Beckmann & Partner
Leistungen Technologieberatung Bankfachliche Beratung Zahlungsverkehr mit Java Sparkassenberatung Testfabrik beckCampus Remote Beratung BAIT Rezertifizierung Handelsquickcheck Beratungsmanufaktur Beckfamily Projektgalerie Karriere Jobs Berufserfahrene Berufseinsteigende Studierende Praktikum

News

Zu komplex, zu fehleranfällig, zu teuer: SEPA Instant Payments

Warum das so ist und was europäische Banken ändern sollten, um im umkämpften Zahlungsverkehrsmarkt bestehen zu können.

Datum | 12.10.2021

Unternehmen wie PayPal haben es beim Thema Echtzeitzahlung leichter als Banken: Auf ihrer Plattform für Echtzeitzahlungen müssen sowohl Absender als auch Empfänger einer Zahlung registriert sein, damit die Echtzeitzahlung funktioniert. Bei SEPA können Absender und Empfänger dagegen in Systemen verschiedener Banken verwaltet werden. Obwohl dies so ist, gelingt die Echtzeitzahlung – allerdings ist die aktuelle Infrastruktur für Instant Payments lediglich für den Austausch von Nachrichten konzipiert. Für das, was die Infrastruktur also heute bietet, ist sie zu komplex, zu fehleranfällig und zu teuer. Warum das so ist und was europäische Banken ändern sollten, um im umkämpften Markt des Zahlungsverkehrs bestehen zu können, zeigt dieser Artikel auf.

Was sind SEPA Instant Payments?

SEPA Instant Payments (SCTInst) sind Überweisungen in Echtzeit: Innerhalb von maximal 10 Sekunden soll ein Betrag von bis zu 100.000 Euro überwiesen werden, über den Empfangende sofort verfügen können – rund um die Uhr. Instant Payments sind endgültig und werden durch ein Echtzeit-Settlement (z. B dem Sofortzahlungsdienst der Europäischen Zentralbank) oder durch Garantien (z. B. durch das Echtzeitzahlungssystem von EBA Clearing) abgesichert.

Durch SEPA Instant Payments wird beispielsweise im Logistik-Bereich weniger Bargeld benötigt, da ein Lieferant innerhalb von Sekunden die Eingangsbestätigung einer Zahlung für die Ware erhält. Aber auch Auszahlungen durch Versicherungen kommen so schneller bei den Versicherten an, um Schäden zu regulieren. Ein Standard für die auszutauschenden Formate und Prozesse soll dabei für möglichst hohe Kompatibilität sorgen. Das European Payments Council (EPC) gibt deshalb, wie auch schon bei SEPA-Last- und -Gutschriften das Regelwerk für Instant Payments vor. Der Weg vom Zahlungsauslöser zum Zahlungsempfänger wird dort beschrieben – jedoch fehlt in der Beschreibung ein entscheidender Schritt: der vom Clearing und Settlement Mechanismus (CSM).

Ein solcher CSM wird zum Beispiel durch den Target Instant Payment Settlement Service (TIPS) bereitgestellt. Zusätzlich haben verschiedene Automatische Clearing Häuser (ACH) für Echtzeitzahlungen Clearing und Settlement Mechanismen implementiert, deren Systeme allerdings nicht immer kompatibel sind. Die Europäische Zentralbank beschreibt deshalb, wie TIPS (Target Instant Payment Settlement) diese verknüpfen kann.

Banken, die bereits Instant Payments anbieten, aber nicht an TIPS angebunden sind, können gegebenenfalls von einem Teil anderer Banken nicht erreicht werden. Eine vollständige Erreichbarkeit ist auch deshalb nicht gegeben, weil die Teilnahme an Instant Payments für die Banken derzeit freiwillig ist. Die Erreichbarkeit ist aber ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz bei Bankkunden. Deshalb müssen Teilnehmer des Instant Payment Schemas, die bisher TARGET2-Konten haben, im November 2021 ihre Konten zu TIPS migrieren.

