Einleitung

Das Phänomen der „Messergewalt“Footnote 1 beschäftigt seit geraumer Zeit kriminalpolitische Debatten (Rausch et al. 2022), wobei schwere Gewaltdelikte unter Einsatz von Messern oftmals verbunden mit der Frage nach einer etwaigen Zunahme solcher Taten diskutiert werden (z. B. Spiegel Online 2022; Die Welt 2021). Daran anknüpfend wird im politischen Kontext als Reaktion auf derartige Straftaten immer wieder die Einführung sog. Waffenverbotszonen debattiert (Ministerium des Inneren und für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg 2022).

Inzwischen führt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundes erstmals das Phänomen „Messerangriffe“ separat auf, das definiert wird als „Tathandlungen, bei denen der Angriff mit einem Messer unmittelbar gegen eine Person angedroht oder ausgeführt wird. Das bloße Mitführen eines Messers reicht hingegen für eine Erfassung als Messerangriff nicht aus“ (Bundeskriminalamt 2022, S. 12). Demnach kam es im Jahr 2021 bundesweit zu 10.917 Messerangriffen; der Anteil der Messerangriffe an GewaltdeliktenFootnote 2 insgesamt wurde mit 6,6 % beziffert. Auch die PKS des der Untersuchung zugrunde liegenden Erhebungslandes Rheinland-Pfalz weist inzwischen Messerangriffe aus, wobei Daten aus den Jahren 2021 und 2020 ausgewertet werden können (Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz 2022): Danach kam es im Jahr 2020 zu 600 Messerangriffen, im Jahr 2021 wurden 491 Messerangriffe gezählt; das entspricht einem Anteil von 7,3 % (2020) bzw. 6,9 % (2021) an allen Gewaltdelikten in Rheinland-Pfalz.

Stand der empirischen Forschung

Trotz anhaltender gesellschaftspolitischer Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Messergewalt hat es im nationalen Forschungskontext bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren (Rausch et al. 2022). Neben vereinzelter empirischer Forschung zum Mitführen von Messern, bei der beispielsweise eine delinquente Peergruppe oder der Konsum illegaler Drogen als mögliche Einflussfaktoren angeführt wurden (Baier et al. 2018; Baier und Bergmann 2018), und Stellungnahmen zu sanktionsrechtlichen Fragestellungen (Schröder 2021) widmete sich einzig die hiesige Forschungsgruppe in einer ersten Studie dem Einsatz von Messern bei Gewaltdelikten (Rausch et al. 2022). Dabei wurde deutlich, dass die Narrative der medialen und politischen Diskussion wie z. B. das eines dramatischen Anstiegs der Messergewalt nicht bestätigt werden konnten. Trotz dieser ersten Befunde lassen die nationalen Forschungserkenntnisse jedoch bisher kaum Rückschlüsse auf Risikofaktoren, Tätermotivationen oder Tatcharakteristika von Messergewalt zu.

Ausführlicher haben sich hingegen Forscher:innen aus anderen Ländern, insbesondere aus Großbritannien, mit der Thematik beschäftigt. Demnach trete Messergewalt als Deliktsphänomen auf, das insbesondere durch männliche Personen (McNeill und Wheller 2019) und dabei v. a. durch Jugendliche bzw. junge Erwachsene begangen werde (Haylock et al. 2020). So waren nach Bailey et al. (2020) etwa 60 % der Täter:innen zwischen 16 und 34 Jahre alt. Als ein Risikofaktor für die Beteiligung an Messergewalt wird fehlende Schulbildung genannt (McNeill und Wheller 2019). Zudem betreffe Messergewalt überwiegend Personen aus sozioökonomisch benachteiligten Gesellschaftsschichten, wobei die subjektive Wahrnehmung einer relativen materiellen Ungleichheit und ökonomische Inaktivität maßgebliche Rollen spielten (Haylock et al. 2020).

Interessanterweise zeigte sich bei den Täter:innen gehäuft ein wechselseitiger Einfluss zwischen dem Ausüben von (Messer‑)Gewalt und eigenen Viktimisierungserfahrungen in diesem Deliktbereich (Grimshaw und Ford 2018). Das Potenzial eigener Gewaltopfererfahrungen als Risikofaktor für (Messer‑)Gewalt wurde deshalb auch immer wieder hervorgehoben (Haylock et al. 2020), wobei nicht nur belastende („adverse childhood experiences“ [ACE]; McNeill und Wheller 2019) und gewaltassoziierte Kindheitserfahrungen im familiären Kontext, sondern auch Gewalterlebnisse im weiteren (sozialen) Umfeld eine Rolle zu spielen schienen (Grimshaw und Ford 2018). Als Motiv hinter der Entwicklung vom Opfer zur/zum Täter:in stände möglicherweise das Bedürfnis nach Selbstschutz, aber auch nach Respekt, so Grimshaw und Ford (2018). Dazu passend seien Täter:innen im Bereich der Messergewalt häufig schon in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten (Bailey et al. 2020). Generell wurde konstatiert, dass sich Messergewalt überwiegend im sozialen Nahraum abspiele (Harding 2020). Dabei handele es sich bei männlichen Opfern dieser Taten überwiegend um Freunde bzw. Bekannte, bei weiblichen Opfern dagegen häufig um (ehemalige) Partnerinnen (Cook und Walklate 2020).

