Gastbeitrag: Konstantin Kuhle - Für ein Waffenrecht mit Augenmaß
Die Corona-Pandemie mit den erst langsam eintretenden Lockerungen von Kontaktbeschränkungen hat auch erhebliche Auswirkungen auf den Schießsport in Deutschland. Während Schützenfeste und Schießwettbewerbe normalerweise einen festen Platz im sommerlichen Veranstaltungskalender innehaben, stehen die Beteiligten dieses Jahr vor teils existenzbedrohenden finanziellen und organisatorischen Herausforderungen. In einer solchen Situation sollte die Politik eigentlich darauf bedacht sein, die Betroffenen zu entlasten und zu unterstützen.
Es ist deshalb mehr als unglücklich, dass zum 1. September 2020 auch die letzten Neuerungen des dritten Waffenrechtsänderungsgesetzes in Kraft treten.
In diesem Zuge wird das Nationale-Waffenregister (NWR) sowohl hinsichtlich des Kreises der Eintragungsverpflichteten als auch der einzutragenden Gegenstände ausgeweitet. Mehraufwand und Kosten entstehen vor allem für die etwa 4.100 Waffenhersteller und -händler in Deutschland. Zur Erinnerung: Allein für die Pflicht zur elektronischen Meldung geht die Bundesregierung von einmaligen Hersteller- und Händlerkosten in Höhe von rund 2,6 Mio. € sowie einem jährlichen Bürokratieaufwand von 1,3 Mio. € aus. Dieses Geld würde in Zeiten pandemiebedingter Umsatzeinbußen an anderer Stelle dringend gebraucht.
Die Reform des NWR ist neben vielen Punkten - genannt seien hier nur die verschärfte Bedürfnisprüfung sowie die Begrenzung der Magazingrößen - der vorläufige Schlusspunkt einer immer weiter zunehmenden Verschärfung des Waffenrechts. Dabei kann bezweifelt werden, ob die Maßnahmen in einer Gesamtschau auch tatsächlich dazu führen, den Missbrauch von Waffen zu verhindern. Deutschland verfügt bereits über eines der differenziertesten und härtesten Waffenrechte innerhalb Europas. Das ist vom Kerngedanken her auch richtig. Niemand wünscht sich US-amerikanische Verhältnisse. Wer jedoch sicherheitsrechtliche Aspekte lediglich als Vorwand dafür nutzt, den legalen Waffenbesitz in Deutschland zu erschweren und Waffenbesitzer unter Generalverdacht stellt, betreibt einen Etikettenschwindel. Denn die Erfahrung zeigt: Terroristen halten sich nicht an das Waffenrecht. Hauptadressat der Neuregelungen sind also nicht Kriminelle, sondern die rund zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger, die Schusswaffen besitzen und sich dabei gesetzestreu verhalten.
Die Politik sollte auch die Interessen dieser Menschen nicht unter den Tisch fallen lassen. Es muss genau beobachtet werden, ob die Bundesregierung ihr Versprechen einhält, dass Sportschützen, die große Magazine für die Teilnahme an Schießwettbewerben benötigen, auch tatsächlich eine Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 4 WaffG erhalten. Ein weiterer Fokus liegt auf der Sicherstellung der Datenqualität und -sicherheit des NWR. Indem das NWR Personen- und Waffendaten zusammenführt, entsteht ein hochsensibler Datensatz, der in den Händen Unbefugter ein erhebliches Sicherheitsrisiko birgt. Durch den Ausbau des Systems wächst zwangsläufig auch die Gefahr potentieller Datenleaks, die den eigentlichen Zweck der Neuregelungen konterkarieren. Daneben muss garantiert sein, dass die Daten auch korrekt erfasst werden. Auf eine Nachfrage der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass von den Strafverfolgungsbehörden allein im Jahr 2019 1,9 Mio. Mal Daten aus dem NWR abgerufen wurden. Sind die Angaben im Register fehlerhaft, sieht sich der Waffenbesitzer mit ungerechtfertigten Maßnahmen und Sanktionen konfrontiert. Das gilt es zu verhindern.
Für eine Sicherheitspolitik, die ihren Namen verdient, muss in Zukunft zudem verstärkt der grenzübergreifende Kampf gegen den illegalen Waffenhandel auf die Agenda. Neben dem „klassischen“ Schmuggel – vorrangig aus Süd-Ost-Europa – vertreiben Mittelsmänner ihre Ware inzwischen vermehrt über Online-Plattformen mit anschließendem Postversand. Hier wird nur ein noch engerer europäischer Austausch der Sicherheitsbehörden helfen. Das ist vermutlich weniger populär als eine reflexhafte Verschärfung des nationalen Waffenrechts, greift das Problem jedoch an der Wurzel und wäre ein echter Fortschritt in der europäischen Sicherheitsarchitektur.
Konstantin Kuhle ist innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.
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