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27.11.2020
Impressum
Guten Morgen aus Südtirol!
Heute ist Freitag, der 27. November 2020 und wir starten wieder mit Euch und der 27. Ausgabe unseres Newsletters gemeinsam in diesen Tag.

Oder anders gesagt:

I dag er det fredag, den 27. november. Vi starter dagen med jer og med den 27. udgave af vores nyhedsbrev.

Das war übrigens Dänisch. Denn unser heutiger Interviewgast lebt gut 1.300 Kilometer von Südtirol entfernt. Er lehrt als ordentlicher Professor an der Fakultät für Politische Wissenschaften der Universität Aarhus - und hat einen nicht alltäglichen, derzeit aber besonders interessanten Forschungsschwerpunkt: Vertrauen.

Ganz programmatisch sagt er: "Kontrolle ist gut. Vertrauen ist günstiger." Oder in Zahlen ausgedrückt: Etwa die Hälfte des Wohlstandes eines Landes stammt aus Bildung, aus intellektuellem Kapital. Ein weiteres Viertel aus physischem Kapital. Und das letzte Viertel? Ein Mysterium für Ökonomen. Höchste Zeit, darüber nachzudenken!

Übrigens: Heute lohnt sich die Lektüre bis zum Ende ganz besonders. Dort erfahrt Ihr nämlich, was Gert und ich zuletzt vor acht Monaten gemacht haben. Und seitdem nie wieder.

Euch eine anregende Lektüre und einen schönen Wochenausklang,
Benjamin und Johanna



(c) Foto: Lars Kruse, Aarhus University
 
Gert Tingaard Svendsen:
Vertraut auf Vertrauen. Aus gutem Grund.
KulturSüdtirol: Gert, wie erlebst Du die aktuelle Corona-Situation, wie betrifft sie Dich persönlich - und änderte sich etwas für Dich?

Gert Tingaard Svendsen: Corona macht das Leben schon schwieriger, mich persönlich betrifft es hier in Dänemark aber nicht wesentlich. Die größte Änderung im beruflichen Umfeld war für mich die verstärkte Nutzung von Online-Tools. Persönlich ist man weniger mit anderen Leuten zusammen, was für Dänen durchaus ziemlich hart ist - sie mögen es sehr, sich mit anderen zu treffen.

... und in diesem Zusammenhang eine zusätzliche Frage an Dich: Wem oder auf was vertraut jemand wie Du, der zum Thema Vertrauen forscht, in dieser Krise?

Ich vertraue darauf, dass Dänemark verhältnismäßig gut durch diese Krise kommt, weil es bei uns das höchste Niveau an gesellschaftlichem Vertrauen gibt. Gleichzeitig ist Korruption sehr selten. Darüber habe ich kürzlich übrigens einen Aufsatz veröffentlicht, den man unter diesem Link abrufen kann.

Was motiviert Dich und woraus schöpfst Du Kraft?

Draußen in der Natur unterwegs zu sein und Fitness allgemein sind ganz wichtig, um gesund zu bleiben.

Eine Empfehlung für unsere Leserinnen und Leser?

Draußen in der Natur unterwegs sein - und dazu ein gutes Hörbuch!

Wie positiv oder negativ blickst Du in die Zukunft? Was wird sich ändern, was bleibt?

Ich bin, trotz des wirklich ernsten Hintergrunds, ganz positiv gestimmt. Wir müssen aus diesen schlimmen Erfahrungen lernen. Bleiben wird mit Sicherheit die Nutzung von Videokonferenzen via Zoom oder Teams, was wiederum bedeutet, dass die Leute nicht mehr jeden Tag physisch in der Arbeit anwesend sein oder rund um die Welt für ein Meeting fliegen müssen. Online ist es leichter, mit Leuten in Kontakt zu bleiben. Das heisst zugleich weniger Verkehr, was Zeit und Resourcen spart - und das ist gut fürs Klima.

Danke, Gert!
Urlaubslektüre mit Meerblick
Meine erste Begegnung mit dem Thema "Trust" aus wissenschaftlicher Sicht. Vorne Gerts Buch, dahinter die Sejerø-Bucht. Eine solche Begegnung hatte nicht nur aus inhaltlichen Gründen ihren Reiz - verständlicherweise.
Die Universität Aarhus über Gert T. Svendsen
"He solved the puzzle of Denmark’s success, which had scholars and economists baffled for decades. The answer is simple: trust."
(c) Foto: Lars Kruse, Aarhus University
Benjamin über Gert
Für einen Dänemarkurlaub war ich auf der Suche nach einer passenden Urlaubslektüre. Im "Schwarzen Diamanten", der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, wurde ich fündig. Ein schlichtes Buch, etwa 100 Seiten für schlanke 49 Kronen 95. Der Titel: "Trust".

Rückblickend ist Gerts Buch sicherlich nicht nur ein hervorragender Einstieg in das Thema Vertrauen in Gesellschaft und Wirtschaft, sondern vermutlich auch der beste Schlüssel, um Dänemark als Land und Gemeinwesen zu verstehen. Und für jemanden wie mich, der zu dieser Zeit gerade seinen MBA absolvierte, ein umso wertvollerer Einblick - nämlich, dass Betriebs- und Volkswirtschaft eben nicht nur aus nackten Zahlen bestehen.

Kurzum: Das Buch wurde in einem Zug und noch im Urlaub gelesen. Und meine Begeisterung teilte ich dem Autor postwendend mit. Seitdem stehen wir in Kontakt miteinander.

Im März dieses Jahres, unmittelbar vor dem ersten Lockdown, hatten Johanna und ich dann Gelegenheit, ihn in seinem Aarhuser Universitätsbüro zu treffen - schließlich interessiert(e) mich brennend, warum ausgerechnet in Dänemark das gegenseitige Vertrauen so ausgeprägt ist. "The one million Dollar question!", wie Gert meinte. Um dann aber doch noch einige mögliche Gründe zu verraten. Einer davon: Die Wikinger vertrauten auf mündliche Abmachungen und verzichteten auf schriftliche Verträge. Die vertrauensvolle "Handschlagqualität" war geboren und wirkt bis heute nach.

Apropos Handschlag: Gert war tatsächlich der letzte, dem ich bis dato die Hand schüttelte. Wenige Tage nach unserem Besuch kam Corona und der Lockdown. Und seitdem ist, auch in Sachen "Handschlagqualität", leider vieles anders.
Zum Weiterlesen
Gert Tingaard Svendsen
Trust
Aarhus University Press ("Reflections")
49,95 DKK (und gratis als E-Book)

Über Gerts Forschungsgebiet "Vertrauen" wurde ein mehr als sehenswertes Video produziert, in dem er viele Zusammenhänge (und dänische Besonderheiten) anschaulich erläutert. Das Video ist unter diesem Link abrufbar.

Alle aktuellen Publikationen von Gert Tingaard Svendsen finden sich auf der Seite der Universität Aarhus.


(c) Foto: Lars Kruse, Aarhus University
Bis morgen, wir lesen uns!
https://kultursuedtirol.com/kultursuedtirol-im-november/
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