Neben sozial- und gewaltbiografischen Aspekten wurden psychische Beeinträchtigungen im Kontext der Messergewalt als tatrelevante Faktoren eingestuft (Haylock et al. 2020). So wurde in mehreren Arbeiten ein Zusammenhang zwischen einer psychischen Erkrankung des bzw. der Täter:in und dem Einsatz von Messern als Tatmittel berichtet (Catanesi et al. 2011; Rodway et al. 2009). Auch auf eine Historie psychischer Vorbelastungen und einschlägiger Klinikaufenthalte wurde in diesem Zusammenhang verwiesen (Catanesi et al. 2011). Ebenso wurde der Konsum von Alkohol und Drogen mit Messergewalt in Verbindung gebracht (Grimshaw und Ford 2018), wobei sowohl Suchtmittelkonsum in der biografischen Vorgeschichte als auch der Einfluss von Suchtmitteln unmittelbar im Zuge der Tatbegehung eine Rolle spielten; der Konsum von Alkohol war dabei stärker vertreten als der Konsum anderer psychotroper Substanzen (Catanesi et al. 2011). Insgesamt wurde betont, dass v. a. das kumulative Zusammentreffen mehrerer Risikofaktoren die Begehung von messerbezogener Gewaltdelinquenz erklären könne (Haylock et al. 2020).

Fragestellung und Zielsetzung der Studie

Die Erkenntnisse der ersten Untersuchung unserer Arbeitsgruppe zu diesem Thema (Rausch et al. 2022) zeigten die Notwendigkeit weiterer Differenzierung insbesondere hinsichtlich der Täter-Opfer-Beziehung und Aspekten der psychischen Gesundheit. Anknüpfend an Erkenntnisse, die der internationalen Fachliteratur spezifisch zu Messergewalt, insbesondere hinsichtlich Sozialdaten, Gewalttatverhalten und Viktimisierungserfahrungen, ebenso wie psychischer Gesundheit, zu entnehmen waren, stellte sich außerdem die Frage, inwiefern diese Erkenntnisse gleichermaßen für Messergewalt in Deutschland herangezogen werden können. Daher wurden in der vorliegenden Studie entsprechend den beschriebenen Erkenntnissen unterschiedliche Sozialdaten sowie täter- und tatbezogene Variablen ausgewertet. Dabei wurden die beiden Subgruppen der Gewalt ohne Messereinsatz und der Messergewalt hinsichtlich der Variablen miteinander verglichen. Da im nationalen Kontext kaum Forschung zu Messergewalt existiert und Erkenntnisse aus dem internationalen Kontext nicht unmittelbar übertragen werden können (Haylock et al. 2020), wurde ein primär exploratives Vorgehen gewählt.

Methode

Stichprobe

Die Untersuchungsgruppe umfasste n = 452 Personen, die wegen mindestens eines Falls schwerer Gewaltkriminalität in Rheinland-Pfalz abgeurteiltFootnote 3 wurden und deren Aburteilung in den Kalenderjahren 2013 oder 2018 Rechtskraft erlangte. Etwaige mehrere Tathandlungen wurden dabei in einem Urteil zusammengefasst. Bei 2 Personen kam es im relevanten Zeitraum zu 2 rechtskräftigen Aburteilungen, die jeweils einzeln zur Untersuchungsgruppe gezählt wurden.

Die Gruppe der abgeurteilten Personen setzte sich aus 37 weiblichen und 415 männlichen Personen zusammen und war im Mittel M = 30,42 Jahre alt, wobei das Alter zwischen 14 und 90 Jahren variierte (SD = 13,598). Als eingeschränkt schuldfähig (§ 21 StGB) oder schuldunfähig (§ 20 StGB) wurden 58 Personen eingestuft. Die den Aburteilungen jeweils zugrunde liegenden Delikte können Tab. 1 entnommen werden. Als Messergewalt wurden 13,9 % (n = 63) der Aburteilungen subsumiert, die Subgruppe der schweren Gewalt ohne Messereinsatz bestand dementsprechend aus 389 Aburteilungen. Die der Studie zugrunde gelegte Definition von „Messergewalt“ entspricht dabei der oben dargelegten Definition der PKS für das Phänomen „Messerangriffe“.