Der SEPA Instant Payment-Prozess und die Beteiligten

In der Regel sind mindestens fünf Parteien am Prozess beteiligt:

  1. Ein Initiator
  2. Die Bank des Initiators
  3. Ein Clearing-Haus
  4. Die Bank des Empfängers
  5. Ein Empfänger

Da es auch indirekte Teilnehmer (Banken) gibt oder weitere Clearing-Häuser beteiligt sein können, kann die Anzahl der Beteiligten variieren. Bei bilateralen Absprachen zwischen zwei Banken kann es auch vorkommen, dass kein Clearing-Haus benötigt wird.

Wie der Instant Payments-Prozess funktioniert und die Nachrichten-Formate genau aussehen, wird im Rulebook vom EPC beschrieben. Da es hier um den Prozess des Austausches geht, liegt der Fokus in diesem Artikel nur auf den Beteiligten 2, 3 und 4 – der Bank des Initiators, dem Clearing-Haus und der Bank des Empfängers.

Wenn eine Echtzeit-Überweisung initiiert wird, muss die Initiator-Bank verschiedene Prüfungen wie die eines möglichen Embargoverstoßes durchführen, bevor die Nachricht an ein Clearing-Haus weitergeleitet werden kann. Nach erfolgreicher Prüfung und Belastung des Initiator-Kontos wird eine Verbindung über EBICS, SIANet oder SWIFTNet zum Clearing-Haus aufgebaut, die entsprechende Nachricht wird übergeben und die Verbindung wieder abgebaut. Auch das Clearing-Haus führt dann verschiedene Prüfungen durch. Sind diese erfolgreich, wird ebenfalls über EBICS, SIANet oder SWIFTNet eine Verbindung zur Empfänger-Bank aufgebaut, die Nachricht übergeben und die Verbindung wieder abgebaut. Nachdem die Empfänger-Bank wiederum verschiedene Prüfungen durchgeführt hat, schreibt sie den in der Nachricht angegebenen Betrag dem Empfängerkonto gut. Für den Erfolg oder Misserfolg gibt es eine positive oder negative Bestätigungsnachricht. Diese verläuft auf dem gleichen Weg zur Initiator-Bank zurück. Doch der beschriebene Prozess führt unter anderem zu folgenden Problemen:

Problem 1: Komplexität und Aufwand

Der gesamte Prozess der Echtzeit-Überweisung läuft asynchron ab. Dadurch muss zu jeder Bestätigungsnachricht von jedem Teilnehmer geprüft werden, ob die Original-Nachricht vorliegt. Das bedeutet eine Suche nach der Original-Nachricht in einem Standard-Prozess, bei dem es um Zeit geht! Die Suche erfordert die Speicherung von Nachrichten und beides muss performant sein – das Suchen und Speichern. Dies ist bei großen Datenmengen nur mit komplexen Systemen möglich, deren Entwicklung und Bereitstellung viel Geld kosten.

Bei einem ACH wie dem EBA Clearing kommen noch weitere Nachrichten hinzu. Diese verifizieren beispielsweise, dass sie die Bestätigung für die Annahme einer Echtzeitzahlung erhalten haben, damit die Empfängerbank den Betrag dem Empfänger gutschreiben kann. Durch den asynchronen Prozess sind somit noch weitere Suchen notwendig.

Problem 2: Fehleranfälligkeit

Ein Prozess mit so vielen Teilnehmern ist generell fehleranfällig. Eine Nachricht kann von einem Teilnehmer A über einen Teilnehmer B an einen Teilnehmer C übergeben werden – und beim Versand der Bestätigungsnachricht durch Teilnehmer C ist Teilnehmer B vielleicht plötzlich nicht mehr verfügbar. Bei einem synchronen Prozess ist das weniger ein Problem, weil Teilnehmer A den Status der Zahlung prüfen kann, ohne auf die Rückmeldung zu warten: Nach einer Zeitüberschreitung kann Teilnehmer A innerhalb des laufenden Prozesses den Status abfragen. Bei dem asynchronen Prozess muss dagegen nach Nachrichten gesucht werden, für die es noch keine Bestätigung gibt.

Unabhängig von einem synchronen oder asynchronen Prozess ist es außerdem problematisch, wenn von der Initiator-Bank die Zeitnahme gestartet wird, aber vom Clearing-Haus überprüft wird, ob die Zeit für die Verarbeitung ausreicht. Das kann nicht nur zu Problemen führen, wenn Uhren nicht synchronisiert sind, sondern ist auch wenig kundenorientiert.

