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"Mein Lebensrhythmus ist gleichmäßiger geworden und es entstehen Freiräume, um Neues auszuprobieren oder einfach Ruhe zu genießen."
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KulturSüdtirol: Wie erlebst Du die momentane Situation?
Christian Straub: Die aktuelle Situation hat ja mehrere Dimensionen, die ganz unterschiedlich auf die Menschen einwirken. Da ist das Virus, das ein medizinisches Problem ist, dann ist da die Diskussion um das Virus, die zum Großteil eine politische ist und im Privaten oft auch eine sehr emotionale. Und dann ist da der Wirtschaftskreislauf, der eine massive Unwucht erfährt. Keiner weiß, was noch kommt, das Gefühl „wir haben es geschafft“ ist noch in weiter Ferne. Unsicherheit, Ängste, Wut, Unzufriedenheit, Frustration, all das ist momentan spürbar und auch oft laut. Aber da ist auch Innovation und Lust auf Veränderung. Noch etwas leise, aber ich bin zuversichtlich, dass sich neue Formen des Zusammenarbeitens und -lebens finden werden, die wieder mehr auf Solidarität und Gemeinschaft aufbauen.
Was hat sich für Dich in den vergangenen Monaten geändert?
Mein Leben hat sich in den letzten Monaten auf jeden Fall entschleunigt. Ich bin viel weniger unterwegs, verbringe mehr Zeit mit der Familie und neuen Projekten. Mein Lebensrhythmus ist gleichmäßiger geworden und es entstehen Freiräume, um Neues auszuprobieren oder einfach Ruhe zu genießen. Ich versuche, mich möglichst aus den düsteren und negativen Diskussionen raus zuhalten, nicht zu viele Gedanken in die fernere Zukunft zu investieren und übe mich im Annehmen vom dem, was um mich herum passiert und sich verändert. Das wirft auch immer wieder die Frage auf: Ist mein Leben so, wie es für mich passt und mache ich die Dinge, die mir wirklich wichtig sind? Die Antwort fällt immer wieder unterschiedlich aus, aber ich stell mir diese Frage viel häufiger als früher – auch deshalb, weil ich mehr Zeit für mich habe.
Was gibt Dir Kraft, was motiviert Dich?
Ich bin Optimist und habe das Glück, mit einem unkaputtbaren Grundvertrauen ins Leben gestartet zu sein, was nicht ausschließt, dass ich auch gelegentlich zweifle oder mit mir hadere. Ganz konkret hilft mir immer aufzuschreiben, was mich beschäftigt. Auch die Fotografie ist für mich ein Werkzeug, meine Umwelt genau zu beobachten, das Schöne zu entdecken und mich runterzufahren. Regelmäßiges Meditieren bringt mich mehr zu mir und ich versuche immer wieder, Abstand zwischen mir und den Ereignissen zu schaffen, um sie als das zu sehen, was sie sind und mich nicht mitreißen zu lassen.
Ein konkreter Tipp oder eine konkrete Empfehlung für unsere Leserinnen und Leser?
Ich finde es wichtig, sich jeden Tag klar zu machen, wie man ihn erlebt. Vieles von dem, was man über soziale Medien und Nachrichtenportale aufnimmt, entspricht nicht dem eigenen Erleben. Bedrohungen verlieren an Macht, wenn einem bewusst ist, welcher Aspekt davon für das eigene Leben im Moment relevant ist. Die geballte Information über das Weltgeschehen, die jeden Tag zur Verfügung steht lässt einen vielleicht zu schnell übersehen, was im eigenen Umfeld gut läuft. Darauf sollte man fokussieren, ohne das andere zu verdrängen. Es geht nicht darum, etwas schön zu reden, sondern um die Erkenntnis, dass es von meinem Blickwinkel abhängt, wie ich mich zu dem was passiert verhalte. Die Perspektive macht den Unterschied und viele Perspektiven geben ein facettenreicheres Bild. Für mich sind Fotografieren und Notieren die Tätigkeiten, die mir helfen, mich immer wieder zu orientieren und die Welt gern zu haben.
Wie (positiv oder negativ) blickst Du in die Zukunft?
Meine grundsätzliche Haltung ist positiv. Ich bin von der Innovationskraft und dem Ideenreichtum der Menschen überzeugt. Auch wenn die Krise momentan die Zukunftsperspektiven eher düster aussehen lässt, steckt doch auch viel Potential für einen Wertewandel in der aktuellen Situation. Ich bin gespannt, was in einem Jahr sein wird. Bestärkt werde ich auch durch meine zwei Kinder (11 und 9 Jahre), die brauchen eine Perspektive und haben sowieso einen grundsätzlich eher positiven Blick auf die Zeit, die vor ihnen liegt. Davon kann ich mich inspirieren lassen.
Danke, Christian!
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