Tab. 1 Deliktsverteilung bei den Aburteilungen (jeweils schwerstes Delikt; vollendete und versuchte Delikte)

Erhebungsmethode

Grundlage der Vergleichsuntersuchung bildeten Daten, die das Ministerium der Justiz Rheinland-PfalzFootnote 4 erhoben und der Forschungsgruppe zur Verfügung gestellt hatte (Rausch et al. 2022). Hierzu war eine Abfrage beim Bundeszentralregister zu Personen, deren Aburteilung aufgrund einer in Tab. 1 ausgewiesenen Straftat im Jahr 2013 oder 2018 Rechtskraft erlangt hatte, erfolgt. Daraufhin übermittelten die zuständigen Staatsanwaltschaften auf Anfrage des Ministeriums der Justiz Rheinland-Pfalz die jeweiligen Urteilstexte sowie Informationen aus dem staatsanwaltschaftlichen Fachverfahren web.sta. Anschließend glich die Forschungsgruppe im Weg der Dokumentanalyse die vorliegenden Daten mit den Urteilstexten ab. Aufgrund des geringen Informationsgehalts wurden Strafbefehle unberücksichtigt gelassen.

Anhand der verbleibenden Urteilstexte wurden weitere Variablen erhoben, die den Kategorien Sozialdaten, Gewalttatverhalten, Viktimisierungserfahrungen und psychische Gesundheit zugeordnet wurden. Bezüglich der Sozialdaten waren dies das Zusammenleben mit den Eltern bis zum 18. Lebensjahr, Bildungsgrad, Arbeitsverhältnis, Erhalt staatlicher Unterstützung und Beziehungsstatus; in die Kategorie Gewalttatverhalten und Viktimisierungserfahrungen fielen die Variablen Anzahl bisheriger Verurteilungen, Anzahl bisheriger Verurteilungen wegen eines Gewaltdelikts, Erleben elterlicher Gewalt, andere Gewaltopfererfahrungen, vorherige Gewalt gegen Familienmitglieder, vorherige Gewalt gegen den/die Partner:in, Familienmitglied als Opfer der verurteilten Tat, Partner:in als Opfer der verurteilten Tat, Freunde/Bekannte als Opfer, Opfer im beruflichen Kontext und Opfer aufgrund der Eigenschaft als Staatsvertreter:in (Polizei). Unter der Kategorie psychische Gesundheit wurden das Vorliegen psychischer Vorbelastungen, Klinikaufenthalte (aufgrund psychischer Erkrankung), problematischer Alkoholkonsum in der Vergangenheit, der Konsum anderer psychotroper Substanzen und das Eingangsmerkmal (§ 20 StGB) einer etwaigen Schuldunfähigkeit bzw. etwaiger eingeschränkter Schuldfähigkeit erhoben. Die Formulierung der Variablen ergab sich aus den Limitationen des zugrunde liegenden Datenmaterials: So ermöglichen Urteilstexte nicht, eine definitive Aussage über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Variable zu treffen, sondern lediglich über die Existenz entsprechender Hinweise (Leuschner und Hüneke 2016). Ein Teil der Variablen wurde daher nach dem in den Tab. 2, 3 und 4 dargestellten Operationalisierungsschlüssel dichotomisiert.

Tab. 2 Sozialdaten: deskriptive Statistiken der Variablen in Häufigkeiten oder Mittelwerten
Tab. 3 Gewalttatverhalten und Viktimisierung: deskriptive Statistiken der Variablen in Häufigkeiten oder Mittelwerten
Tab. 4 Psychische Gesundheit: deskriptive Statistiken der Variablen in Häufigkeiten

Statistische Analysen

Die statistischen Auswertungen wurden anhand SPSS-Version 27 (IBM, Armonk, New York, NY, USA) durchgeführt. Dabei wurde die unterschiedliche Ausprägung des jeweiligen Merkmals in der Subgruppe der Messergewalt im Vergleich zu dessen Ausprägung in der Subgruppe der Gewalt ohne Messer inferenzstatistisch untersucht. Die Vergleiche erfolgten in Abhängigkeit vom Skalenniveau des vorliegenden Datenmaterials. Mithilfe von t‑Tests wurden das Alter der rechtskräftig abgeurteilten Personen, die Anzahl bisheriger Verurteilungen insgesamt und wegen eines Gewaltdelikts auf Mittelwertunterschiede hin überprüft. Mittels Mann-Whitney-U-Test wurden die Unterschiede zwischen den Subgruppen hinsichtlich des Bildungsgrads untersucht. Die Zusammenhangsanalysen der kategorialen Variablen Beziehungsstatus, Erleben elterlicher Gewalt, andere Gewaltopfererfahrungen, vorherige Gewalt gegen Familienmitglieder sowie gegen die/den Partner:in, Partner:in als Opfer, Familienmitglied als Opfer, Staatsvertreter:in als Opfer sowie Schuldfähigkeit wurden anhand des Exakten Tests nach Fisher durchgeführt. Alle weiteren inferenzstatistischen Analysen erfolgten anhand von χ2-Tests. Um eine systematische Überschätzung der χ2-Statistiken auszuschließen, wurde bei allen χ2-Tests mit nur einem Freiheitsgrad die Kontinuitätskorrektur nach Yates angewandt. Die Überprüfung gerichteter Hypothesen im Kontext der Exakten Fisher- sowie χ2-Tests wurde, so zulässig, durchgeführt und dort, wo die Richtung des Häufigkeitsunterschieds hypothesenkonform war, inhaltlich interpretiert (Bortz und Schuster 2010). Für die signifikanten Ergebnisse wurde Cramers V als Effektstärkemaß berechnet, das Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann und nach Cohen (1988) folgendermaßen interpretierbar ist: Werte ab 0,1 entsprechen einem schwachen Effekt, Werte zwischen 0,3 und 0,5 entsprechen einem mittleren Effekt, und Werte ab 0,5 entsprechen einem starken Effekt.

