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Newsletter der beratergruppe ehrenamt
Ausgabe 38 - Februar 2022
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Inhalt
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1. Neuer Internetauftritt der beratergruppe ehrenamt
2. Fachartikel: Partizipation von Ehrenamtlichen in Organisationen ermöglichen
3. Den Sozialraum im Blick - Ein Online-Workshop
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Oliver Reifenhäuser
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Partizipation von Ehrenamtlichen in Organisationen ermöglichen
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Zu einem zeitgemäßen Verständnis von Ehrenamt gehört es, dass die Menschen, die sich ehrenamtlich für eine Organisation engagieren, nicht nur stille Arbeitskraft sein wollen, sondern darüber hinaus auch in ihren Organisationen und Projekten mitreden, mitgestalten und mitbestimmen wollen. Man spricht dabei gerne davon, dass Ehrenamtliche den Wunsch nach „Partizipation“ haben. Der Begriff "Partizipation" findet meist dann Verwendung, wenn es um eine gezielte Einflussnahme von Bürger*innen auf staatliche Institutionen bzw. politische und gesellschaftliche Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse geht. Oder auch, wenn über die aktive Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen an jugendpolitischen Themen und Fragestellungen gesprochen wird.
Wir wollen im Weiteren den Begriff Partizipation als Synonym verwenden für die erlaubte und gewünschte inhaltliche Einflussnahme von Ehrenamtlichen an der strategischen Ausrichtung und inhaltlichen Ausgestaltung der Organisationen und Projekten, für die sie engagiert sind.
Die bekannteste und auch die stärkste Form der Partizipation von Ehrenamtlichen ist es, wenn sie als ehrenamtliche Vorstände der Leitung und strategischen Führung des Vereins oder der gemeinnützigen Organisation (z. B. gGmbH) betraut sind. Darüber hinaus werden in vielen Organisationen auch nicht gewählte Ehrenamtliche, die in Leitungsfunktion sind, an Entscheidungsprozessen beteiligt bzw. sie verantworten ganz selbstverantwortlich einen eigenen Bereich. Die Partizipation von Ehrenamtlichen gibt es also formal schon.
Was aber ist mit den vielen anderen ehrenamtlich Engagierten, die weder im Vorstand noch in leitender Funktion sind? Welche Möglichkeiten der Partizipation gibt es für sie? Und braucht es das überhaupt?
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Was bringt Partizipation von Ehrenamtlichen für die Organisation?
Ehrenamtliche engagieren sich nicht nur für ein bestimmtes Thema, z. B. den Naturschutz oder die Rettung von Lebensmitteln oder für eine bestimmte Zielgruppe. Sie tun dies auch immer eingebettet in eine Organisation, in deren Namen oder in deren Auftrag sie aktiv sind. Es entsteht damit auch eine Art Beziehung zwischen den Ehrenamtlichen und ihrer Organisation. Die subjektive Wahrnehmung dieser Beziehung wird u.a. auch dadurch beeinflusst, inwieweit ein oder eine Ehrenamtliche*r sich von der Organisation informiert und einbezogen fühlt, also, inwieweit Partizipation ermöglicht wird. Dabei wirkt sich nicht nur die Anzahl der Partizipationsmöglichkeiten und der Grad der Einflussmöglichkeiten positiv auf das Bild aus, sondern auch die Art und Weise, wie "die Organisation" die Partizipation aktiv fördert und begleitet.
Oft sind es hauptberufliche Mitarbeiter*innen, die durch ihr bewusstes oder unbewusstes Denken und Handeln Partizipation zulassen oder verhindern. Je nachdem fühlen sich Ehrenamtliche ernst genommen und eingebunden oder auch ohnmächtig und begrenzt. Viele Ehrenamtliche haben mit dieser Ohnmacht und mit dieser Abgrenzung gar kein Problem. Denn dies heißt auch, weniger Verantwortung übernehmen zu müssen und schwierige Aufgaben und komplexe Themen den Hauptamtlichen überlassen zu können.
