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Keine zweite Einberufung einer Gesellschafterversammlung zum selben Tagungsordnungspunkt per Selbsthilfe

Ein GmbH-Gesellschafter kann nach der Abstimmung kein zweites Mal eine Gesellschafterversammlung per Selbsthilfe zum selben Punkt einberufen.

Sachverhalt

Ein GmbH-Gesellschafter forderte deren Geschäftsführer zur Einberufung einer Gesellschaftsversammlung auf, in der über die Abberufung der Geschäftsführer abgestimmt werden sollte. Die Geschäftsführer kamen dem nicht nach. Daher berief der Gesellschafter die Versammlung selbst ein. Die Geschäftsführer wurden abberufen. Da eine einstweilige Verfügung gegen die Geschäftsführer auf Unterlassung der Geschäftsführung nicht erlassen wurde, leitete der Gesellschafter mit dem gleichen Tagesordnungspunkt ein schriftliches Beschlussverfahren ein (unter der pandemiebedingten Sonderregelung des Art. 2 § 2 Covid-Maßnahmen-Gesetz, COVMG). Die Geschäftsführer wurden (erneut) abberufen. Jetzt wurde den Geschäftsführern durch einstweilige Verfügung die weitere Geschäftsführung und Vertretung untersagt. Einer der Geschäftsführer wandte sich hiergegen mit der Berufung.

Die Entscheidung des KG Berlin vom 07.09.2022 (Az. 23 U 120/21)

Die Berufung hatte Erfolg. Nach Ansicht des KG Berlin sei der erneute Beschluss wegen eines Einberufungsmangels nichtig. Der Gesellschafter habe bei der 2. Einberufung kein Recht zur eigenen Versammlungseinberufung gehabt. Denn das Selbsthilferecht des Gesellschafters habe sich verbraucht, weil über denselben Tagesordnungspunkt (= Abberufung der Geschäftsführer) bereits Beschluss gefasst wurde. Dass der 1. Beschluss rechtsfehlerhaft war, ändere daran nichts. Der 2. Beschluss sei nichtig und rechtfertige keine einstweilige Verfügung.

Praxishinweis

Gesellschafterversammlungen sind in der Praxis von erheblicher Bedeutung. Hier erfolgt die grundlegende Willensbildung für sämtliche Unternehmenstätigkeiten.

Diese Bedeutung spiegelt sich in den Bestimmungen zur Einberufung und Durchführung wider. Von besonderer Praxisrelevanz sind (i) die Möglichkeit eine Gesellschafterversammlung auch losgelöst von den Ladungsformalitäten abzuhalten, wenn alle Gesellschafter anwesend sind (§ 51 Abs. 3 GmbHG), und (ii) die satzungsmäßige Möglichkeit eine beschlussfähige Folgeversammlung abzuhalten, wenn zuvor das Mindestquorum nicht erreicht wurde.

Zuständig für die Einberufung der Gesellschafterversammlung ist grundsätzlich der Geschäftsführer. Neben den gesetzlich geregelten besonderen Gründen für eine Einberufung, werden im Gesellschaftsvertrag regelmäßige weitere Gründe festgelegt (etwa: turnusmäßig Anhaltung (einmal im Jahr/Halbjahr/Quartal), vermögensmäßige Probleme, etc.).

Zum Schutz der Minderheitsgesellschafter können auch Gesellschafter, die einzeln oder zusammen mindestens 10 % halten, die Einberufung verlangen. Kommt der Geschäftsführer dem nicht nach, können die Gesellschafter die Versammlung dann selbst einberufen. Bei diesem sog. „Selbsthilferecht“ sollten verschiedene Perspektiven im Blick behalten werden:

Der selbsteinberufende Gesellschafter muss eigenverantwortlich beachten, dass bei seiner Einberufung und der Durchführung alles ordnungsgemäß abläuft. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein dort gefasster Beschluss unwirksam ist.

Möchte der Gesellschafter – etwa wegen eines unerwünschten Beschlussergebnisses – erneut selbst eine Gesellschafterversammlung einberufen, hat er den „Verbrauch seines Selbsthilferechts“ zu beachten. Die auf einer solch unzulässig selbsteinberufenen Versammlung gefassten Beschlüsse sind unwirksam, wie das KG Berlin deutlich gemacht hat. Um dies zu vermeiden, sollte der Gesellschafter zunächst wieder ein förmliches Einberufungsverlangen an den Geschäftsführer richten. Erst im Falle der Ablehnung, kann der Gesellschafter wieder selbst eine Gesellschafterversammlung mit dem gleichen Tagesordnungspunkt einberufen. Ein Gesellschafter sollte daher immer zunächst den Geschäftsführer zur Einberufung auffordern.

Aus Sicht der anderen Gesellschafter ist zu beachten, dass das Selbsthilferecht ihres Mitgesellschafters nicht entfällt, wenn die 1. Gesellschafterversammlung nicht beschlussfähig gewesen ist. Um zu verhindern, dass der Mitgesellschafter sein Selbsthilferecht später nochmals ausübt und auf der Gesellschafterversammlung weitreichende Beschlüsse fasst, sollte ein Mehrheitsgesellschafter deshalb auch zu einer für ihn unliebsamen Gesellschafterversammlung erscheinen.

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