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Modellprojekt in Dresden : Die Schule der Zukunft?!

Noten und Lehrbücher gehören nicht zum Konzept der Universitätsschule. Stattdessen: fachübergreifende Projekte und individuelles Lernen. Kann das funktionieren?

24.07.2023
2024-03-14T09:54:53.3600Z
3 Min
Foto: picture alliance/dpa | S. Kahnert

Eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Lernen ist hier das Ziel: Schülerinnen der Universitätsschule Dresden beim Arbeiten an Mikroskopen.

Es ist schwül und sonnig an diesem Montagmorgen. Perfektes Wetter zum Start der sechswöchigen Sommerferien in Sachsen. Aber während die meisten endlich ausschlafen können oder ihre Badesachen fürs Freibad packen, beginnt an der Universitätsschule in Dresden ein normaler Schultag. Lediglich ein paar Schülerinnen und Schüler fehlen - sie haben Urlaub genommen.

An dieser Schule heißt es: Urlaub statt Ferien

Rund 40 Tage frei verfügbaren Urlaub im Schuljahr anstelle von Ferien haben die Kinder und Jugendlichen, die an der Universitätsschule lernen. Und das ist nur eine der vielen Besonderheiten, denn die Schule ist ein Schulversuch. Unter wissenschaftlicher Beobachtung der Technischen Universität Dresden (TU) werden dort innovative Formen des Lernens, Lehrens und Zusammenlebens erprobt. "Der Anspruch ist, dass alle Kinder gefördert werden, um sich individuell zu entwickeln. Die Schule muss den Raum dafür schaffen", sagt Schulleiterin Maxi Heß. Die große Frage hinter dem Pilotprojekt: Wie kann die Schule der Zukunft aussehen?

Eigenverantwortlich und selbstbestimmt sollen die Kinder und Jugendlichen an der Universitätsschule lernen. Um das zu unterstützen, gibt es keine Lehrbücher und keine Hausaufgaben. Auch gibt es keine festen Klassen, sondern jahrgangsübergreifende Lerngruppen und anstelle von Unterrichtsfächern fachübergreifende Projekte. Jeden Freitag gehen die älteren Kinder ins Praktikum und die jüngeren lernen außerhalb des Schulgebäudes, zum Beispiel im Schulgarten. Bis zur neunten Klasse werden keine Noten vergeben, die bekommen die Jugendlichen erst, um ihren Schulabschluss machen zu können.

Die Addition muss nicht zwingend vor der Subtraktion erlernt werden

Natürlich sei es auch an der Universitätsschule wichtig, dass Wissen vermittelt und bestimmte Kompetenzen verinnerlicht werden, sagt Anke Langner, Professorin der Erziehungswissenschaften an der TU, die das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet. Lerninhalte müssten jedoch nicht zwingend hintereinander unterrichtet werden, wie es Lehrbücher suggerieren. So würde normalerweise zuerst die Addition und anschließend die Subtraktion gelehrt. Es gäbe aber Kinder, die es andersherum verständlicher finden, sagt Langner.


„Am Ende ist es nicht wichtig, dass die Kinder Definitionen auswendig können, sondern dass sie leistungs- und arbeitsfähig sind.“
Maxi Heß, Schulleiterin

Um das individuelle Lernen zu ermöglichen, wurde der Lehrplan für die Universitätsschule in kleine Teile, sogenannte Lernbausteine gegliedert. Zu diesen Bausteinen finden die Kinder verschiedene Materialien vor, die sie eigenständig bearbeiten. Je älter die Schülerinnen und Schüler werden, desto häufiger stehen die Inhalte in digitaler Form zur Verfügung.

"Am Ende ist es nicht wichtig, dass die Kinder Definitionen auswendig können, sondern dass sie leistungs- und arbeitsfähig sind, wenn sie aus der Schule gehen", betont Heß. Unterstützt werden die Kinder von ausgebildeten Lehrkräften, die Lernbegleiter genannt werden. Sie erklären Hintergründe und beantworten Fragen.

Schulexperiment auf 15 Jahre angelegt

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Viele Schülerinnen und Schüler schätzen die Universitätsschule und sind entspannter als an "normalen Schulen". So auch Amy aus der achten Klasse. "In meiner alten Schule gab es viel Druck, ich hatte Angst etwas zu vergessen und die Lehrer waren viel strenger", sagt sie. Doch die Eigenverantwortung birgt auch Herausforderungen, findet Luisa, ebenfalls in der achten Klasse: "Manchmal hat man das Gefühl, nicht so viel zu lernen, da es keine Wiederholungen gibt. Wenn ein Baustein abgelegt ist, ist er fertig."

Auf 15 Jahre, also bis 2034, ist das Modellprojekt vorerst angelegt. Die Universitätsschule - ein riesiges Reallabor. Anders als bei anderen wissenschaftlichen Experimenten, dürfe dieser Versuch jedoch nicht scheitern, sagt Langner. Schließlich gehe es um die individuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.