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Mückenstich als versicherter Arbeitsunfall im Homeoffice?

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied in seinem Urteil vom 25.11.2022 (Az. L 8 U 1204/22): Wegen der fehlenden Einwirkungsmöglichkeit des Arbeitgebers bezüglich der Arbeitssicherheit dürfte ein Mückenstich im Homeoffice zum allgemeinen Lebensrisiko zählen und nicht als Arbeitsunfall zu bewerten sein. Der Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung ist dann nicht eröffnet.

Sachverhalt

Dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war bei der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen, freiwillig als selbständig tätiger Versicherungsmakler gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Mittels Unfallanzeige bei der Beklagten am 20.07.2020 teilte der Kläger dieser mit, er habe am 27.04.2020 im Rahmen seiner Arbeit im Homeoffice einen Mückenstich am rechten Fuß erlitten, der eine bakterielle Infektion nach sich gezogen habe, die in einem Klinikum hätte behandelt werden müssen. Wegen des Insektenstichs habe der Kläger sich im folgenden Zeitraum von einer Vielzahl von Ärzten und Kliniken behandeln lassen müssen. Diagnostiziert worden sei unter anderem eine diffuse eitrige Entzündung der Subkutis, eine unklare Wundheilungsstörung sowie eine Vorfußphlegmonenbildung mit Abszessbildung seitlich des Kleinzehstrahls rechts.

Die Beklagte hatte die Feststellung eines Versicherungsfalls mit der Begründung abgelehnt, ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des festgestellten Gesundheitsschadens bestehe nicht. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, der Kläger habe angegeben, das Insekt zum Zeitpunkt des angeblichen Stiches nicht gesehen zu haben. Es handele sich deshalb lediglich um eine Vermutung, sodass der erlittene Arbeitsunfall nicht mit der erforderlichen Beweiskraft bewiesen sei.

Der vom Kläger daraufhin eingelegte Widerspruch wurde von der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger erhob sodann Klage beim Sozialgericht Stuttgart, wobei er sich auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.09.2006 (Az. L 10 3430/05) bezog, wonach ein Arbeitsunfall im Zusammenhang mit einem Insektenstich dann nicht vorliege, wenn nicht dargelegt und bewiesen werden könne, wann und wo der Insektenstich erfolgt sei. Hier seien Angaben zu Zeit und Ort jedoch möglich, sodass der Mückenstich als Arbeitsunfall zu bewerten sei.

Das Sozialgericht wies die Klage ab. Es sah weder das Unfallereignis noch die Unfallkausalität als hinreichend wahrscheinlich an. Die daraufhin vom Kläger eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht zurück.

Entscheidungsgründe

In Bezug auf das vom Kläger beschriebene Ereignis sei bereits kein „von außen auf den Körper wirkendes Ereignis“ als Grundlage eines Unfallereignisses festzustellen. Es könnten zwar bereits bloße Wahrnehmungen (Sehen, Hören, Schmecken etc.) ein äußeres Ereignis im Sinne eines Unfalles darstellen. Nur, wenn ein äußerer Anknüpfungspunkt, mithin ein Umweltreiz, für einen Sinneseindruck fehle, sei schon ein von außen wirkendes Ereignis zu verneinen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger aber lediglich angegeben, „irgendwas am Fuß wahrgenommen“ zu haben, dass sich „wie ein Mückenstich angefühlt“ habe. Unfallanzeige habe er erst 3 Monate nach dem Ereignis erstattet, nachdem die Behandlung des betroffenen Fußes zunächst aufgrund einer Vorbelastung mit Thrombose erfolgt war.

Es könne deshalb offenbleiben, ob sich bei dem geltend gemachten Mückenstich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat. Ein solches sei vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfasst. Zwar könnten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch „Unfälle des täglichen Lebens“ wie ein Insektenstich versichert sein. Der Versicherungsschutz scheide jedoch grundsätzlich aus, wenn eine wesentlich privatwirtschaftliche Tätigkeit verrichtet wird.

Unter Berücksichtigung dessen, dass die Arbeitsstättenverordnung bei einer versicherten Tätigkeit im Homeoffice nicht greift und dem Arbeitgeber auch aufgrund der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG nur begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung stünden, Einfluss auf die Arbeitssicherheit zu nehmen, dürfte der hier geltend gemachte Mückenstich während der Tätigkeit im Homeoffice mit offenem Fenster dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sein, sodass der Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht eröffnet sei.

Hinweis für die Praxis

Im Hinblick auf den möglichen Regress der Unfallversicherung beim Arbeitgeber ist die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg beruhigend. Es erschient nur konsequent, wenn bei der Prüfung der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, die Einflussmöglichkeiten des Arbeitgebers auf die Arbeitssicherheit, insbesondere vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Homeoffice berücksichtigt werden. Auch im Hinblick auf die vorgenommene Zuordnung des Mückenstichs zum allgemeinen Lebensrisiko überzeugt die Entscheidung.

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