Problem 3: Teure Infrastruktur

Wie beschrieben erfordert der asynchrone Prozess eine Suche nach den Original-Transaktionen. Damit die Bestätigungsnachricht innerhalb der 10 Sekunden auch beim Initiator der Original-Transaktion ankommt, müssen das Speichern und die Suche entsprechend schnell durchgeführt werden. Um dies zu leisten, gilt es, die passende Infrastruktur bereitzustellen. Gleichzeitig müssen die Systeme redundant vorgehalten werden, damit bei Ausfall oder Aktualisierung eines Systems Instant Payments weiterhin verarbeitet werden können. Und wenn die Rechenzentren der Banken keine flexiblen Hardware-Lösungen anbieten, treibt das die Kosten zusätzlich in die Höhe. Denn gibt es Zeiten, in denen sehr viele Instant Payments gleichzeitig verarbeitet werden müssen. Für solche Lastspitzen sind Server bereitzustellen, die auch außerhalb der Lastspitzen betrieben und entsprechend bezahlt werden müssen.

Clearing und Settlement

Der oben beschriebene Prozess ist aber nur die halbe Wahrheit, denn er ist noch nicht vollständig. Die Initiator-Bank reserviert nämlich nach erfolgreicher Prüfung zwar den zu überweisenden Betrag – sie übergibt ihn aber nicht sofort über das TARGET2-Konto bzw. ein Konto beim Clearing-Haus wie EBA Clearing an die Empfänger-Bank. Die Empfänger-Bank vertraut jedoch darauf, dass dies zeitnah erfolgt. Deshalb schickt EBA Clearing nach der Bestätigungsnachricht von der Empfängerbank erneut eine Bestätigung an die Empfängerbank.

Die Trennung von Clearing und Settlement führt zudem zu Prozessen, die unnötig kompliziert sind. RT1 von EBA Clearing erzeugt beispielsweise Result of Settlement Files (RSF), die alle zwischen zwei Settlements verarbeiteten Transaktionen enthalten. Da die Zuordnung einer Transaktion vom Verarbeitungszeitpunkt abhängt, statt vom Zeitpunkt der Initiierung aus der Transaktion, kann es sogar nur wenige Millisekunden vor dem Settlement dazu kommen, dass eine Transaktion bereits dem nächsten Settlement zugeordnet bzw. nach dem Settlement verarbeitet wird. Dies ist für einen Abgleich von Transaktionen äußerst ungünstig. Die Einführung eines Annahmeschlusses auf Basis des Zeitpunkts der Initiierung würde die Zuordnung von Transaktionen zu einem Settlement deutlich vereinfachen.

In TIPS ist das Clearing und Settlement dagegen nicht getrennt, sodass das Settlement beim Clearing direkt mit Zentralbankgeld erfolgt. Das Settlement mit Zentralbankgeld ist wichtig, weil die Mindestreserve für die Kundeneinlagen der Empfängerbank, die sich durch die Zahlung erhöht hat, ausgeglichen werden muss. Diese Mindestreserve muss auf einem Konto bei der Zentralbank zur Verfügung stehen. Durch den Settlement-Prozess erfolgt der Ausgleich automatisch und kostenneutral. Außerdem geht es beim Settlement mit Zentralbankgeld um Vertrauen, da es die höchste Sicherheit bietet. Die Verwendung von Zentralbankgeld ist für den Gesamtprozess allerdings problematisch, weil es nur von der EZB angeboten wird und sie allein darüber entscheiden kann, wie der Prozess technisch abgebildet wird.

Wenn man die Mindestreserven für die Kundeneinlagen, die täglich zur Verfügung stehen, von den sonstigen Mindestreserven trennen und bündeln würde, müssten die Banken kein Zentralbankgeld für den Zahlungsverkehr austauschen. Der Prozess der Echtzeitüberweisung ließe sich auf den Austausch von Nachrichten und somit auf die Buchungen auf den Kundenkonten reduzieren.

Welche Änderungen führen die Banken zum Erfolg?

