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Trans-Themen als "bedrohliche Agenda"

Queer­feindlicher "Welt"-Beitrag entsetzt die Szene

ARD und ZDF wollten Kinder "sexualisieren und umerziehen", kritisieren mehrere Wissenschaftler*innen in dem Gastbeitrag. Der LSVD spricht von "transfeindlicher Hetze", eine queere Jobmesse lädt den Axel-Springer-Verlag aus.


Am Mittwoch konnte man in Deutschland dank "Welt" den Eindruck haben, man befinde sich in Russland. Der Artikel auf der Webseite enhielt zunächst die gleiche Überschrift und Bebilderung wie im Bild links, wurde aber später abgeändert

Die schädlichen Jahre der queerfeindlichen "Demo für alle" und der Diskussion um einen LGBTI-inklusiven Bildungsplan in Baden-Württemberg mit all dem Gerede über eine angebliche "Frühsexualisierung" scheinen sich mit voller Wucht zurückzumelden, nun vor allem mit einem Schwerpunkt auf trans Personen und ihre Rechte.

Am Mittwoch verbreitete die "Welt" ohne Distanzierung einen klar queerfeindlichen Gastbeitrag mehrerer Wissenschaftler*innen – hinter ihrer Paywall, aber auf größtmögliche Empörung in sozialen Netzwerken ausgerichtet. "Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen", lautete die von der Zeitung gewählte Überschrift zur Montage der WDR-Maus mit einer Regenbogenflagge und einem Transgender-Symbol.

Es ist eine Bebilderung von solch queerfeindlicher Propagandawirkung, wie man sie sonst vor allem aus Russland, auch aus Polen oder Ungarn gewohnt ist. Von "Transgender-Ideologie in der 'Sendung mit der Maus'" ist so auch noch im Vorspann die Rede, von einer "bedrohlichen Agenda". Verfasst wurde der Text vom umstrittenen Jugendpsychiater Alexander Korte, der seit Jahren vor einem "Trans-Hype" warnt und als klare Minderheitenmeinung in dem Gebiet gilt. Die anderen Autor*innen haben teils nur wenige Berührungspunkte zu den relevanten Fachgebieten.

/ ClaasGefroi
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Kinder würden von ARD und ZDF "indoktriniert" und "aufdringlich sexualisiert", behauptet der vermeintlich wissenschaftliche Gastbeitrag denn auch unwissenschaftlich. Gerade beim "Trend-Thema 'trans'" fordere man die Sender auf, "biologische Tatsachen und wissenschaftliche Erkenntnisse wahrheitsgemäßer darzustellen". Der Gastbeitrag ist die Zusammenfassung eines Offenen Briefes, der von über 100 Wissenschaftler*innen aus den unterschiedlichsten Gebieten, aber auch von queerfeindlichen Aktivist*innen wie der "Gender-Gaga"-Autorin Birgit Kelle unterzeichnet wurde. "Unterstützt wurde die Aktion auch von der Schwulen- und Lesben-Interessenvertretung LGB Alliance", behauptet der "Welt"-Beitrag noch in Bezug auf eine kleine Gruppe von Aktivist*innen, die trans Themen und Personen praktisch aus der Community ausschließen wollen.

Forderung: "Bedrohliche" Berichterstattung "stoppen"

Der "Welt"-Text und Offene Brief lesen sich wie empörte Berichterstattung von "Demo für alle", AfD oder "Junger Freiheit": "Der Eindruck einer systematischen Unterstützung der von Grünen und FDP geplanten Reform des Transsexuellengesetzes drängt sich auf", behaupten die Autor*innen nach der Sichtung einiger TV-Sendungen. Der ÖRR wolle Geschlechtsanpassungen ab 14 "gesellschaftlich und politisch durchboxen", wird etwa behauptet. Diese "bedrohliche Entwicklung" müsse in der Öffentlichkeit diskutiert "und gestoppt" werden: "Die Öffentlichkeit muss die Augen aufmachen. Es kann nicht angehen, dass eine kleine Anzahl von Aktivisten mit ihrer 'woken' Trans-Ideologie den ÖRR unterwandert, Falschdarstellungen als vermeintlichen Stand der Wissenschaft verbreitet und das Leben von Kindern und Jugendlichen nachhaltig beschädigt. Eltern wissen in der Regel nicht, was mit solchen Sendungen den Kindern angetan wird und mit welchen Botschaften diese indoktriniert werden. Niemand hat den ÖRR beauftragt, Kinder im Sinne einer ideologisch motivierten Agenda umzuerziehen."