Ergebnisse

Sozialdaten

Die deskriptiven Statistiken zu den Sozialdaten sind in Tab. 2 dargestellt. Wie der Tabelle zu entnehmen ist, war die Subgruppe der Messergewalt im Durchschnitt älter (M = 34,27; SD = 14,733) im Vergleich zu der Gruppe, die schwere Gewaltdelikte ohne Messereinsatz begangen hatte (M = 29,80; SD = 13,321). Der Unterschied zwischen den beiden Kriminalitätsgruppen war signifikant (t(df=450) = 2,435; p = 0,015), wobei die Effektstärke im mittleren Bereich lag (d = 0,331). Bei der Gruppe der Messergewalt fanden sich häufiger Hinweise auf das Zusammenleben mit den Eltern bis zum 18. Lebensjahr, wobei der Zusammenhang hochsignifikant (χ2(df=1) = 11,315; p < 0,000) und im kleinen bis mittleren Effektstärkebereich (Cramers V = 0,158) lag. Zwischen den beiden Subgruppen war weder ein deskriptiver (Md = 2) noch ein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der Bildungsabschlüsse feststellbar (U = 8037,000; p = 0,595). Auch hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses existierte kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen (p = 0,515), wohingegen sich in der Subgruppe der Messergewalt häufiger Hinweise auf den Erhalt staatlicher Unterstützungsleistungen fanden. Der Zusammenhang war statistisch hochsignifikant (χ2(df=1) = 5,897; p = 0,008), die Effektstärke gering (Cramers V = 0,114). Hinsichtlich des Beziehungsstatus konnte hingegen kein nennenswerter Effekt festgestellt werden (p = 0,758).

Gewalttatverhalten und Viktimisierungserfahrungen

In Tab. 3 sind die deskriptiven Statistiken hinsichtlich der gewalttatbezogenen und viktimisierungsbezogenen Variablen dargestellt. Die Betrachtung der Gewaltbiografien der beiden Täter:innengruppen ergab folgende Befunde: Bei der Subgruppe der Messergewalt wurden häufiger eindeutige Hinweise auf das Erleben elterlicher Gewalt festgestellt. Der Zusammenhang war statistisch signifikant (p = 0,023), der Effekt gering (Cramers V = 0,117). Auch fanden sich bei den wegen Messergewalt abgeurteilten Personen häufiger Hinweise auf andere Gewaltopfererfahrungen, das Ergebnis war hochsignifikant (p = 0,006), die Effektstärke gering (Cramers V = 0,146). Ebenso fanden sich in dieser Gruppe häufiger Hinweise auf vorherige Gewalttaten durch die Proband:innen gegenüber ihren Familienmitgliedern. Auch dieser Zusammenhang war statistisch hochsignifikant (p = 0,004) bei geringer Effektstärke (Cramers V = 0,171). Darüber hinaus lagen signifikant häufiger Hinweise auf vorherige Gewalt gegen den/die Partner:in vor (p < 0,000), die Effektstärke lag ebenfalls im geringen Bereich (Cramers V = 0,275). Trotz der gehäuften Gewalterfahrungen innerhalb der Gruppe der Personen, bei denen es zu Messergewalt kam, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Kriminalitätsgruppen und der Anzahl aller Verurteilungen vor dem Indexdelikt, t(df=450) = 0,664; p = 0,507. Auch unterschieden sich beide Gruppen nicht in der Anzahl an Verurteilungen wegen Gewaltdelikten vor dem Indexdelikt, t(df=450) = 0,425; p = 0,671.

