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Keine Sitzverlegung durch bloße Registereintragung einer GmbH in der Türkei

Die bloße Eintragung einer deutschen GmbH im türkischen Register als Limited Sirketi (türkische GmbH) führt nicht zu einer wirksamen, formwechselnden Sitzverlegung.

Sachverhalt

Der Entscheidung des OLG Zweibrücken lag ein Streit über die Löschung einer GmbH aus dem Handelsregister zu Grunde. Die Gesellschafter der GmbH beschlossen die Sitzverlegung der Gesellschaft in die Türkei. Der bevollmächtigte Notar meldete daraufhin die Sitzverlegung an. Das Registergericht lehnte diese ab und wies darauf hin, dass ein inländischer Sitz notwendig sei.

Danach wurde die GmbH dennoch als Limited Sirketi in das türkische Handelsregister eingetragen und vom Notar eine Löschung der GmbH beantragt. Der Notar begründete dies damit, dass der EuGH grenzüberschreitende Sitzverlegungen aufgrund der Europäischen Verträge für rechtmäßig erachtet hat. Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Republik Türkei aus dem Jahr 1963 führe dazu, dass diese Grundsätze auch hier anzuwenden seien. Durch die Eintragung der Gesellschaft in der Türkei bestehe die Gesellschaft dort als türkische GmbH weiter, in Deutschland bestehe sie nicht mehr. Eine „Doppelexistenz“ der GmbH in Deutschland und der Türkei sei nicht gewollt.

Das Handelsregister lehnte auch die Löschung der GmbH ab. Dagegen legte die Gesellschaft Beschwerde ein.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken – (Beschluss vom 11.07.2022 – 3 W 12/22)

Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Das OLG Zweibrücken stellte fest, dass die Anmeldung im Handelsregister der Türkei nicht genügt, um die Wirksamkeit des Sitz- und Rechtsformwechsels zu begründen. Das Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EWG enthalte gerade keine Regelungen, die der Niederlassungsfreiheit der Europäischen Verträge entsprechen. Die GmbH habe damit ihren Sitz nicht wirksam verlegt. Selbst wenn die Niederlassungsfreiheit anwendbar wäre, müssten zudem zunächst die Voraussetzungen des deutschen Umwandlungsrechts für einen Formwechsel erfüllt werden. Das sei hier nicht der Fall. Im Übrigen würden die Voraussetzungen einer Löschung nicht vorliegen, da die GmbH ihren Geschäftsbetrieb nicht eingestellt habe.

Praxishinweis

Wird der Sitz einer Gesellschaft verlegt, ist strikt zu trennen, ob sich der neue Sitz in der EU befinden soll oder nicht. Ist das der Fall, kann die Gesellschaft die weiten aber durchaus komplexen Möglichkeiten der europäischen Niederlassungsfreiheit nutzen, die der EuGH in vielen Entscheidungen näher bestimmt hat und ihren Sitz unter Wechsel der Rechtsform verlegen. Hinzu kommen neue Vorgaben der EU zur grenzüberschreitenden Umwandlung, deren Umsetzung seit Ende Januar in Kraft ist.

Soll der Sitz in einen Drittstaat verlegt werden, gelten andere Anforderungen. In keinem Fall ausreichend ist es jedoch die Gesellschaft lediglich unter neuer Rechtsform in das Register eines Drittstaats einzutragen, ohne die die Voraussetzungen des Umwandlungsrechts zu beachten. Der Hintergrund leuchtet ein: Würde die bloße Eintragung im Drittstaat für eine Sitzverlegung ausreichen, könnte das in der Krise des Unternehmens missbräuchlich genutzt werden, um sich den Gläubigern zu entziehen.

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