/ Volksverpetzer
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Der Offene Brief nennt weitere der üblichen Talking Points, etwa über die angebliche Bedrohung von Frauenschutzzonen oder die angeblich aufgrund medialen Hypes und des Einsatzes von "Queer-/Trans-Lobbygruppen" gestiegene Anzahl von trans Jugendlichen, und beklagt, dass in den ÖRR-Sendungen "Wissenschaftler und Kritiker nicht gehört", "aber fragwürdigen 'Experten' (politisch aktiven Betroffenen und deren sog. Alliierten)" hingegen viel Raum gegeben werde. Letztlich bettelt hier eine transfeindliche Szene darum, in den anstehenden Debatten um das Selbstbestimmungsgesetz mindestens als gleichwertiger und berechtigter Gegenpol wahr- und und von Medien aufgenommen zu werden.

/ svenlehmann

Die transfeindliche Aktivistin Eva Engelken, eine grüne Kommunalpolitikerin, hat den Aufruf auf ihrer Webseite veröffentlicht – und das 50-seitige Begleit-Dossier "Ideologie statt Biologie im ÖRR", in dem mehrere Autor*innen teils minutiös und mit offensichtlichem Schaum vor dem Mund mehrere Sendungen auswerten. Nicht alle richten sich an Kinder oder Jugendliche, eine Reportage über Chemsex etwa, und die Wissenschaftler empören sich unter anderem auch, dass der ÖRR eine Diskriminierung Homosexueller bei der Blutspende ausmache, dabei "Fakten" ignoriere und "die Befindlichkeiten von Homo- und Transsexuellen über die Gesundheit von Bluttransfusionsempfängern" stelle.

Zu einem Beitrag "LGBTQ – so krass sind Hass und Gewalt gegen Queere" wird beklagt, er lasse "das unbegründete Bild einer intoleranten Gesellschaft, die homosexuelle und transsexuelle Jugendliche in den Selbstmord treibt", bei Jugendlichen entstehen. Bei einem weiteren Beitrag, "So krass werden Transmenschen erniedrigt", wird beklagt, hier werde Queer-Politikern mehr Platz eingeräumt als Vertretern von CDU und AfD, die nur "einige Sekunden" bekommen. "Das ist einseitig." Vor allem aber arbeitet sich das Dossier im bereis oben zitierten Tonfall an Berichterstattung über Trans-Themen ab, darunter über eine bereits im März aus rechten Kreisen attackierte "Sendung mit der Maus" über Transgeschlechtlichkeit (queer.de berichtete).

Kritik von LSVD und Sticks & Stones

In sozialen Netzwerken sorgte der Gastbeitrag und vor allem sein kurzer Ausschnitt für die Netzwerke für viel Kritik und Spott (er wurde zugleich aber auch in rechtsextremen, rechten bis konservativen Kreisen abgefeiert und etwa von der NZZ oder Boris Reitschuster für eigene Berichte genutzt). "Stell dir vor, deine Identität ist so fragil, dass die Sendung mit der Maus sie bedroht", twitterte ein Nutzer. "WELT wird immer mehr zum Fox-News-Style, Rechtsaußen-Verschwörungs-Magazin", kommentierte "Volksverpetzer" ähnlich wie viele Twitter-User*innen. "Jedes Mal wenn es um Wissenschaft geht, nimmt sie die schlechtesten Positionen ein. Und ich sage: Das ist genau so gewollt. Dort will man eine gut zahlende Basis aufbauen."

/ EJodicke
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Die UHLALA Group als Betreiberin der queeren Jobmesse Sticks & Stones gab am Mittwoch bekannt, die Axel Springer AG trotz ihres Angebotes "Queer Bild" (bei Facebook) und des Engagements vieler Mitarbeitenden für queere Vielfalt von der im Juni anstehenden nächsten Messe ausgeladen zu haben. In dem "Welt"-Bericht würden LGBTI-feindliche Aussagen getätigt und Falschinformationen verbreitet, so die Jobmesse. "Zudem wird Stimmung gegen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie deren Repräsentanz gemacht. Der Artikel schadet LGBTIQ+ Menschen und vergiftet die öffentliche Debatte."