Die Überprüfung der Indexdelikte zeigte ein ähnliches Bild wie die Betrachtung früherer Gewaltereignisse. In der Subgruppe der Messergewalt wurden häufiger Hinweise auf Familienmitglieder als Opfer der Indexdelikte festgestellt als bei der Gruppe der Gewalt ohne Messer. Der Zusammenhang war statistisch hochsignifikant (p < 0,000) bei geringer Effektstärke (Cramers V = 0,223). Darüber hinaus fanden sich signifikant häufiger Hinweise auf den/die Partner:in als Opfer des Indexdelikts (p < 0,000). Der Effekt lag dabei im mittleren Bereich (Cramers V = 0,357). Auch existierten in der Gruppe der Messergewalt häufiger eindeutige Hinweise auf Opfer aus dem Freundes- und Bekanntenkreis als bei den Täter:innen von Gewalt ohne Messereinsatz. Der Zusammenhang war statistisch hochsignifikant (χ2(df=1) = 14,383; p < 0,000), wobei der Effekt gering war (Cramers V = 0,178). Demgegenüber konnte kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Kriminalitätsart (mit vs. ohne Messereinsatz) und Hinweisen auf Opfer im beruflichen Kontext, χ2(df=1) = 2,483; p = 0,115, noch zwischen der Kriminalitätsart und Hinweisen auf Opfer aufgrund der Eigenschaft als Staatsvertreter:in (d. h. das Delikt fand an Tatorten statt, in denen die Opfer aus beruflichen Gründen in ihrer Funktion als Vertreter:innen des Staates anwesend waren; p = 0,143) festgestellt werden.

Psychische Gesundheit

Die deskriptiven Statistiken zu den Merkmalen aus dem Bereich psychische Gesundheit finden sich in Tab. 4. In der Subgruppe der Messergewalt wurden häufiger Hinweise auf psychische Vorbelastungen festgestellt, wobei der Zusammenhang statistisch hochsignifikant war (χ2(df=1) = 9,079; p = 0,002), der Effekt war als gering ausgeprägt einzustufen (Cramers V = 0,142). Außerdem fanden sich in der Gruppe der Messergewalt häufiger Hinweise auf vorherige Klinikaufenthalte. Der Zusammenhang war ebenfalls statistisch signifikant, χ2(df=1) = 16,057; p < 0,000, bei geringer Effektstärke (Cramers V = 0,188). Bei den Urteilen aufgrund von Messergewalt lagen zudem häufiger Hinweise auf ein problematisches Konsumverhalten hinsichtlich Alkohols vor, der Zusammenhang war statistisch signifikant (χ2(df=1) = 5,888; p = 0,075), der Effekt gering (Cramers V = 0,114). Kein statistisch signifikanter Zusammenhang bestand hingegen zwischen der Untersuchungsgruppe und dem Konsum anderer psychotroper Subtanzen in der Vergangenheit (χ2(df=1) = 2,728; p = 0,131). Allerdings wurden in der Subgruppe der Messergewalt häufiger Hinweise auf ein gemischtes Konsumverhalten (verschiedene psychotrope Substanzen) in der Vergangenheit festgestellt, wobei der Zusammenhang statistische Signifikanz, χ2(df=1) = 5,126; p = 0,012, mit geringem Effekt (Cramers V = 0,106) aufwies. Die Häufigkeiten des Konsums diverser Suchtstoffe sowie die Häufigkeit von Mischkonsum in den jeweiligen Subgruppen finden sich in Tab. 5.

Tab. 5 Konsumierte Suchtstoffe – Hinweise auf Konsum in der Vergangenheit

Als letzte Variable im Bereich der psychischen Gesundheit wurde die Bewertung der Schuldfähigkeit in den beiden Deliktgruppen verglichen. Zwischen der Schuldfähigkeitsbeurteilung und der Kriminalitätsart bestand ein statistisch hochsignifikanter Zusammenhang (p < 0,001), wobei der Effekt wiederum im geringen Bereich lag (Cramers V = 0,210). Die Auswertung der berücksichtigen Eingangsmerkmale nach § 20 StGB ergab, dass in 27,6 % der Fälle die Einsichtsfähigkeit und in 77,6 % der Fälle die Steuerungsfähigkeit als eingeschränkt bzw. fehlend eingestuft wurde, wobei in 93,1 % eine krankhafte seelische Störung angenommen wurde (Intelligenzminderung = 1,7 %; tiefgreifende Bewusstseinsstörung = 3,4 %; schwere andere seelische Störung = 5,2 %). Dabei handelte es sich in der Subgruppe der Messergewalt in 17,6 % der Fälle um eine akute krankhafte seelische Störung, z. B. eine Intoxikation (Gewalt ohne Messer = 31,6 %), in 58,8 % der Fälle um eine langfristige krankhafte seelische Störung, z. B. eine chronische psychische Erkrankung (Gewalt ohne Messer = 52,6 %) und in 23,5 % der Fälle um ein kumulatives Zusammentreffen von akuter und langfristiger krankhafter seelischer Störung (Gewalt ohne Messer = 15,8 %).

