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Künstliche Intelligenz in der deutschen Mitbestimmung

Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Sie verändert die Welt. Zunächst verbietet Italien die Nutzung von ChatGPT. Europa setzt dagegen. Wer kann, nutzt die neuen Möglichkeiten. Mehr und mehr Unternehmen machen systematischen Gebrauch von KI, um effizienter zu werden, z.B. bei der Automatisierung von Prozessen oder im Bereich der Personaldiagnostik. Immer deutlicher wird, dass KI die traditionelle Organisation unserer Arbeitswelt infrage stellt.

Die Enquete-Kommission KI des Deutschen Bundestages

Bereits 2018 hatte der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission zur Künstlichen Intelligenz eingesetzt. In ihrem Bericht Ende 2020 stellt sie fest: „ Zur Wahrung von Einflussmöglichkeiten von Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmern beim Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte, der Vermeidung von Überlastung, der Bewältigung von betrieblicher Transformation und der Gestaltung von Beschäftigungsbedingungen, ist ein Update der Mitbestimmung erforderlich, das der technischen Entwicklung Rechnung trägt und die bisherige Balance zwischen Arbeitnehmerrechten und Eigentumsrechten fortentwickelt“ (Bericht Enquete-Kommission vom 28.10.2020, BT-Dr. 19/23700, S. 38).

„Update der Mitbestimmung“ – KI im BetrVG

Einen ersten Schritt in diese Richtung hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 versucht und mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz zumindest den Begriff „Künstliche Intelligenz“ erstmalig im BetrVG verankert.

Im Detail:

  • KI-unterstützte Software

    Schon vor diesem Update hatte und hat der Betriebsrat bei der Einführung von KI-unterstützter Software das Recht mitzubestimmen: Will ein Unternehmen KI-basierte Software einsetzen, ist der Betriebsrat in aller Regelmäßigkeit vorher zu konsultieren und eine Vereinbarung mit ihm zu treffen (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).
  • Mehr Sachverstand bitte

    Neu ist seit 2021 allerdings, dass dem Betriebsrat der Weg zur Hinzuziehung externen Sachverstands erleichtert wird, wenn das Unternehmen KI einsetzen will (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Die ausdrückliche Idee des Gesetzgebers ist dabei, das Vertrauen und die Akzeptanz der Beschäftigten zu stärken, indem Betriebsräte frühzeitig eingebunden werden sollen (BT-Dr. 19/28899, S. 2). Ob das durch die Stärkung der Mitbestimmung allein gelingt, darf bezweifelt werden.
  • Arbeitsverfahren und -abläufe

    Dass der Betriebsrat bei der Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen zu beteiligen ist, ist ebenfalls nicht neu. Der Gesetzgeber hat allerdings klargestellt, dass dies erst recht der Fall ist, wenn bei der Gestaltung dieser Abläufe und Verfahren KI genutzt wird (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Diese Gesetzesänderung dürfte sich noch nicht ausreichend herumgesprochen haben. Ggf. erforderlich wird sein, das bisherige Verständnis von „Arbeitsverfahren und -abläufen“ neu zu denken, wenn das Ziel des Gesetzgebers erreicht werden soll, Betriebsräte frühzeitig vor der Nutzung von KI einzubeziehen.
  • KI bei der Personalauswahl

    Wenig verwunderlich ist schließlich, dass der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt hat, dass Unternehmen den Betriebsrat einbinden müssen, wenn sie Personalauswahlrichtlinien mit Unterstützung von KI-Systemen festlegen, oder die Auswahl der KI vollständig überlassen (§ 95 Abs. 2a BetrVG). Gerade bei der Personalgewinnung bzw. der Personaldiagnostik ist der Einsatz von KI-gestützter Software international keine Neuigkeit mehr.

Fazit

Ein Anfang ist gemacht, wenngleich dem Gesetzgeber mit dem BetrVG-„Lifting“ eine Modernisierung auf dem Feld der KI nicht gelungen ist. Soll im Unternehmen KI eingesetzt werden, führt kaum ein rechtskonformer Weg an der deutschen Mitbestimmung vorbei.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob und wann der Gesetzgeber sich traut, seiner eigenen Strategie zu folgen, das grundsätzliche Vertrauen in die Möglichkeiten von KI zu stärken, ohne die Risiken außer Acht zu lassen. Insofern müssen Grundlagen in der Betriebsverfassung geschaffen werden, die nicht dazu führen dürfen, dass Betriebsräte ihre Rechte nur dazu nutzen, sich als „Verhinderer“ gegen die Nutzung von KI hervorzutun. Für den Erfolg von KI in einer sich verändernden Wirtschaftswelt wird es erforderlich sein, erheblich in den Aufbau digitaler Kompetenzen zu investieren, und zwar nicht nur in die der Betriebsräte (vgl. BT-Dr. 19/23700, S. 92).

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