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Expertin: Nicht nachteilig für Kinder Studien: Viel Wärme wenig Konflikte in Regenbogenfamilien

Von Waltraud Messmann | 08.08.2017, 08:00 Uhr

Mit der jüngst beschlossenen „Ehe für alle“ wird gleichgeschlechtlichen Paaren auch die Adoption eines Kindes erleichtert. Doch wie entwickeln sich Kinder, die bei zwei Müttern oder Vätern aufwachsen? Entscheidend für die kindliche Entwicklung ist nicht die Familienform, sondern wie Familie gelebt wird, betont die Psychologin Ina Bovenschen im Interview mit unserer Redaktion .Sie ist wissenschaftliche Koordinatorin des Expertise- und Forschungszentrums Adoption (EFZA) des Deutschen Jugendinstituts.

Das Hauptargument gegen die Ehe für alle und die damit verbundene Gleichstellung bei der Adoption ist, dass zu einer Familie immer Vater und Mutter gehören. Ist dieser Einwand berechtigt?

Zahlreiche internationale Studien belegen, dass es den Kindern, die von gleichgeschlechtlichen Paaren aufgezogen werden, mindestens genauso gut geht wie Kindern, die in gemischt geschlechtlichen Partnerschaften großgezogen werden. Das gilt für jeden Entwicklungsbereich, den diese Untersuchungen beleuchtet haben.

Kritiker behaupten, die Studien seien zum Teil methodisch fragwürdig…

Die am häufigsten geäußerten Kritikpunkte sind, dass es bei den Studien keine Kontrollgruppen gibt und die Stichproben zu klein sind. Es gibt allerdings eine Reihe sehr groß angelegter Untersuchungen sowie zahlreiche Studien, bei denen mit Vergleichsgruppen gearbeitet wurde. Die Ergebnisse dieser Studien sind sehr valide. Und die Studien kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass das Kindeswohl unter der Obhut gleichgeschlechtlicher Eltern gefährdet ist und dass die Kinder Nachteile in ihrer Entwicklung haben.

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Eine andere Studie kommt sogar zu dem Ergebnis, dass diese Kinder ein stärkeres Selbstbewusstsein entwickeln. Gibt es aus psychologischer Sicht dafür eine Erklärung?

Die Ergebnisse einiger internationaler Studien weisen darauf hin, dass das Elternverhalten in sogenannten Regenbogenfamilien mehr von Wärme und Zuwendung dem Kind gegenüber geprägt und durch weniger Konflikte gekennzeichnet ist als das Verhalten von Eltern in anderen Familienformen. Möglicherweise wird in diesen Familien auch mehr miteinander gesprochen. Das wiederum kann dazu führen, dass sich die Kinder mehr mit sich und ihrem Umfeld auseinandersetzen. Allerdings ist dies lediglich eine mögliche Interpretation der Befunde. Gesicherte Erkenntnisse, warum diese Kinder ein ausgeprägteres Selbstbewusstsein haben, gibt es bisher allerdings nicht.

Häufig werden auch Befürchtungen laut, Kinder aus Regenbogenfamilien könnten Diskriminierung erleben. Ist die Sorge berechtigt?

Es gibt Hinweise darauf, dass es zu Diskriminierungserfahrungen kommen kann. Dies war auch in der deutschen Studie der Fall, die vom Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg durchgeführt wurde. Aber auch dort hat sich gezeigt, dass aus solchen Erfahrungen keine Nachteile für die Entwicklung der Kinder resultieren müssen, da positives Elternverhalten möglichen Entwicklungsdefiziten entgegenwirken kann. Nicht die Familienform ist also für die kindliche Entwicklung entscheidend, sondern wie Familie gelebt wird und wie sich Eltern den Kindern gegenüber verhalten.

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass Geschlechterrollen bei gleichgeschlechtlichen Eltern nicht in vollem Umfang erlernt werden können...

Auch zu der Frage der sexuellen Identität und der sexuellen Einwicklung in solchen Familienkonstellationen gibt es internationale Studien. Die vorhandenen Befunde geben keine Hinweise darauf, dass die Entwicklung der sexuellen Identität, die eine wichtige Aufgabe für Kinder und Jugendliche ist, durch das Aufwachsen bei gleichgeschlechtlichen Eltern beeinträchtigt wird.

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Zwischen dem Jahr 2004 und 2015 ist die Zahl der Adoptionen um 25 Prozent zurückgegangen. Woran liegt das?

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Was die Inlandsadoptionen angeht, hat das unter anderem damit zu tun, dass in Deutschland die Zahl adoptionsbedürftiger Kinder abnimmt. Das ist unter anderem auf die bessere Unterstützung der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere auch von alleinerziehenden Müttern, zurückzuführen. Hinzu kommt, dass Paare, die sich ein Kind wünschen, den Kinderwunsch aber auf natürlichem Weg nicht realisieren können, durch die Reproduktionsmedizin heute viel mehr Möglichkeiten haben.

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Und was ist mit Auslandsadoptionen?

Es gibt einen weltweiten Trend, dass weniger Kinder vermittelt werden. Das liegt zum einen daran, dass in vielen Ländern inzwischen auch Möglichkeiten geschaffen werden, dass die Kinder in ihren leiblichen Familien bleiben können oder in Familien im Herkunftsland untergebracht werden. Zum anderen werden aus einzelnen Ländern auch aus politischen Gründen keine Kinder mehr ins Ausland vermittelt.

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