Diskussion

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass zwischen Personen, die schwerwiegende Gewaltdelikte mit Messereinsatz, und solchen, die Gewaltdelikte ohne Messereinsatz begangen hatten, Ähnlichkeiten mit Blick auf die Sozialdaten, aber auch Unterschiede insbesondere hinsichtlich der gewaltbezogenen Vorbelastung und der psychischen Gesundheit existieren. Entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu Messergewalt in Großbritannien (Grimshaw und Ford 2018) konnte in der vorliegenden Arbeit hinsichtlich des sozioökonomischen Status (Bildungsgrad, Arbeitsverhältnis) der Täter:innen kein Zusammenhang mit dem Gewaltdelikttyp festgestellt werden. Allerdings muss beachtet werden, dass diesbezügliche Informationen aus dem zugrunde liegenden Datenmaterial z. T. schlicht nicht hervorgingen. Da dieser Aspekt dementsprechend nur schwer zuverlässig aufklärbar war, kann nur mit Vorsicht die Annahme formuliert werden, dass sich die Tätergruppen, die aufgrund von Messergewaltdelikten straffällig in Erscheinung treten, in Deutschland und Großbritannien offenbar unterscheiden. Auffällig ist, dass Hinweise auf das Zusammenleben mit den Eltern bis zum 18. Lebensjahr, was als Indikator für eine intakte elterliche Bindung und damit nach Haylock et al. (2020) als Schutzfaktor interpretiert werden könnte, häufiger bei Täter:innen von Messergewalt vorzufinden waren. Durch das Zusammenleben ergaben sich allerdings zwangsläufig auch mehr Möglichkeiten für negative Einflüsse: So fanden sich bei den Fällen von Messergewalt häufiger Hinweise auf das Erleben elterlicher Gewalt, wodurch die Interpretation als Schutzfaktor – zumindest für alle Fälle – wiederum relativiert werden musste.

Die Gewalttäter:innen mit Messereinsatz waren durchschnittlich älter, was im Kontrast zur „Age-crime“-Kurve (Bock 2019) und wiederum auch im Kontrast zu Erkenntnissen bezüglich Messergewalt in Großbritannien (Bailey et al. 2020) steht. Allerdings finden sich in der internationalen Forschung zu Messergewalt auch vergleichbare Altersverteilungen (Park und Son 2018; Rodway et al. 2009). Mit Blick auf die Age-crime-Kurve könnten die vorliegenden Ergebnisse dahingehend interpretiert werden, dass sich Messergewalt mit steigendem Alter in den sozialen Nahraum verlagern könnte (Bock 2019). Dies wird in der vorliegenden Studie dadurch gestützt, dass ein Zusammenhang zwischen Messergewalt und Hinweisen auf Gewaltausübung vor dem Indexdelikt im sozialen Nahraum (Familie, Partner:in) ebenso wie Hinweisen auf Opfer der Indexdelikte aus dem sozialen Nahraum (Familie, Partner:in, Freunde/Bekannte) festgestellt werden konnte. Allerdings muss dies vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass der soziale Nahraum in den Messergewalt zugrunde liegenden Urteilstexten ggf. umfassender ausgeleuchtet wurde als bei anderen Delikten. Bemerkenswert ist aber jedenfalls, dass zwar die gesicherte Erkenntnis besteht, dass Gewalt generell überwiegend im sozialen Nahraum ausgeübt wird (Walter 2008), in der vorliegenden Untersuchung aber 2 Subgruppen der Gewalt miteinander verglichen wurden, von denen die der Messergewalt noch stärker im sozialen Nahraum zu verorten war als Gewaltdelikte ohne Messereinsatz, wodurch internationale wissenschaftliche Erkenntnisse zur Messergewalt bestätigt wurden (Catanesi et al. 2011; Harding 2020). Besonders relevant scheint hierbei der Zusammenhang von Messergewalt und Hinweisen auf Viktimisierungen des/der Partner:in sowie Hinweisen auf vorherige Gewalt gegen den/die Partner:in, woraus sich ableiten lässt, dass insbesondere Messergewalt besonders häufig in der engsten Beziehungsform – sozusagen dem Superlativ des sozialen Nahraums – auftritt. Zu dieser Erkenntnis kamen auch Cook und Walklate (2020), weshalb sie anmahnten, diesen Aspekt der Messergewalt in der öffentlichen Diskussion entsprechend zu berücksichtigen. Da Messergewalt häufiger im als außerhalb des sozialen Nahraums auftrat, kann gleichzeitig ein vergleichsweise großes Dunkelfeld angenommen werden (Walter 2008). Dies könnte wiederum ein potenzieller Erklärungsansatz dafür sein, dass in der vorliegenden Arbeit trotz Hinweisen auf Gewaltausübung in der Vergangenheit gegen Partner:in und Familienmitglieder kein Zusammenhang zwischen Messergewalt und vorherigen (Gewalt‑)Verurteilungen gefunden werden konnte. Ein weiterer möglicher Erklärungsansatz für den fehlenden Zusammenhang zwischen Messergewalt und vorherigen (Gewalt‑)Verurteilungen ist der Zusammenhang von Messergewalt und der eingeschränkten bzw. Schuldunfähigkeit der Täter:innen beim Indexdelikt sowie den Hinweisen auf ein problematisches Konsumverhalten hinsichtlich Alkohols, woraus wiederum auf eine Suchtproblematik im Zusammenhang mit §§ 20, 21 StGB geschlossen werden kann. Dies deutet darauf hin, dass möglicherweise auch in der Vergangenheit eine Verurteilung delinquenten Verhaltens an fehlender Schuldfähigkeit gescheitert sein könnte.

