tina bieniek gesellschaftsrecht p.jpgJonas Laudahn WebH

Kann ein Geschäftsführer durch eine gemäß Satzung unzuständige Gesellschafterversammlung abberufen werden?

Nach dem GmbHG obliegt die Abberufung von Geschäftsführern der Gesellschafterversammlung. Doch was passiert, wenn die Satzung die Abberufungskompetenz an ein anderes Organ überträgt und trotzdem die Gesellschafterversammlung die Abberufung eines Geschäftsführers beschließt? Mit dieser Frage beschäftigte sich kürzlich das OLG Celle.

Sachverhalt

Dem Beschluss des OLG Celle liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war Geschäftsführer einer GmbH. In der Satzung der Gesellschaft war vorgesehen, dass die Gesellschaft einen vierköpfigen Aufsichtsrat haben sollte. Dem Aufsichtsrat wurde die Kompetenz für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer übertragen. Daneben verpflichtete sich der Alleingesellschafter – ein Fußballverein – gegenüber einem verbundenen Unternehmen im Rahmen einer Stimmbindungsvereinbarung, diesen Satzungsbestandteil nicht eigenmächtig zu ändern.

Trotzdem beschloss der Alleingesellschafter im Sommer 2022 die sofortige Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Dagegen klagte der Geschäftsführer sowohl in der Hauptsache als auch im einstweiligen Rechtsschutz. Sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Landgericht Hannover war erfolgreich. Hiergegen legte die GmbH Berufung zum OLG Celle ein. Die GmbH bestritt nicht, dass der Abberufungsbeschluss einen Verstoß gegen die Satzung darstellte. Stattdessen versuchte sie, die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses damit zu rechtfertigen, dass lediglich eine „punktuelle Satzungsdurchbrechung“ vorliege, die nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses führe.

Der Beschluss des OLG Celle vom 08.09.2022 – Az.: 9 U 72/22

Das OLG Celle bestätigte das Urteil des Landgerichts. Dieses hatte bereits ausgeführt, der Beschluss wirke gerade nicht nur im Einzelfall, weil er im Ergebnis die Bestellung eines neuen Geschäftsführers erforderlich mache und damit einen Dauerzustand schaffe. Der satzungsdurchbrechende Beschluss sei daher mit einer Satzungsänderung gleichzusetzen. Diese unterliege den Einschränkungen aus der Stimmbindungsvereinbarung und könne vom Alleingesellschafter nicht eigenmächtig beschlossen werden. Insbesondere betonte das OLG, dass die Stimmrechtsbindungsvereinbarung so auszulegen sei, dass sie nicht nur eigenmächtige Satzungsänderungen untersage, sondern auch das Unterlaufen der Satzung durch satzungsdurchbrechende Beschlüsse.

Eine Stimmabgabe, die gegen eine Stimmbindung verstößt, führe zwar grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit des gefassten Beschlusses. Etwas anderes könne jedoch gelten, wenn vereinbarte Bindungsklauseln ansonsten leerliefen. Dies sei vorliegend der Fall: Denn wäre der Abberufungsbeschluss wirksam, wäre das treuwidrige Stimmverhalten der GmbH entgegen der Stimmbindungsvereinbarung sanktionslos geblieben. Zudem liege eine besondere Treuwidrigkeit des Stimmverhaltens des Alleingesellschafters vor, der ersichtlich die Stimmbindungsvereinbarung bezüglich Satzungsänderungen mittels des satzungsdurchbrechenden Beschlusses unterlaufen wollte.

Praxishinweis

Die Bestellung eines Geschäftsführers kann nach den gesetzlichen Regelungen im GmbHG jederzeit durch Beschluss der Gesellschafterversammlung widerrufen werden. Die Satzung kann die Zuständigkeit für die Abberufung auf ein anderes Organ (z.B. einen Aufsichtsrat oder Beirat) zwar übertragen. Ob dies tatsächlich für alle Fälle der Abberufung „in Stein gemeißelt“ möglich ist, ist allerdings zumindest in den Fällen fraglich, in denen ein „wichtiger Grund“ für die Abberufung des Geschäftsführers gegeben ist. In solchen Situationen ist die Rechtslage deswegen besonders sorgfältig zu prüfen.

Eine ebenso sorgfältige rechtliche Prüfung und Gestaltung ist erforderlich, wenn Gesellschafterbeschlüsse der Satzung einer GmbH widersprechen – man spricht dann auch von „satzungsdurchbrechenden Beschlüssen“. Die Wirksamkeit solcher Beschlüsse beurteilt sich danach, ob ein „punktueller Beschluss“ – der nur im Einzelfall wirkt – oder ein „zustandsbegründender Beschluss“ – der zu einer dauerhaft von der Satzung abweichenden Rechtslage führt – vorliegt. Punktuelle Beschlüsse sind auch ohne Einhaltung der formellen Satzungsänderungsvoraussetzungen wirksam, während zustandsbegründende Beschlüsse die Vorschriften für eine Satzungsänderung zwingend einhalten müssen. Im Fall des OLG Celle fiel dem Alleingesellschafter genau das auf die Füße, denn es fehlte die nach der Stimmbindungsvereinbarung erforderliche Zustimmung zur (dauerhaften) Satzungsdurchbrechung.

Der Beschluss des OLG Celle erinnert damit auch an die positiven wie negativen Folgen von Stimmbindungsvereinbarungen. Eine Stimmbindungsvereinbarung, durch die sich Gesellschafter untereinander dazu verpflichten, die ihnen aus ihren Anteilen zustehenden Stimmrechte in einer bestimmten Art und Weise auszuüben, kann in einigen Fällen sinnvoll sein (z.B. zur Erlangung von Sperrminoritäten oder Mehrheiten). Andererseits bergen solche Vereinbarungen Konfliktpotential – insbesondere, wenn eine Partei einer Stimmbindungsvereinbarung auf einmal von der Bindung nichts mehr wissen will. Ein einfaches Hinwegsehen über die Stimmbindung birgt die Gefahr der Unwirksamkeit des Gesellschaftsbeschlusses. Sofern trotzdem eine Stimmbindungsvereinbarung geschlossen werden, sollte deren Inhalt im Einzelnen rechtlich genau geprüft werden. Andernfalls droht ein böses Erwachen – und zwar nicht nur bei norddeutschen Fußballvereinen.

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