zunächst führte ihn der Flussweg über den Inn nach Rosenheim. Von dort brachte ihn eine Kutsche nach Regensburg. Die Reise dauerte insgesamt fünf Tage. 

In Regensburg bezog Perkhofer sein Quartier im Brixener Hof, einem stattlichen Gebäude im Besitz des Brixner Fürstbischofs, das ihm oder seinem Vertreter als Residenz diente.

Bald darauf folgte eine Audienz beim Kaiser. Jesse Perkhofer überreichte dabei Ferdinand III. das Vollmachtschreiben des Fürstbischofs, in dem sich dieser für sein Fernbleiben wegen „Laibsschwachheit“ entschuldigte. 

Die Eröffnung des Reichstages und die Verlesung der kaiserlichen Proposition im Alten Rathaus fand am 13. September 1640 statt. Selbstverständlich war unter den zahlreichen Fürsten und deren Gesandten auch Jesse Perkhofer anwesend. Als Nummer 18, eine der sitzenden Rückenfiguren links unten, ist er auf dem Kupferstich von Matthäus Merian vermerkt. Über die Fragen, die in Folge bei den Verhandlungen des Reichstages diskutiert wurden, schickte Perkhofer regelmäßig Bericht nach Brixen. 
Im Detail: Der Schauplatz
Das Alte Rathaus in Regensburg mit dem bekannten Reichssaal.
Immer unterwegs...
Jesse Perkhofer war auch nach seiner Rückkehr aus Regensburg viel auf Reisen. Nachdem er 1648 zum Weihbischof geweiht worden war, besuchte er in Folge zahlreiche, auch entlegene Orte in der Diözese Brixen. Viele der damals neu gebauten oder umgebauten Kirchen wurden von ihm geweiht, darunter die St. Anna Kirche in Sellrain / Rothenbrunn (1648), die Kirche Maria Heimsuchung in Ehrwald (1648), die Kirche Unsere Liebe von Loreto in Steinhaus (1650), die Karlskirche in Volders (1654), die Maria-Hilf-Kirche in Seis am Schlern (1657), die Maria-Hilf-Kirche in Zinggen / Brixen (1658), die Wallfahrtskirche von Heiligwasser bei Igls (1665) oder die Kirche St. Martin in Namlos (1666).

Perkhofer, geboren am 11. Oktober 1604, stammte aus einer bürgerlichen Brixener Kaufmannsfamilie, studierte in Ingolstadt, Rom und Perugia und wurde 1635 Domherr in Brixen. Er scheint als Eigentümer des heutigen Ansitzes Sternbach in Bruneck, des Adelssitzes Köstlan in Brixen (Bild unten) und des Vorderriggerhofes in Neustift auf. Jesse Perkhofer starb am 31. Mai 1681 in Brixen. 

Sein Bruder Ludwig (geboren 1610), ehemaliger Bürgermeister der Stadt Brixen und Bergwerksbesitzer, wurde der Teufelsbeschwörung bezichtigt, sodass es ab 1681 zu einer gerichtlichen Untersuchung kam. Das jedoch ist eine ganz andere Geschichte… 
Bis morgen, wir lesen uns!
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