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Virtuelle Mitgliederversammlung im Verein: Anforderungen an die Bestimmtheit einer Satzungsregelung

Satzungsregelungen, die hybride oder rein virtuelle Mitgliederversammlungen ermöglichen, müssen dem OLG Hamm zur Folge hinreichend konkret gefasst sein, um wirksam zu sein. Zumindest bezüglich hybrider Versammlungen, ist der gesetzgeberische Wille ein anderer.

Sachverhalt

Der Entscheidung des OLG Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Verein hatte eine Satzungsänderung zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet. Inhalt der Änderung sollte unter anderem die Möglichkeit der Abhaltung von Mitgliederversammlungen in virtueller Form (rein virtuell und hybrid) sein. Vorgaben zum konkreten Ablauf solcher Versammlungen fehlten. Diese Inexistenz konkretisierender Ablaufregeln nahm das zuständige Registergericht zum Anlass, die Anmeldung zurückzuweisen. Hiergegen wandte sich der Verein mit der Beschwerde zum OLG Hamm.

Die Entscheidung des OLG Hamm vom 04.08.2022 (Az. 27 W 58/22)

Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Zunächst bestätigte das OLG Hamm die Möglichkeit, Mitgliederversammlungen rein virtuell oder hybrid abzuhalten. Dies erfordere aber eine hinreichend konkret gefasste Satzungsregelung, die zumindest die grundsätzlichen Modalitäten (insbesondere das Verfahren in Bezug auf Fragen, Anträge und Stimmabgabe) einer virtuellen/hybriden Mitgliederversammlung vorgeben müsse. Für hybride Mitgliederversammlungen müsse sichergestellt sein, dass die virtuellen Teilnehmer im gleichen Umfang wie die präsenten Teilnehmer teilnehmen könnten.

Praxishinweis

Während der COVID-19-Pandemie hatte der Gesetzgeber zügig mit pragmatischen Sonderregelungen die virtuelle Abhaltung von Versammlungen für verschiedene Gesellschaftsformen ermöglicht. Der in allen Bereichen erkennbare Digitalisierungsschub erfasste hierdurch auch Vereine und Kapitalgesellschaften, deren Mitglieder/Gesellschafter die neu gewonnenen Freiheiten auch nach Auslaufen der COVID-19-Regelungen nicht missen wollten und entsprechende Satzungsänderungen in die Wege leiteten.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Beschluss des OLG Hamm aus der Zeit gefallen. Während das Gericht einen wenig praktikablen Ansatz verfolgt und ohne detaillierte Satzungsregelung zu virtuellen Versammlungen die Aushöhlung von Mitgliedschaftsrechten befürchtet, trifft der Gesetzgeber den Puls der Zeit: So bestehen für Vereine seit kurzem gesetzlich geregelte Möglichkeiten zur Einberufung von virtuellen Mitgliederversammlungen. Nach dem insofern geänderten § 32 BGB können hybride Versammlungen einfach durch das zur Einberufung zuständige Organ nach dessen Ermessen abgehalten werden. Mithin ist also zumindest für hybride Versammlungen genau das vorgesehen, was das OLG Hamm offensichtlich für unzumutbar erachtete.

Soll eine Versammlung rein virtuell stattfinden, so kann dies künftig durch Beschluss der Mitglieder entschieden werden (hierzu berichteten wir schon: https://www.fgvw.de/neues/gesetzesaenderung-hybride-und-virtuelle-versammlungen-bei-vereinen-und-stiftungen). Die Versammlung ohne physische Teilnahmemöglichkeit wollte der Gesetzgeber folglich nicht allein der Entscheidung des Einberufungsorgans überlassen – aufgrund des damit verbundenen Entzugs der „Normalform“ der Versammlung nachvollziehbarerweise.

Auch für Kapitalgesellschaften sind virtuelle Versammlungen mittlerweile im Gesetz verankert worden – wenn auch mit anderen Voraussetzungen: Bei der Aktiengesellschaft erfordern virtuelle Hauptversammlungen beispielsweise eine Regelung in der Satzung (samt gesetzlich vorgegebenem Regelungskatalog), wohingegen bei der GmbH für die Abhaltung virtueller Gesellschafterversammlungen die Zustimmung aller Gesellschafter in Textform genügt (vgl. hierzu https://www.fgvw.de/neues/archiv-2022/virtuelle-gesellschafterversammlung-in-der-gmbh-neuregelung-im-gmbhg). Allen Gesellschaftsformen gemein ist, dass eine detaillierte Satzungsregelung – sei sie nun erforderlich wie im Fall der AG, oder nur ratsam wie im Fall der GmbH – für Rechtssicherheit sorgt. So kann beispielsweise bei der GmbH ein einziger Gesellschafter auf gesetzlicher Grundlage virtuelle Gesellschafterversammlungen verhindern – das ist in den seltensten Fällen interessengerecht. Vor diesem Hintergrund sind die vielfältigen gesetzlichen Neuregelungen zu virtuellen Versammlungen sicherlich zeitgemäß und zu begrüßen – sie machen eine sorgfältig gestaltete Satzungsregelung jedoch nicht entbehrlich.

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