In vielen Organisationen ging und geht diese Aufteilung auch sehr gut, da sie für beide Seiten, also die Hauptberuflichen (bzw. ehrenamtlichen Vorstände und Leitungen) und die Ehrenamtlichen passend und auch komfortabel war.
Vielerorts zeigt sich aber nun, dass Hauptberufliche nicht mehr über die Zeit, die Kraft und z. T. auch nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen, die vielen Aufgaben und Herausforderungen in ihrer Organisation zu schaffen. Ehrenamtliche sollen stärker Verantwortung übernehmen und Dinge tun und entscheiden, die zuvor selbstverständlich Hauptberuflichen vorbehalten waren. Ehrenamtliche sollen in diesem Fall also nicht nur stärker partizipieren, es wird sogar von ihnen erwartet.
Manchmal werden aber auch schlicht die Projekte, in denen Ehrenamtliche engagiert sind, so groß, dass neue ehrenamtliche Leitungsstrukturen geschaffen werden müssen, die die meist hauptberufliche Leitung unterstützen. In der Praxis ist dies nicht ganz einfach. Müssen die neuen Leitungskräfte doch erst einmal die neue Rolle annehmen.
In jedem Fall stellt eine Verschiebung von Verantwortungs- und Mitbestimmungsgrenzen sowohl für die Organisation (bzw. die Projekte) als auch für die Ehrenamtlichen ein herausforderndes Lernfeld dar. Denn letztendlich kann Partizipation nur dann gelingen, wenn Macht und Verantwortung von der einen Seite abgegeben und von der anderen Seite auch angenommen wird bzw. angenommen werden kann. Nur dadurch wird das "Machtgefälle" kleiner, Partizipation ermöglicht und ein neues Miteinander kann entstehen.
Gerade in der Phase des Ausbaus und dem Erlernen einer partizipativen Zusammenarbeit brauchen alle Seiten neben der Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen, auch ein reflektiertes und souveränes Verhältnis zur eigenen beruflichen bzw. ehrenamtlichen Rolle. Es erfordert von den Hauptberuflichen auch Mut und die Bereitschaft, Dinge aus der Hand zu geben und damit nicht nur Macht, sondern auch Kontrolle abzugeben. Es braucht aber auch ehrliches Interesse an den Meinungen der Ehrenamtlichen und einen respektvollen Austausch "auf Augenhöhe". Und die Ehrenamtlichen müssen auch Lust haben, in Bereichen mitzuwirken, die unbekannt oder nur indirekt mit dem eigenen Arbeitsfeld zu tun haben, sowie die Bereitschaft, die ermöglichte Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit auch zu nutzen und solidarisch Interessen auch von anderen Ehrenamtlichen zu vertreten.
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Wie kann man den Grad der Partizipation erkennen?
Ein gutes Modell zur Einordnung von unterschiedlichen Partizipationsgraden haben G. Straßburger und J. Rieger entwickelt. Dieses Modell war eine gute Grundlage für das leicht abgewandelte Modell, das wir speziell auf die Partizipation von Ehrenamtlichen in Organisationen und Projekten entwickelt haben.
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Analog dem Ursprungsmodell gibt es auch hier nur 3 der 7 Stufen, die als Partizipation bezeichnet werden. Die Stufen 1-3 werden als Vorstufen der Partizipation gesehen. Die Stufe der Selbstverwaltung geht über den Begriff der Partizipation hinaus.
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Selbstbewertungsbogen zur Analyse des eigenen Partizipationsgrades
Nachfolgende Excel Tabelle wurde von uns entwickelt, um für unterschiedliche Entscheidungssituationen den jeweiligen Grad der Partizipation zuordnen zu können. Die Entscheidungssituationen sind hier abstrakt und allgemeingültig gehalten. Für eine reale Analyse in der Organisation könnten die einzelnen Fälle auch bei Bedarf übersetzt oder konkretisiert werden.
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Die komplette Datei können Sie sich hier herunterladen.
