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Der Kultur-Südtirol-Adventskalender
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Mittwoch, 02.12.2020
Mit KulturSüdtirol durch den Advent:
"Hättet Ihr gewusst ...?"
Hättet Ihr gewusst, wie schwierig die Situation für Hotels und Kulturanbieter derzeit wirklich ist und wohl noch länger bleiben wird? Hubert Eblenkamp kann darüber eine Menge berichten.

Denn dieser Advent beginnt sicherlich ruhig, aber nicht zwangläufig besinnlich. Zumindest nicht für alle. Grund genug, um uns im KulturSüdtirol-Adventskalender mit denen zu unterhalten, die sich große Sorgen vor der Zukunft machen.

Allen Leserinnen und Lesern ein herzliches Dankeschön, dass Ihr auch weiterhin dabei seid und neugierig bleibt! Herzliche Grüße,

Benjamin und Johanna
Hubert Eblenkamp: Konzertorganisator, Kulturschaffender, Grenzgänger.

KulturSüdtirol: Wie erlebst Du die momentane Situation und was hat sich für Dich in den vergangenen Monaten geändert?

Durch die aktuelle Corona-Situation hat sich mein Leben leider stark verändert, zähle ich doch zur Gruppe derjenigen Menschen, die sich derzeit grosse Sorgen um Ihren Beruf und Ihr Einkommen machen. Denn meine beiden beruflichen Standbeine sind aktuell einer konkreten, existentiellen Gefährdung durch die Corona-Massnahmen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz ausgesetzt.
 
Seit einem Vierteljahrhundert habe ich die künstlerische Leitung der von mir im Jahr 1996 mitbegründeten "Oraniensteiner Konzerte" im Städtchen Diez an der Lahn (Deutschland) inne. In einem guten Team konnten wir diese Konzertreihe mit klassischer Musik bis zum März dieses Jahres im Barockschloss Oranienstein aufbauen und dort wunderbare Konzerte u.a. mit Stradivari-Solisten aus der ganzen Welt sowie grossartigen Ensembles und Solisten der Berliner Philharmoniker auf höchstem künstlerischen Niveau durchführen.
 
Durch den ersten und nun auch den zweiten Corona-Lockdown in Deutschland mussten wir zum allerersten Mal in der 25-jährigen Geschichte der Oraniensteiner Konzerte insgesamt vier ausverkaufte Konzerte absagen und sowohl die daraus resultierenden finanziellen als auch die organisatorischen Herausforderungen stemmen. Wie wohl auch vielen Kulturschaffenden und Künstlern*innen aus und in Südtirol, wo ich von 2011 bis 2017 eine herrliche Zeit verbringen durfte, bereitet mir die nahe und ferne Zukunft grosse Sorgen.
 
Denn aufgrund der gesetzlichen Massnahmen in Deutschland sind weitere Absagen im Januar und Februar 2021 zu befürchten, sodass das mühsam erschaffene kulturelle Juwel der Oraniensteiner Konzerte gänzlich infrage gestellt sein könnte. Trotzdem bleibt die Hoffnung, dass Konzerte mit klassischer Musik auch in der Corona Pandemie wieder möglich werden. Denn durch die intelligenten Hygiene- und Schutzkonzepte der Kulturveranstalter ist bisher in ganz Europa nicht ein einziger Ansteckungsfall durch klassische Konzerte bekannt geworden - weder in Südtirol, noch während der grossen Sommerfestivals in Salzburg oder Luzern und auch nicht bei unseren Konzerten im Schloss Oranienstein.
 
Darüber hinaus arbeite ich ja seit 2018 als Quereinsteiger im Kulturhotel Regina in Mürren im Berner Oberland (CH). Wenn auch bisher - trotz der europaweiten Corona-Massnahmen - bei uns nur ein geringfügiger Umsatzeinbruch in der Sommersaison zu verzeichnen war, bleibt dennoch die grosse Sorge, wie es im Winter weitergehen wird.

Zum aktuellen Zeitpunkt ist die Schweiz zwar das einzige europäische Land, das die Öffnung der Skigebiete bereits beschlossen hat. Dennoch steht für die gesamte Hotellerie und Tourismusindustrie die wohl härteste Wintersaison seit langem vor der Tür. Die Infektionszahlen in der liberalen Schweiz sind mit die höchsten der Welt, sodass mit dem Ausbleiben sämtlicher EU-Gäste zu rechnen ist. Es sind Sorgen, die ich mit den Mitarbeitern*innen der Südtiroler Hotelbetriebe teile. 

