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Herabsetzung der Vorstandsvergütung bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der AG

Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage einer Aktiengesellschaft nach der Festsetzung der Vorstandsvergütung, so soll der Aufsichtsrat die Gesamtbezüge der Vorstandsmitglieder auf eine angemessene Höhe herabsetzen, wenn die Weitergewährung der vollen Bezüge für die Aktiengesellschaft unbillig wäre. Hieran werden allerdings hohe Anforderungen gestellt. Dies folgt aus einem Urteil des OLG Karlsruhe.

Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Karlsruhe liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der ausgeschiedene Vorstand einer Aktiengesellschaft (nachfolgend: „AG“) begehrte von dieser Zahlung der ausstehenden Vergütung für den Zeitraum von Januar 2014 bis einschließlich März 2016 aus seinem Anstellungsvertrag als Vorstand.

Von Januar bis August 2014 erhielt das Vorstandsmitglied anstelle der vereinbarten 15.000 Euro nur 10.000 Euro brutto, anschließend von September bis März 2016 nur 6.000 Euro brutto. Die AG berief sich aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage auf § 87 Abs. 2 S. 1 AktG. Danach kann die Vorstandsvergütung bei wirtschaftlicher Verschlechterung der Lage und Unbilligkeit der Weitergewährung einseitig herabgesetzt werden. Erforderlich ist hierfür ein Beschluss des Aufsichtsrats. Das Vorstandsmitglied war mit der Herabsetzung seiner Bezüge nicht einverstanden und erhob deshalb Klage.

Das Landgericht Mannheim gab der Zahlungsklage in der ersten Instanz vollumfänglich statt. Hiergegen legte die Aktiengesellschaft Berufung ein.

Das Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.02.2022 – Az: 1 U 173/20

Die Berufung vor dem OLG Karlsruhe hatte nur teilweise Erfolg.

Das OLG entschied, dass der Anspruch auf Zahlung der Vorstandsvergütung dem Grunde nach bestehe. Der Aufsichtsrat habe die Herabsetzung der Vergütung für die betroffenen Zeiträume nicht wirksam beschlossen. Auch konnte das Gericht nicht gem. § 87 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AktG nachträglich über die Herabsetzung entscheiden, da der Aufsichtsrat einen hierfür erforderlichen Antrag nicht beschlossen habe.

Die Vergütungsansprüche für die Jahre 2014 und 2015 seien aber bereits verjährt, weil die Klage zunächst – fälschlicherweise – dem Vorstandsvorsitzenden der AG zugestellt wurde. Zuständig für die Vertretung der AG ggü. dem Vorstand sei vielmehr der Aufsichtsrat, sodass die Verjährung mangels zugestellter Klage nicht gehemmt wurde. Die AG war daher nur (noch) zur Zahlung der ausstehenden Vergütung für das Jahr 2016 verpflichtet.

Praxishinweis

Die Vorstandsvergütung kann nach § 87 Abs. 2 S. 1 AktG auf eine angemessene Höhe herabgesetzt werden. Zuständig hierfür ist der Aufsichtsrat, der einseitig durch (ausdrücklichen) Beschluss entscheidet. Die Entscheidung muss dem betroffenen Vorstandsmitglied mitgeteilt werden. Der Zustimmung des Vorstandes bedarf es nicht. Der betroffene Vorstand kann aber vorsorglich angehört werden.

Die Voraussetzungen für die Herabsetzung der Vergütung sind jedoch hoch. Die Vergütung darf nicht nur wegen enttäuschenden Leistungen der Vorstandsmitglieder heruntergesetzt werden. Denn die Weitergewährung der Vergütung muss für die AG unbillig sein. Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Insolvenz der AG andernfalls unvermeidbar wäre oder Dividendenausfalls, Massenentlassungen und Lohnkürzungen kumulativ vorliegen.

Ob und bis zu welcher Höhe die Vergütung Weise herabgesetzt werden kann, muss stets für den Einzelfall geprüft werden. Herabgesetzt werden kann die laufende Vergütung, nicht hingegen Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge oder Leistungen verwandter Art. Die Vergütung muss auf die noch „höchstmögliche Vergütung“ herabgesetzt werden. Bei der Abwägungsentscheidung sind der Umfang der Verschlechterung der Lage der Gesellschaft seit dem Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung, ein etwaiges Verschulden des Vorstandsmitglieds für die Verschlechterung sowie die persönlichen Verhältnisse des Vorstandes zu berücksichtigen. Außerdem ist zu beachten, dass dem Vorstand im Herabsetzungsfall ein Sonderkündigungsrecht nach § 87 Abs. 3 S 4 AktG zusteht.

Der Aufsichtsrat darf nur in Ausnahmefällen von der Herabsetzung der Vergütung absehen. Unterlässt es der Aufsichtsrat pflichtwidrig die Vergütung herabzusetzen, macht er sich gem. § 116 S. 1, § 93 Abs. 2 AktG sogar schadensersatzpflichtig. Für den Aufsichtsrat kann es daher in einigen Fällen zweckmäßig sein, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, eine Entscheidung über die Herabsetzung der Vorstandsvergütung durch das zuständige Gericht zu beantragen.

Nach herrschender Meinung sind die Grundsätze zur Herabsetzung der Vergütung des Vorstandes der AG nicht auf den Geschäftsführer der GmbH übertragbar. § 87 Abs. 2 AktG ist auch nicht entsprechend anwendbar, da die Vorschrift nach der Rechtsprechung ein „Fremdkörper innerhalb der Rechtsordnung“ darstelle und daher restriktiv ausgelegt werden muss. Eine Vergütungsanpassung bedarf daher – anders als in der AG – in der GmbH stets der Zustimmung des Geschäftsführers. Nur in krassen Ausnahmefällen ist der Geschäftsführer aus den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten als Organ der Gesellschaft verpflichtet, der Anpassung zuzustimmen.

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