Abgesehen von der Art und Weise, wie Mindestreserven für Kundeneinlagen bereitgehalten werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Instant Payment-Prozess zu vereinfachen und die Fehleranfälligkeit zu reduzieren. So sollte beispielsweise nicht das Clearing-Haus die Zeitüberschreitung überprüfen, sondern die Initiator-Bank. Sie besitzt den Kontakt zum Initiator der Zahlung, der darüber entscheiden sollte, ob der Prozess zu lange dauert und die Zahlung vielleicht abgebrochen werden sollte. Der Initiator der Zahlung hat außerdem in manchen Fällen den direkten Kontakt zum Empfänger der Zahlung – und kann so direkt Rückmeldung erhalten, ob das Geld tatsächlich angekommen ist.

Außerdem würde der Wechsel von einem asynchronen zu einem synchronen Prozess die Anzahl der möglichen Fehlerquellen reduzieren. Das Protokoll HTTPS sieht vor, dass es zu einer Anfrage auch eine Antwort gibt – genau das, was für Instant Payments benötigt wird. Zwar ist es bei HTTPS möglich, dass es keine Antwort gibt. In diesem Fall bestünde die Möglichkeit, über eine weitere Nachricht zu überprüfen, ob die Ursprungsnachricht dennoch angekommen ist und das Geld auf das Empfängerkonto gebucht wurde.

Ein Prozess zur Prüfung des Status einer Transaktion ist auch bereits vorgesehen. Bei einem synchronen Prozess reduziert er sich auf die Validierung, das Routing und die Verbuchung von Transaktionen. Der Status einer Transaktion reduziert sich auf maximal zwei Werte (empfangen und verbucht). Nicht empfangene bzw. nicht akzeptierte Zahlungen sind nicht relevant, weil der Initiator einer Transaktion eine entsprechende Fehlermeldung erhält. Vereinfacht gesehen, funktioniert so auch das Internet: Pakete werden verschickt und von einem Empfänger validiert, eventuell an einen weiteren Empfänger weitergeleitet oder selbst verarbeitet. Und in einem Fehlerfall wird ein Paket erneut versendet.

Ein synchroner Prozess würde zudem den Datenschutz verbessern, denn letztendlich sind die Informationen über eine Transaktion nur für vier Parteien relevant:

  1. Den Initiator – die Abbuchung muss auf dem Konto zu sehen sein
  2. Die Initiator-Bank – benötigt die Informationen zur Verbuchung
  3. Die Empfänger-Bank – benötigt die Informationen zur Verbuchung
  4. Den Empfänger – die Verbuchung muss auf dem Konto zu sehen sein

Alle anderen Teilnehmer dazwischen müssten bei einem synchronen Prozess keine Daten über Transaktionen speichern, sie validieren diese nur und leiten sie dann weiter. Das entspräche auch dem Prinzip der Datensparsamkeit und Datenminimierung, einem Grundsatz der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Und wenn keine Daten gespeichert werden, wird weniger Speicher benötigt, was die Kosten reduziert.

Das Fazit

Banken in Europa haben Millionen in eine Infrastruktur investiert, die zu teuer und auch nicht auf die Zukunft ausgerichtet ist. Instant Payments müssten mit Themen wie Request-to-Pay und dem digitalen Kassenbon durch die Banken so zusammengefasst werden, dass sie nur eine Infrastruktur verwenden müssen, die auch mit großen Datenmengen umgehen kann. Selbst die Infrastruktur für Zahlungen mit Debitkarten könnte durch die Verknüpfung von Request-to-Pay und Instant Payments abgelöst werden.

Wenn europäische Banken den Zahlungsverkehr in den Fokus ihrer Geschäftstätigkeiten rücken wollen, müssen sie die Transaktionskosten drastisch senken und Mehrwerte schaffen. Sie müssen sich als Teil einer europäischen Plattform verstehen, deren Ziel es ist, Teile des Geschäfts von Plattformen wie PayPal zurück nach Europa zu holen. Das lässt sich jedoch nur durch einen einfachen Prozess und mit einer schlanken Infrastruktur erreichen.


Autor: Jens Kötterheinrich
Beckmann & Partner CONSULT