Wahrheit, so könnte man formulieren, ist nichts anderes als ein Bündel eingefrorener Wahrnehmungsgewohnheiten. Berater und Coaches wären in diesem Fall „Möglichkeitsdealer“ und Perspektivenerweiterer, die dazu einladen, innerlich eine neue Vielfalt zu entdecken und neue Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Voraussetzung ist, dass ihr Gegenüber mitmacht, die eigenen eingefahrenen Muster erst einmal als solche erkennt und sich auf seine Innenwelt einlässt. Das ist nicht immer schön und manchmal ein durchaus schmerzhafter Prozess. Denn oft entdeckt man tief Verborgenes, das nicht ohne Grund am Meeresboden des Bewusstseins vor sich hin dämmert. Am Ende der Innenschau winken jedoch ungeahnte Freiheit und lebendigere Kommunikation. Was man dafür tun muss:
1. Sich dafür entscheiden den eigenen Blick auf die Welt zu reflektieren. Denn „Ich sehe was, das Du nicht siehst“ spielen wir eigentlich noch heute. Wir alle schauen mit unserer ureigenen Brille oder, psychologisch ausgedrückt, mit unserem Bezugsrahmen auf die Welt. Der nämlich beinhaltet ein ganzes Set an Vorannahmen, Erwartungen, Festlegungen, Deutungsmustern und Bewertungen. Meist unbewusst zusammengebastelt aus prägenden Erfahrungen in wichtigen Beziehungen, durch Erziehung, Schule und Ausbildung. Nur wer seinen Bezugsrahmen aber kennt, kann ihn auch erweitern. Durch neue Erfahrungen z.B. und vor allem durch neuartige Beziehungen.
2. Sich auf Emotionen einlassen. Ein Bezugsrahmen ist identitätsprägend. Den lässt man daher nicht so leicht los. Selbst wenn die Fakten eigentlich dafür sprächen. Das wird besonders dann klar, wenn wir höchst emotional und abwehrend auf Unbekanntes und Fremdes reagieren statt uns mit angemessener Neugier zu nähern. Mit reinen Fakten unsere Innenwelt verändern zu wollen, ist daher ein schwieriges Unterfangen. Sonst könnten wir Neues ja einfach zur Kenntnis nehmen, erforschen, wo wir bislang vielleicht innerlich zu fixiert waren und dann locker unsere Bezugsrahmen erweitern und die viel beschworenen Mindshifts hinlegen. Individuell wie kollektiv. Viel von unserem Rahmen ist uns jedoch gar nicht über die Ratio zugänglich, sondern z.B. tief im Körper codiert. Schwierige Erfahrungen werden oft so tief „abgelegt“, dass sie nicht ohne Weiteres wieder zugänglich sind. Traumaforscher und Körpertherapeuten wissen das, und die Arbeit mit dem „Somatischen“, dem Körperlichen, erfährt deshalb gerade eine Renaissance.
3. Im Innen vielschichtiger werden und dabei Unsicherheit riskieren. Sobald wir verstehen, dass unsere Rechthaberei, unser Wunsch nach Eindeutigkeiten und nach einfachen Lösungen aus unserem tiefsten Inneren befeuert wird, könnten wir Gnade walten lassen. Mit uns selbst und anderen. Und uns auf die Reise zu einem „Identitäts-Update“ machen. Dann wäre uns klar, dass persönlich wachsen auch heißt, sich mit Unsicherheit zu konfrontieren. Und dass es bedeutet, sich mit geschichteten, uneindeutigen Wahrheiten zu befassen. Dass es verlangt Graubereiche zuzulassen und dermassen komplexe Kontexte zu erfassen, dass es uns zwischendurch immer mal wieder schwindelt.
Der Welt würde es wahrscheinlich gut tun. Uns natürlich auch. Wie und wo man das lernen kann? An vielen Stellen. Allerdings nicht theoretisch. Und möglichst mit einem Begleiter. Mit einem, der etwas weiß über die Logik menschlicher Weiterentwicklung und vor allem mit einem, der auch selbst nicht zurückschreckt vor dem Schritt ins offene Feld. Ein guter Berater und Coach macht daher keine Intervention. Er ist eine. Denn, so schreibt Klaus Eidenschink auf dem Metatheorie-Portal: Die Freiheitsgrade (des Beraters) die Vielfalt der Welt zu sehen, bestimmen immer auch die Möglichkeiten, die er dem Kunden zur Verfügung stellen kann. (kib)
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