So manche Neonazi-Band wirkt angesichts der Texte des Sängers Bounty Killer wie ein Knabenchor. Nicht alles ist zitierfähig: In mehreren Songs ruft der jamaikanische Dancehall-Künstler explizit zum Verbrennen, Ertränken und Erschießen Homosexueller auf. Dafür wurde ihm bereits 2009 die Einreise in die Staaten des Schengenraums untersagt. Bereits ein Jahr zuvor waren zwei Konzerte in Berlin und Essen nach Protesten abgesagt worden. Nun geht er wieder auf Tour. Ende April und Mitte Mai will er auch in Wuppertal, Dortmund und in Regensburg Station machen.
Um das zu verhindern, hat sich die Grünen-Politikerin Ulle Schauws mit einem offenen Brief an das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer (CSU) gewandt. „Ich bitte Sie, den Sänger erneut zur Nicht-Einreise auszuschreiben“, schreibt die queerpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag. „Es kann nicht sein, dass Hassprediger und Hasssänger ihre Botschaften in Deutschland verbreiten können.“ Eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte am Donnerstag den Eingang des Gesuchs.
Rodney Basil Price alias Bounty Killer ist ein Vertreter der sogenannten Battyman Tunes. Dieser Sammelbegriff steht für Reggae- oder Dancehall-Songs, in denen zu Hass und Gewalt gegen die LGBT-Community aufgerufen wird. Derartige Inhalte finden sich auch in Songs von Künstlern wie Buju Banton, Sizzla, T.O.K. und Anthony B.
Homosexualität ist auf Jamaika, dem Mutterland der Reggae-Kultur, gesetzlich verboten. Sex zwischen Männern kann mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden. Laut Experten ist Jamaika der gefährlichste Ort in der Karibik für sexuelle Minderheiten, was auch durch die Musikkultur begünstigt werde. Amnesty International berichtet von Misshandlungen und vereinzelten Folterungen Homosexueller durch die Polizei.
Der Belgier Mike De Herdt ist Manager von Bounty Killer. Im Gespräch mit WELT äußert er Verständnis für die Kritiker, betont aber das Recht auf Meinungs- und Redefreiheit. „Es ist nicht verboten, mit Homosexualität nicht einverstanden zu sein“, sagt De Herdt. Er glaube zwar nicht, dass der Sänger seine Meinung geändert hat. „Aber er hat verstanden, dass es falsch ist, Hass gegen bestimmte Gruppen zu schüren und zu Gewalt aufzurufen.“
Andererseits müsse man nach diesen Maßstäben 60 Prozent der Weltbevölkerung ins Gefängnis werfen. Auch der Papst habe schließlich Vorbehalte gegen Homosexualität. Er könne aber versichern, dass Bounty Killer die umstrittenen Texte bei seinen Konzerten nicht mehr singen werde, betont De Herdt. Und kritisiert: Die Boykottaufrufe seien geschäftsschädigend.
Der Forderung nach einem Einreiseverbot für Bounty Killer schließt sich auch der Grünen-Politiker und LGBT-Aktivist Volker Beck an. Er hatte 2009 schon einmal einen solchen Schritt gegen den Künstler erwirkt. Auf WELT-Anfrage sagt Beck: „Ich bleibe dabei – solange er sich nicht glaubhaft öffentlich von seinen homophoben Aussagen distanziert, sollte er nicht einreisen dürfen.“ Diese Distanzierung müsse zudem auf Jamaika stattfinden. „Dort gingen in der Vergangenheit von solchen Konzerten regelrechte Pogrome aus, bei denen Besucher hinterher Jagd auf Schwule gemacht haben.“
Dass viele Künstler mittlerweile zusicherten, gewisse Songs nicht mehr zu singen, nehme er zwar zur Kenntnis. Aber es gebe keine Belege, dass diese sich nicht mehr öffentlich so äußerten. „Diesen Beweis müssen die Künstler aktiv erbringen“, sagte Beck.
„Durchschaubarer Marketingtrick“
Auch Markus Ulrich, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, ist skeptisch. Er spricht von einem „durchschaubaren Marketingtrick“. Auf Jamaika hetzten viele Künstler doch wieder gegen Schwule, trotz aller Lippenbekenntnisse für das europäische Publikum. „Wir schließen uns der Forderung nach einem Einreiseverbot an.“ Dass Boykottaufrufe geschäftsschädigend seien, sei eine Täter-Opfer-Umkehr, sagt Ulrich. „Es geht hier nicht um Texte wie ‚Ich find Schwule blöd‘. Mordaufrufe sind eine andere Hausnummer.“ Er schlägt vor, die Konzertveranstalter könnten einen Teil der Einnahmen für LGBT-Projekte spenden.
Immerhin: Einige Reggae-Künstler haben 2007 eine Selbstverpflichtung unterzeichnet, den „Reggae Compassionate Act“. Darin sichern sie unter anderem zu, keine sexistischen und homophoben Inhalte mehr zu verbreiten. Allerdings ist es wiederholt zu Verstößen gekommen. Unterzeichnet wurde die Erklärung von Beenie Man, Capleton, Sizzla und Buju Banton. Bounty Killers Unterschrift fehlt.
In Regensburg, wo der Jamaikaner am 11. Mai auf der Bühne stehen soll, argumentieren die Veranstalter kulturrelativistisch. „Der Künstler, der Jamaika erst im Erwachsenenalter zum ersten Mal verlassen hat, wurde durch den von der Kirche und der jamaikanischen Gesetzgebung in der Gesellschaft verankerten homophoben Grundtenor sozialisiert und ließ dies in der Vergangenheit möglicherweise auch in seine Texte einfließen“, heißt es in einer Stellungnahme.
Nach eigener Aussage sei Bounty Killer „erst nach Reisen in andere Teile der Welt bewusst geworden, dass ihm seine Erziehung problematische Denkmuster aufoktroyiert habe“. Er habe vertraglich zugesichert, keine homophoben Texte zu singen.
„Von unserer Seite aus wird die Aufnahmesession wie geplant stattfinden“, sagt Martin Petri, Mitorganisator des Auftritts von Bounty Killer in Wuppertal. „Er ist von seiner homophoben Haltung abgerückt und hat darüber hinaus zugesichert, solche Inhalte nicht zu performen.“ Daher sollten Veranstalter die geplante Tour ermöglichen.
Raphael Siddique ist Mitarbeiter im Dortmunder Klub „Junkyard“, wo ebenfalls ein Bounty-Killer-Konzert stattfinden soll. Auch seine Location habe sich vertraglich abgesichert, dass die homophoben Texte nicht gesungen werden, sagt Siddique im Gespräch mit WELT. „Sollte der Künstler dagegen verstoßen, wird das Konzert sofort abgebrochen und die Gagen werden einbehalten.“
Die Proteste sind für ihn nachvollziehbar und berechtigt, aber zum Teil auch überholt. „Da geht es um drei von mehr als 100 Songs, die in den vergangenen zehn, 15 Jahren nicht mehr gespielt wurden“, glaubt er. Insgesamt sei die Szene tolerant und keineswegs homophob. Aber auch Siddique meint: „Im Reggae- und Dancehall-Kosmos ist es schwierig, einen Künstler zu finden, der nicht irgendwann mal entsprechende Passagen in seinen Texten hatte.“