Tödlicher Angriff bei CSD: Verband warnt vor „Echokammern“

Soziale Medien verstärken queerfeindliche Einstellungen, warnt der Lesben- und Schwulenverband. Dies könne in Gewalt umschlagen. 

Menschen haben auf dem Hafenplatz eine Fahne ausgelegt, die mit bemalten Steinen beschwert ist. 
Menschen haben auf dem Hafenplatz eine Fahne ausgelegt, die mit bemalten Steinen beschwert ist. dpa/David Inderlied

Queerfeindliche Einstellungen werden nach Einschätzung des Lesben- und Schwulenverbands durch soziale Medien verstärkt. Schon seit vielen Jahren gebe es in der Gesellschaft solche menschenfeindlichen Einstellungen, die durch die „Echokammern“ im Internet noch angeheizt würden, kritisierte René Mertens vom Lesben- und Schwulenbundesverband (LSVD) am Sonnabend auf WDR 5 im „Morgenecho“. Soziale Medien tragen nach seiner Einschätzung dazu bei, dass „homophobe Sprüche und queerfeindliche Ideologien“ in Hass und Gewalt umschlagen.

Mertens sagte zu dem tödlichen Angriff auf einen 25-Jährigen bei einer Christopher-Street-Day-Versammlung in Münster vor einer Woche: „Das war wirklich eine queerfeindliche Gewalttat.“ Auch bei CSD-Veranstaltungen in Berlin, Jena oder Bielefeld sei es zu Anfeindungen gekommen – Menschen seien attackiert, Regenbogenfahnen zerrissen worden. „Wir brauchen die Solidarität der gesamten Gesellschaft“, mahnte Mertens. „Queerfeindlichkeit geht uns alle an.“ Jeder Mensch könne ins Fadenkreuz geraten.

Im rechtlichen und politischen Bereich habe es in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gegeben. Aber bei den gesellschaftlichen Einstellungen und im Bildungsbereich sei noch viel zu tun. Man müsse auch jungen Menschen in den Schulen und über Jugendarbeit stärker vermitteln, wie man sich gegen Abwertungen zur Wehr setzen könne, forderte der LSVD-Referent. Dem WDR-Bericht zufolge werden den Behörden in Durchschnitt täglich bundesweit etwa drei queerfeindliche Gewalttaten bekannt. Eine hohe Dunkelziffer komme hinzu – vieles werde nicht angezeigt.

Der Tatverdächtige im Fall Münster war am Freitag festgenommen worden. Er sollte am Sonnabend dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Staatsanwaltschaft in Münster will einen Haftbefehl wegen Körperverletzung mit Todesfolge beantragen. Der 20-Jährige soll laut Ermittlern mehrere Frauen beim CSD unter anderem mit den Worten „lesbische Hure“ beschimpft haben und drohend auf sie zugegangen sein. Der 25-Jährige habe den Mann gebeten, die Beleidigungen zu unterlassen. Doch dieser soll unvermittelt zugeschlagen haben. Der 25-Jährige sei zu Boden gegangen und mit dem Kopf unglücklich auf dem Asphalt aufgeprallt. Er starb am Freitag in einer Klinik.

Auch der Verein Trans*Inter*-Münster hatte betont, es handle sich um einen queerfeindlichen Angriff, beim Getöteten um einen Transmann. Mertens vom LSVD betonte, bei solchen menschenfeindlichen Angriffen dürfe man nicht wegschauen, solle sich aber selbst zugleich nicht in Gefahr bringen. Auch die Polizei zu rufen, sei Zivilcourage.