Neben vermehrten Hinweisen auf Gewaltausübungen im sozialen Nahraum durch die Täter:innen zeigten sich ähnliche Zusammenhänge auch für Gewalterfahrungen, in denen diese selbst Opfer waren. Dass die Subgruppe der Personen mit Messergewalt häufiger Hinweise auf das Erleben elterlicher Gewalt sowie anderweitiger Gewaltopfererfahrungen aufwies, korrespondierte dabei mit internationalen kriminologischen Befunden zur Messergewalt (Haylock et al. 2020). Auch die Hinweise auf eine erhöhte psychische Vorbelastung sowie ein problematisches Konsumverhalten von Alkohol, wie auch die Hinweise auf den Konsum mehrerer psychotroper Substanzen, werden von bestehenden kriminologischen Erkenntnissen unterstützt (Catanesi et al. 2011; Grimshaw und Ford 2018). Insbesondere das Zusammenspiel der 3 Faktoren eigene Viktimisierungserfahrungen, Substanzkonsumprobleme und psychische Auffälligkeiten wurde in vergangenen Studien häufig aufgezeigt. So können Gewaltopfererfahrungen in der Kindheit und Jugend die psychische Gesundheit und Suchtproblematiken negativ beeinflussen, die wiederum mit delinquenzassoziierten Biografien in Verbindung gebracht werden können (Felitti et al. 1998; Browne et al. 2022). Auch kann der Konsum von Alkohol und anderen psychotrop wirkenden Substanzen das Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, erhöhen (Osuafor und Okoli 2019), wodurch es wiederum vermehrt zu Gewaltopfererfahrungen kommen kann.

Dass sich in der Subgruppe der Personen mit Messergewalt häufiger Hinweise auf psychische Vorbelastungen und Klinikaufenthalte sowie ein Zusammenhang zur Schuldunfähigkeitseinstufung fanden, kann ebenfalls auf Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren hindeuten (Cook und Walklate 2020; Haylock et al. 2020). Dafür spricht auch eine nähere Betrachtung der Schuldunfähigkeitsbegründungen: Dort wurde wiederholt u. a. explizit auf durch den Konsum von Suchtmitteln ausgelöste Verhaltensstörungen verwiesen. Ebenso erscheint in diesem Kontext vorstellbar, dass es im Wege der Selbstmedikation zu einem erhöhten Substanzkonsum kommt (Browne et al. 2022). Relevanz hat das Zusammenspiel dieser Faktoren wohl darüber hinaus mit Blick auf die ausgeübte Gewalt (Grimshaw und Ford 2018): So kann das gesteigerte Eskalationsmaß, das Gewaltdelikten mit Messereinsatz innewohnt (Rodway et al. 2009; Browne et al. 2022), möglicherweise durch eine durch den Einfluss von Suchtmitteln und psychischen Erkrankungen reduzierte Hemmschwelle erklärt werden. Dahingehend könnte außerdem eine Rolle spielen, dass Messergewalt sich überwiegend im sozialen Nahraum abspielte, da hier grundsätzlich weniger (informelle und formale soziale) Kontrollmechanismen wirken. Auch der Befund der vorliegenden Studie, dass sich bei der Subgruppe der Personen mit Messergewalt häufiger Hinweise auf psychische Vorbelastungen und Klinikaufenthalte fanden, korrespondierte mit früheren wissenschaftlichen Studien (z. B. Catanesi et al. 2011). Damit im Einklang steht der Befund, dass Messergewalt mit der Einstufung als schuldunfähig bzw. eingeschränkt schuldfähig zusammenhängt. Betrachtet man die Eingangsmerkmale (§ 20 StGB) genauer, so steht in der vorliegenden Stichprobe die krankhafte seelische Störung im Vordergrund. Mit Blick auf die Schuldunfähigkeitsbegründungen wird aber deutlich, dass diejenigen Delikte, die einen psychischen Extremzustand nahelegen – wie bei Tötungs- und gravierenden Körperverletzungsdelikten angenommen werden kann – ausschließlich mit psychischen Erkrankungen oder einer akuten Alkoholintoxikation in Verbindung standen, während solche (bei Messergewalt selteneren) Delikte, die u. a. im Kontext der Beschaffungskriminalität stehen können – wie Diebstahl mit Waffen und schwerer Raub – ausnahmslos mit dem Konsum von Suchtmitteln einhergingen. Damit korrespondierte der Befund, dass zwischen Messergewalt und den Hinweisen auf eine Drogenkonsumvergangenheit kein signifikanter Zusammenhang gefunden wurde, was wiederum ebenfalls mit bestehenden Erkenntnissen im Einklang steht (Rodway et al. 2009). Somit wird deutlich, dass Messergewalt ganz überwiegend keine typischen Fälle der Beschaffungskriminalität darstellt, sondern oftmals den Höhepunkt einer Eskalationsspirale bei Delikten bildet, die sich durch eine vergleichsweise enge und jedenfalls tatrelevante Vordeliktbeziehung auszeichnen.

