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Status Quo des Gesetzgebungsverfahrens zum Hinweisgeberschutz –
Wer, was und wann denn nun?

Ein einheitliches Hinweisgeberschutzsystem existiert bisher in Deutschland noch nicht. Dies soll sich ändern, was erhebliche neue Herausforderungen für Unternehmen bedeutet und Handlungsbedarf in Form der Implementierung eines Hinweisgebersystems für die meisten mit sich bringen wird.

Mit dem Entwurf eines „Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen“ (Hinweisgeberschutzgesetz, kurz „HinSchG“) soll der bislang lückenhafte Schutz von hinweisgebenden Personen ausgebaut und die sog. Europäische Whistleblowing-Richtlinie (EU) 2019/1937 in nationales Recht umgesetzt werden. Bereits Ende 2021 hätte diese Umsetzung in Deutschland eigentlich bereits erfolgen müssen. Inzwischen hat die EU-Kommission sogar beschlossen die Bundesrepublik und weitere sieben EU-Mitgliedstaaten, die der Umsetzung nach wie vor nicht nachgekommen sind, vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen.

Auf der Grundlage eines Regierungsentwurfs hatte der Deutsche Bundestag am 16. Dezember 2022 ein Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen. Der Bundesrat stimmte diesem – für viele überraschend – am 10. Februar 2023 dann allerdings nicht zu. Streitpunkt ist, dass der Gesetzesentwurf weit über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgeht. So sieht dieser unter anderem einen weiter gefassten sachlichen Anwendungsbereich sowie die verpflichtende Möglichkeit der Abgabe auch anonymer Meldungen vor. Der Bundesrat ist sich zwar grundsätzlich dahingehend einig, dass Hinweisgeber zu schützen sind, doch stünde angesichts der die EU-Richtlinie übertreffenden Vorgaben zu befürchten, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen stark belastet würden.

Statt wie vielfach vermutet wird nunmehr nicht der Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag tätig, vielmehr haben die Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP jüngst am 14. März 2023 Formulierungshilfen für zwei neue Gesetzentwürfe eingebracht, um eine zügige Umsetzung des Hinweisgeberschutzgesetzes in Deutschland zu ermöglichen. Das Vorhaben wurde in zwei Gesetzesentwürfe aufgesplittet: Eine Formulierungshilfe betrifft einen neuen Gesetzesentwurf für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen, der im Wesentlichen das vom Bundestag am 16. Dezember 2022 beschlossene Gesetz wieder aufnimmt, hierbei aber ausdrücklich Beamtinnen und Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie der Richterinnen und Richter im Landesdienst aus seinem Anwendungsbereich ausnimmt und aus Sicht der Koalition mithin keine Zustimmungspflicht des Bundesrates auslöst. Der aktuell vorgelegte Entwurf sieht zudem vor, dass auch anonyme Meldungen bearbeitet werden müssen. Die zweite Formulierungshilfe beinhaltet den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz und erweitert vor allem den Anwendungsbereich, in dem es die vorbezeichneten Einschränkungen des Anwendungsbereichs wieder aufhebt. Dieser zweite Entwurf ist zustimmungspflichtig. Scheitert die Ergänzung allerdings am Widerstand des Bundesrates, hätte dies auf den ersten Entwurf keinen unmittelbaren Einfluss. Vom Tisch wäre das Thema dennoch nicht, da eine Ausklammerung von Landesbeamten bedeuten würde, dass Deutschland die EU-Richtlinie weiterhin nicht vollständig umsetzt.

Der Bundestag hat die beiden Entwürfe am 17. März 2023 debattiert und im Anschluss zur weiteren Beratung an den Rechtsausschuss des Bundestages übermittelt. Die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss erfolgte am Montag, den 27. März 2023, bevor der Bundestag am Donnerstag, den 30. März 2023 nunmehr über die Gesetzesentwürfe abstimmt.

Es gilt bereits jetzt festzuhalten: Das deutsche Hinweisgebergesetz kommt.

Für Unternehmen mit – zunächst – mindestens 250 Mitarbeitern folgt mit Inkrafttreten kurzfristiger Handlungsbedarf. Unternehmen müssen daher entweder ihr bereits eingerichtetes Hinweisgebersystem auf Konformität mit dem Gesetz überprüfen oder überhaupt erst einmal ein solches einrichten. Welche Unternehmen zu welchen Zeitpunkten betroffen sein werden und wie genau diese ihre Meldekanäle letztlich auszugestalten haben, sollte – unter anderem auch angesichts der vorgesehenen Bußgeldvorschriften – im eigenen Interesse verfolgt werden.

Wir halten Sie auf dem Laufenden, wann und wie Deutschland die Vorgaben der EU-Richtlinie nunmehr tatsächlich umsetzt.

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