AVW informiert

Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Haftung von Managern und die D&O-Versicherung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat weiterhin Auswirkungen auf die Versicherungsbranche. Vertieft diskutiert wird zum Beispiel die Frage, ob bei Angriffen russischer Hacker auf Unternehmen die sogenannte Kriegsausschlussklausel in der Cyber-Versicherung zur Anwendung kommt (vgl. Artikel im AVW Newsletter 1/22). Auch in weiteren Sparten sind erhebliche Auswirkungen zu erwarten. Im Fokus steht hierbei ebenfalls die D&O-Versicherung und viele Unternehmen – insbesondere solche mit Russland-Bezug – fragen sich, welchen speziellen Haftungsrisiken sie nun ausgesetzt sind und ob die versicherten Organe weiterhin Versicherungsschutz unter der D&O-Police erwarten können. Unser langjähriger Kooperationspartner für die Financial Lines Sparten Finlex hat diesbezüglich Interessantes zu berichten:

Große Herausforderungen für Unternehmen

Die aktuellen Ereignisse stellen viele Unternehmen vor essenzielle Fragen. Hohe Energiepreise, fehlende Rohstoffe, Lieferengpässe, Produktionsausfälle, verteuerte Einkaufspreise, Inflation, Cyberangriffe oder Sanktionen. Die Liste der zu bewältigenden Probleme ist lang und die Folgen der Krise treffen viele Unternehmen hart. Die Geschäftsführer und Vorstände der Unternehmen stehen daher vor enormen Herausforderungen und es gilt zuvorderst, das Unternehmen durch die herausfordernden Zeiten zu führen und den möglichen Schaden so gering wie möglich zu halten.

Erhöhte Haftungsrisiken für Manager

Aufgrund der Ausnahmesituation und der sich stetig ändernden Gegebenheiten sind Vorstände und Geschäftsführer einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt. Die möglichen Haftungsrisiken sind ebenso vielfältig wie die sich aus der Krise ergebenden Herausforderungen. Unternehmensleiter sind bereits außerhalb von Krisenzeiten Haftungsrisiken ausgesetzt. Begeht ein Manager einen Fehler, haftet er mit seinem Privatvermögen, wenn er bei seiner Entscheidung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet hat. Dr. Marcel Straub, Head of Legal und Leiter der Schadenabteilung bei Finlex: „Während einer Krise sind die Anforderungen an Manager besonders hoch. Neben dem normalen Geschäftsbetrieb müssen Unternehmenslenker die aktuelle Unternehmenssituation noch intensiver überwachen als bisher, um mögliche Risiken zu identifizieren und zu bewältigen. Aktuell kann das z.B. bedeuten, dass Lieferketten oder Produktionsabläufe angepasst, Kredite rechtzeitig beantragt, mögliche Fördermittel zu prüfen sind, die Cybersicherheit hochgefahren oder etwa, dass ein externer Krisenberater beauftragt werden muss, der das Unternehmen fachlich oder juristisch unterstützt. Zudem ist bei jeglichen Geschäften zu prüfen, ob ein Russland-Bezug besteht und das Geschäft somit ggf. sanktions- oder embargobewehrt ist. Anderenfalls drohen den Unternehmen erhebliche Bußgelder, für die der Unternehmensleiter von seinem Unternehmen persönlich in Regress genommen werden könnte.“

Bewältigung der Haftungsrisiken

Es ist zwar davon auszugehen, dass die von den Managern getroffenen Entscheidungen momentan noch nicht kritisch hinterfragt werden. Insbesondere wenn ein Unternehmen durch falsche Entscheidungen des Managers in finanzielle Schieflage gerät, wird sich diese Sicht jedoch ändern und Manager von den Unternehmen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Unternehmensleitern ist daher zu raten, ihre Entscheidungen auch in Krisenzeiten auf der Grundlage angemessener Informationen zu treffen sowie eine erhöhte Sorgfalt an den Tag zu legen. Dr. Marcel Straub: „Manager sollten auch in Krisenzeiten keine Entscheidungen treffen, ohne sich eine fundierte Informationsgrundlage geschaffen zu haben. Insbesondere wenn die Entscheidung weitreichende Folgen für das Unternehmen hat, ist stets zu raten, auf Grundlage der Informationen eine Abwägung zu treffen, die Bedeutung und Tragweite gerecht wird. Manager sollten ihre Entscheidungsprozesse stets dokumentieren, um bei möglicherweise geltend gemachten Schadensersatzansprüchen Argumente für ihre Entlastung zur Hand zu haben.“

Auswirkungen auf den Versicherungsschutz der D&O-Versicherung

Angesichts der erhöhten Haftungsrisiken ist es für Manager umso wichtiger, auf einen möglichst umfassenden D&O-Versicherungsschutz zurückgreifen zu können. Die D&O-Versicherung bietet Schutz, indem sie den in Anspruch genommenen Manager unterstützt und der Versicherer zunächst den Sachverhalt und die Haftungsfrage prüft. Unberechtigt erhobene Ansprüche gegen den Manager werden mithilfe von Anwaltskanzleien abgewehrt. Gelingt dies nicht oder ist der Anspruch berechtigt, leistet der D&O-Versicherer den Schadensersatz anstelle des Managers.