Was gibt Dir Kraft bzw. was motiviert Dich? Was beschäftigt dich gerade besonders?
 
Trotz allem gibt mir das "Mehr an Zeit und Ruhe" auch Kraft und neue Energie. Denn der frühere Zeit- und Termindruck als Kulturmanager und Hotel-Mitarbeiter ist definitiv zurückgegangen, so dass die vielen Lockdown-Wochen etwas mehr Ruhe in mein Leben gebracht haben.
 
Nachdem nun der erst Schock über die Konzertabsagen emotional verarbeitet ist, beschäftige ich mich aktuell mit einem neuen Musikferien-Angebot, das nach der Corona-Zeit in der Schweiz stattfinden wird; ähnlich den Musikferienwochen der "Südtirol Momente", die zwischen 2011 und 2016 auf der Seiser Alm stattgefunden haben. Ich hoffe sehr, dass es bald - u.a. durch die neuen, vielversprechenden Impfstoffe - wieder einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft gibt. Nahezu alle kulturellen Einrichtung und Projekte sind massiv in Ihrer Existenz gefährdet, und es ist dringend notwendig, sehr bald wieder in eine stabile Situation zu gelangen. 

Ein konkreter Tipp oder eine konkrete Empfehlung für unsere Leserinnen und Leser?
 
Soweit es organisatorisch und wirtschaftlich möglich ist, wäre es sicherlich richtig, das Unveränderliche gelassen hinzunehmen, und die zwangsweise entstehende Zeit als "geschenkte Zeit" zur Erholung, Regeneration und zur Entwicklung neuer Ideen zu nutzen.
Viele europäische Künstler*innen - auch aus Südtirol - nutzen die derzeitige Situation z.B. für Tonaufnahmen einzigartiger musikalischer Projekte. Diese Aufnahmen aus der Corona-Zeit werden sicherlich später einmal einen ganz besonderen Wert erlangen.     

Wie (positiv oder negativ) blickst Du in die Zukunft? Warum?
 
In die Zukunft blicke ich weiterhin mit realistischer Sorge um das Kulturleben und um die Hotellerie- und Tourismusbranche in Europa.

Andererseits erfüllen mich die guten Nachrichten der vergangenen Wochen auch mit Zuversicht. Hier ist zum einen die Abwahl des wohl schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten zu nennen, die nach den vier dunklen Jahren der Lüge nicht nur in den USA, sondern in der ganzen Welt Hoffnung auf die Rückkehr einer menschlichen, wahrhaftigen und sachlichen Politik (z.B. auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse) bedeutet.
 
Zum anderen ist die Entwicklung vielversprechender Impfstoffe gegen das Corona-Virus zu nennen, da diese Medikamente soziale Kontakte, klassische Konzerte sowie schöne Ferienaufenthalte in Europa und vor allem auch im geliebten Südtirol wieder möglich machen.

Danke, Hubert!
Schloss Oranienstein
Das Schloss Oranienstein in Diez (Deutschland), Veranstaltungsort der Oraniensteiner Konzerte.
Zur Person: Hubert Eblenkamp aus Berlin und Interlaken.
Aufgewachsen in der Kleinstadt Vreden im westdeutschen Münsterland ist er nach beruflichen Stationen in Berlin und Südtirol aktuell im schweizerischen Interlaken zuhause, wo er zum einen als freischaffender Kulturmanager und künstlerischer Leiter für die klassische Reihe der Oraniensteiner Konzerte im deutschen Diez an der Lahn arbeitet. Zum anderen ist er Mitarbeiter im Kulturhotel Regina in Mürren im Berner Oberland.

Neben seiner beruflichen Arbeit im Kultur- und Tourismusbereich engagiert er sich ehrenamtlich als Vorstandsmitglied im Bundeserverband Emissionshandel- und Klimaschutz in Berlin. Zwischen 2011 und 2016 organisierte er die Musikferienwochen "Südtirol Momente" im Hotel Alpina Dolomites und in der Franziskuskirche auf der Seiser Alm.
Die Oraniensteiner Orgel
Die Orgel in der Oraniensteiner Schlosskapelle - auf dass sie bald wieder bei Konzerten klingen kann.
Auch morgen wieder: Der KulturSüdtirol-Adventskalender.
Jeden Tag ein besonderer Einblick.
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