Fazit

Zusammenfassend deuten die Ergebnisse der Studie darauf hin, dass sich die Täter:innen von Messergewalt nicht unter sozioökonomischen Gesichtspunkten, allerdings im Hinblick auf unterschiedliche Tatbegehungsmerkmale und hinsichtlich von Aspekten der psychischen Gesundheit von Täter:innen schwerwiegender Gewaltdelikte ohne Messereinsatz unterscheiden. Dabei scheinen sie sich überproportional häufig in einem – die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beeinträchtigenden – psychischen Ausnahmezustand zu befinden, durch den es zu einer Eskalation kommt. Diese Erkenntnis spiegelt sich häufig in den extremen Gewalttaten mit Messereinsatz wider, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen (z. B. Spiegel Online 2022). Allerdings zeigt sich auch ein Kontrast zu dem oftmals in der öffentlichen Diskussion gezeichneten Narrativ junger, gezielt vorgehender Täter:innen von Messergewalt (z. B. Bild 2018).

Aus den Erkenntnissen ergibt sich die kriminalpolitische Implikation, dass Präventionsstrategien verstärkt Personen mit Gewaltopfererfahrungen, psychischen Beeinträchtigungen und missbräuchlichem Substanzkonsum in den Blick nehmen sollten (Haylock et al. 2020). Dabei erscheinen weniger solche Maßnahmen, die an eine rationale Abwägung appellieren – wie beispielsweise Strafschärfungen oder Waffenverbotszonen – vielversprechend, sondern vielmehr solche, die – wie der Public Health Approach in Großbritannien (McNeill und Wheller 2019) – einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, da die hier beschriebenen Täter:innen von Messergewalt durch erstere Maßnahmen eher weniger erreichbar zu sein scheinen (Rodway et al. 2009). Darüber hinaus sollte angesichts der Tatsache, dass sich ein überwiegender Teil der Messergewalt im sozialen Nahraum abspielt und es vermehrt Hinweise auf entsprechende Gewaltausübungen im Vorfeld gibt, weiterhin ein verstärktes Augenmerk auf Gewaltprävention im häuslichen Bereich gelegt werden.

Limitationen

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie müssen allerdings einschränkend vor dem Hintergrund methodischer Limitationen betrachtet werden. Urteilstexte als zugrunde liegende Datenquelle ermöglichen lediglich Aussagen darüber, ob eine bestimmte Information im Urteil festgehalten wurde, nicht jedoch über das definitive Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tatsache (Leuschner und Hüneke 2016). Dabei kann der Informationsgehalt eines Urteilstextes unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob eine bestimmte Information im konkreten Strafverfahren als relevant erachtet wurde. So muss davon ausgegangen werden, dass bei gravierenderen Delikten – die häufiger in der Subgruppe der Personen mit Messergewalt vorzufinden waren – die Hintergründe der Tatbegehung umfassender berichtet werden als bei weniger schwerwiegenden Delikten. Somit konnte das Vorliegen der jeweiligen Variablen nur im Sinne von „Hinweise auf“ oder „fehlende Hinweise auf“ erhoben werden. Einer rechtskräftigen Aburteilung gehen außerdem diverse Filter voraus (Bock 2019), weshalb die hiesigen Daten nur begrenzt mit denen der PKS vergleichbar sind. Jedoch liegt in der gewählten Vorgehensweise der Vorteil, dass anhand gesicherter Erkenntnisse durch die Letztbewertung unabhängiger Gerichte eine Datenbasis untersucht werden konnte, die über den bloßen Verdacht hinausgeht. Aufgrund der geografischen Beschränkung auf ein Bundesland konnte nur eine relativ kleine Stichprobe untersucht werden, sodass die Überprüfung der Ergebnisse anhand einer größeren, idealerweise bundesweiten Stichprobe wünschenswert wäre. Zukünftige Forschung zu Messergewalt sollte sich außerdem der Untersuchung von Sanktionsaspekten sowie Fragestellungen zu Rückfallprognose und Rückfälligkeit widmen.