Besondere Auswirkungen auf den Versicherungsschutz der D&O-Versicherung sind durch den Krieg in der Ukraine in den allermeisten Fällen indes nicht zu erwarten. Dr. Marcel Straub: „D&O-Verträge enthalten in aller Regel keine sog. Kriegsausschlussklausel, so dass keine Diskussion darüber aufkommen dürfte, wie wir sie momentan in der Cyber-Versicherung führen. Wir bei Finlex gehen davon aus, dass sich die Versicherer an ihr Leistungsversprechen halten und auch in Versicherungsfällen mit Bezug zum Krieg in der Ukraine den versicherten Unternehmensleitern im bestehenden Ausmaß beistehen.“

Einschlägig könnte in wenigen Fällen allerdings die sog. Embargoklausel werden, wonach vertragsgemäß Versicherungsschutz nur besteht, solange dem Versicherungsschutz keine Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen oder Embargos entgegenstehen. Nicht versichert sind demnach Risiken, deren Versicherbarkeit verboten ist. Verboten wurde von der EU momentan z.B. der Import von Eisen- und Stahlerzeugnissen aus Russland sowie deren Versicherung. Dies kann zur Folge haben, dass einem Manager, der im Zusammenhang mit einem embargobelasteten Geschäft in Anspruch genommen wird, unter Umständen kein Versicherungsschutz gewährt werden darf.

Reduzierung von Kapazitäten, Kündigung von Lokalpolicen und erhöhte Informationsanforderungen

Zu rechnen ist jedoch damit, dass Versicherer ihre Kapazitäten hinsichtlich (Tochter-)Unternehmen mit Russland-Bezug deutlich reduzieren oder sich komplett aus diesem Segment zurückziehen werden. Bei Internationalen Versicherungsprogrammen größerer Unternehmen haben Versicherer bereits kommuniziert, zukünftig keine lokalen Policen in Russland zum Schutz der Manager vor Ort mehr bereit zu stellen oder dort zu verlängern. Vereinzelt ist zu beobachten, dass Versicherer Lokalpolicen gekündigt haben. Zudem werden Versicherer erhöhte Informationsanforderungen an Unternehmen mit Russland-Bezug stellen, um sich ein genaueres Bild über deren Geschäfts- und somit Haftungsrisiken machen zu können

Alexander Stampf, Mitglied der Geschäftsleitung bei Finlex: „Bereits in der Vergangenheit waren Unternehmen mit teils widersprüchlichem Verhalten der Versicherer hinsichtlich der Behandlung sanktionierter Personen, Unternehmen und Institutionen konfrontiert – man denke an Iran oder Kuba. Je nach Anwendungsfall von EU/UK/US-Sanktionslisten kann innerhalb desselben Versicherungsprogramms der Versicherungsschutz der beteiligten Versicherer variieren. Im Schadenfall ist zu beachten, dass auf den Zeitpunkt eines Versicherungsfalls abgestellt werden muss, nicht aber etwa auf den Zeitpunkt der Deckungsbestätigung oder des Versicherungsbeginns. Nach Abschluss des Versicherungsvertrags eintretende Änderungen müssen alleine anhand der Sanktionsklausel betrachtet werden, haben aber keine Auswirkung auf den Fortbestand der Police selbst.“

Fazit

Aufgrund des Ukraine-Kriegs stehen Unternehmen momentan vor immensen Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, und Unternehmensleiter sind hierbei mehr denn je Haftungsrisiken ausgesetzt. Insbesondere ist mit Inanspruchnahmen zu rechnen, wenn Unternehmen aufgrund von Fehlentscheidungen in finanzielle Schieflage geraten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Manager auf ihre D&O-Versicherung verlassen können. Auch wenn Versicherer vereinzelt bereits angekündigt haben, Kapazitäten zu kürzen, ist davon auszugehen, dass sich die Versicherer weiterhin an ihr Leistungsversprechen halten und auch in Versicherungsfällen mit Bezug zum Krieg in der Ukraine oder zu Russland den versicherten Unternehmensleitern zur Seite stehen.