/ Sticks_StonesHQ
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Der Axel-Springer-Verlag biete "pseudowissenschaftlichem Unfug ein Forum", beklagte auch der LSVD in einer Pressemitteilung ("Transfeindliche Hetze bei Welt-Online"). "Dass die 'Welt' und der Axel-Springer-Verlag zum Auftakt des Pride Month den gefährlichen Falschaussagen zahlreicher Akademiker*innen eine Plattform bieten und es ermöglichen, dass mit Begriffen wie 'Transgender-Ideologie', 'Umerziehung' und 'Sexualisierung' gegen trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen gehetzt wird, ist erschreckend", kommentierte Bundesvorstand Alfonso Pantisano. "Ein offenes, diskriminierungsfreies und wertschätzendes Verständnis für die Verschiedenheit und Vielfalt der partnerschaftlichen Beziehungen, sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten" werde in dem Beitrag "dämonisiert", so Pantisano, der auch beklagte, dass der Verlag in wenigen Wochen mit einem Wagen beim Berliner CSD teilnehmen wolle.

/ lsvd
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Stimmungsmache wird extremer

Seit Monaten nimmt in deustchsprachigen Ländern queerfeindliche Stimmungsmache deutlich zu, in rechten Kreisen wie der AfD und Medien wie "Junge Freiheit", aber auch in "konservativen" Medien wie FAZ und "Welt" sowie im Bereich dazwischen (etwa "Tichys Einblick"). Aktuelles Hauptthema ist das geplante Selbstbestimmungsgesetz. Häufig wird sich dabei an der trans Abgeordneten Tessa Ganserer oder am queerpolitischen Sprecher der Bundesregierung, Sven Lehmann, abgearbeitet – und das oft unterstützt aus christlich-fundamentalistischer Ecke ("Demo für alle", "Tagespost", "Idea") und von transfeindlichen Feministinnen ("Emma").


Die AfD nahm die "Welt"-Vorlage dankbar auf

Das hat auch, wie vom "Welt"-Aufruf erwünscht, Auswirkungen auf die erst einsetzende gesellschaftliche und politische Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz. Sowohl in der Sendung "Stern TV" vom Sonntag als auch im am Mittwoch veröffentlichten ZDF-Format "13 Fragen", die sich beide mit dem Vorhaben beschäftigten, war neben Befürworter*innen auch jeweils Eva Engelken eingeladen – im ZDF zusammen mit weiteren Akteuren gegen das geplante Gesetz.

#1 Pride
  • 02.06.2022, 17:16h...
  • Auf den CSDes muss die so aktuelle queerfeindliche Hetze und Gewalt stark thematisiert werden. Springer mit seinem Wagen und andere queerfeindlich sich gebende Organisationen müssen auf den CSDes ausgeschlossen werden. Es muss die Konfrontation gesucht werden, um die schon aus dem Keim herausgewachsene Queerfeindlichkeit zu ersticken.
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#2 LothiAnonym
  • 02.06.2022, 17:23h
  • Antwort auf #1 von Pride
  • Auch hier sollte nicht unbedingt auf die WELT Neuigkeiten hingewiesen werden. Kommt immer wieder als Link hier in Erscheinung. Ich traue grundsätzlich nicht was den Axel Springer Verlag betrifft.
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#3 Quo VadisAnonym
  • 02.06.2022, 17:24h
  • Ich denke, "langsam" kommen wir an den Punkt, an dem sich entschieden werden muss, sowohl seitens Gesellschaft, als auch und insbesondere der Politik, welche Gesellschaftsform man möchte: Die ausgrenzende, totalitäre, reaktionäre Hassgesellschaft, wie sie Springer, AfD, die "Besorgten" und das rechte Spektrum wünschen. Oder eine Gesellschaft, die tatsächlich so "lästige" Dinge wie Menschenrechte achtet, gewährt und *durchsetzt*, ebenso die "unangenehmen Dinge" der "linksgrünversifften Kampfschrift" namens Grundgesetz usw.

    Beides wird nie miteinander in Einklang zu bringen sein, ein "Kompromiss" ist nicht möglich, weil diese absolute Gegensätzlichkeit nicht vereinbar ist und die Unvereinbarkeit in der Sache an sich begründet ist.
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