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Der Kultur-Südtirol-Adventskalender
Samstag, 05.12.2020
Mit KulturSüdtirol durch den Advent:
"Hättet Ihr gewusst ...?"
Hättet Ihr gewusst, wie weit die Geschichte von Kastelruth und die Besiedelung des Schlerngebiets zurückreicht? 

Schon der Name Kastelruth weist auf bis heute offene Fragen der lokalen Geschichte hin. Auch die historischen Gebäude am Dorfplatz könnten uns vieles erzählen. Noch immer ungeklärt ist der Verbleib eines adeligen Bewohners: ein rätselhafter "Fall" aus dem 18. Jahrhundert. 

Viel Spaß beim Lesen!

Johanna und Benjamin
Kastelruth - ein Postkartenmotiv
Der freistehende, ganze 82 Meter hohe Kirchturm mit der barocken Zwiebelhaube beherrscht das Ortsbild von Kastelruth. Selbstbewusst scheint er dem massigen Schlernmotiv im Hintergrund zu trotzen. Erbaut wurde er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, nachdem ein verheerender Brand am 24. Mai 1753 weite Teile des Dorfes in Schutt und Asche gelegt hatte. 

Dass man sich an diesem Ort einen so imposanten Turm wahrlich leisten konnte, das bestätigt der Blick auf die historischen Gebäude, die noch heute den Dorfplatz rahmen. 
Zu nennen ist das Lächlerhaus, das viele von Euch vielleicht noch als Raiffeisenhaus kennen, heute - nach umfassender Sanierung - jedoch ein Trachtenmuseum beherbergt. Die Lächler hatten bereits im Mittelalter die Funktion der Richter inne. Rund 250 Jahre lang bewohnten sie das Gebäude, bis es Christoph Kraus zu Krausegg im Jahr 1630 erwarb.
Die Krausen: ein Kastelruther Adelsgeschlecht mit ungarischen Wurzeln
Im Jahr 1556 kam Michael Fodor von Sala, ein junger aus ungarischem Landadel stammender und mittelloser Edelmann, als Wolkensteinischer Pfleger nach Kastelruth und übte dieses Amt bis zu seinem Tod 1588 aus. Da seine Ehe kinderlos geblieben war, hatte er zwei Verwandte nach Kastelruth geholt – die Stammväter des späteren Kastelruther Adelsgeschlechtes der Krausen. 
 
Michaels Neffe Jacob erbaute zwischen 1603 und 1607 an Stelle des früheren Stueter- und Saffranhofes den Ansitz Krausegg - das heutige Rathaus. Dieses Gebäude ist wahrlich platzbestimmend. Es schließt den Dorfplatz zum Kofel hin ab. An einer Seite grenzt es an das schon genannte Lächlerhaus. 

Die Geschichte der Familie Kraus ist zunächst eine wahre Erfolgsgeschichte, die vom sozialen Aufstieg und dem Erblühen eines Tiroler Adelsgeschlechts handelt. Doch im 18. Jahrhundert blieb ihr wirtschaftlicher Niedergang nicht aus. Dies führte so weit, dass für den Erstgeborenen Jakob Kajetan von Kraus schlichtweg die finanziellen Mittel für ein herrschaftliches Leben oder eine standesgemäße Ehe fehlten. Wohl aus Verzweiflung schlich er in einer finsteren Nacht im Oktober 1784 aus Kastelruth fort und wurde nie wieder gesehen. 

 
Mehr als 1000 Jahre Geschichte
Nicht nur das Schicksal dieses Krausen ist bis heute ungeklärt. Auch die frühere Geschichte von Kastelruth gibt den Historikern nach wie vor Rätsel auf. 

Die älteste schriftliche Erwähnung von Kastelruth und Seis findet sich in einer Urkunde aus den Jahren 982-988, die einen Tauschvertrag zwischen Bischof Eticho von Augsburg und Bischof Albuin von Brixen dokumentiert. Von "de loco Siusis" (Seis) und "de loco Castellorupto" (Kastelruth) ist hier die Rede. Diese "gebrochene Burg", also gewaltsam zerstörte Burg, lag - so vermuten Historiker - nicht direkt im heutigen Ort, sondern auf dem dahinterliegenden Hügel, dem Kofel. Wann und warum sie zerstört wurde, lässt sich nicht eindeutig sagen. Möglicherweise war sie eine Festung der Langobarden, die im 7. Jahrhundert von den Bajuwaren bei deren Vorstoß Richtung Süden zerstört wurde.

Dass der Kofel von Kastelruth schon sehr früh bewohnt war, belegen Keramikfunde der späteren Bronzezeit (ca. 1700 bis 1300 v. Chr.). Ein eiserner Helm gilt als der bedeutendste Fund vom Kofel. Er datiert ins 4./3. Jh. v. Chr. und befindet sich heute in den Sammlungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum. 


Fotos: 1) Kastelruth vom Kofel aus gesehen, 2) das Lächlerhaus, 3) Dorfplatz mit dem Ansitz Krausegg, dem heutigen Rathaus (c) Johanna Bampi
Auch morgen wieder: Der KulturSüdtirol-Adventskalender.
Jeden Tag ein besonderer Einblick.
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