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Wie kann Partizipation in Organisationen und Projekten ermöglicht werden?
Es gibt ganz konkrete Maßnahmen und Verfahren, wie man Ehrenamtliche stärker partizipieren lassen kann.
Hier einige Vorschläge und Ideen:
- Durch beteiligtenorientierte Verfahren (z.B. Zukunftswerkstatt, Abfrage, …) mit den beteiligten Gruppen (oder deren gewählten Vertreter*innen) Entscheidungen vorbereiten bzw. Entscheidungen treffen. Oder die Entscheidung findet danach in Gremien (bzw. bei denen, die dafür bestimmt sind) statt
- Die Verantwortung über Budget, Arbeitsschwerpunkte, Schlüsselgewalt, etc. komplett oder teilweise an die ehrenamtlichen Gruppen übertragen
- Bei den Ehrenamtlichen Meinungen abfragen oder einen regelmäßig ausgewerteten Meinungskasten aufhängen; hier wird eine Meinung zu einem bestimmten Thema abgefragt und dann z.B. durch Mehrheit entschieden bzw. über einen anonymen „Briefkasten“ Meinungen zu einem Thema gesammelt und durch Mehrheit entschieden
- In den ehrenamtlichen Teams oder den ehrenamtlichen Einzelpersonen Ziele der ehrenamtlichen Tätigkeit oder des Projektes gemeinsam absprechen (Zielvereinbarung und Zielverhandlung); wie das Ziel erreicht wird, liegt allein in den Händen des Teams bzw. des/der Ehrenamtlichen
- Ehrenamtliche bzw. Freiwillige bei der Ideenentwicklung und Planung von Angeboten, Projekten oder auch Engagementmöglichkeiten einbinden oder sie bei der eigenständigen Entwicklung unterstützen
- ….
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Sarah G. Hoffmann
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Den Sozialraum im Blick - Ein Online-Workshop
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“Sozialraumorientierung“ ist ein Begriff, der in der Sozialen Arbeit oft verwendet, aber nicht immer verstanden wird. Gemeint ist damit, dass es klug ist, in unserer Arbeit mitzubedenken, dass unsere Lebensverhältnisse und Handlungsmöglichkeiten nicht allein durch unsere ökonomischen Möglichkeiten bestimmt sind. Vielmehr stecken auch in unseren sozialen Bezügen und kulturellen Hintergründen vielfältige Chancen, aber oft auch entscheidende Nachteile. Dieser Gedanke hat, zu Ende gedacht, erhebliche Konsequenzen für die Politik, die Architektur, die Stadtplanung … und vielleicht auch für das Freiwilligenmanagement.
Im Herbst vergangenen Jahres haben wir uns zusammen mit ausgebildeten Freiwilligenmanager*innen des Erzbistum Paderborn in einem Drei-Stunden-Online-Workshop der Frage gewidmet, wie wir das Konzept der Sozialraumorientierung auch für die Arbeit mit Ehrenamtlichen und Freiwilligen nutzen können. In Pandemiezeiten, da viele die Vereinzelung der Menschen beklagen, scheint es besonders verlockend, sich mit Tools zu beschäftigen, die helfen, Menschen in Kontakt zu bringen und zu einem Engagement zu aktivieren.
Tatsächlich gibt es eine Menge von Ideen und Methoden zur Aktivierung und Beteiligung, die ihre Wurzeln in sozialraumorientierten Konzepten wie beispielsweise die Gemeinwesen- und Stadtteilarbeit haben. Einige davon haben wir uns angesehen und diskutiert. Am interessantesten erschienen uns dabei diejenigen, die dabei helfen, die Interessen und das Wollen der Menschen in ihrem Umfeld zu entdecken. Es gibt beispielsweise die Idee, im Rahmen von Spaziergängen mit Interessierten das eigene Wohnquartier unter die Lupe zu nehmen, um daraus neue Engagements zu entwickeln. Eine andere Methode ist die Befragung von sogenannten Schlüsselpersonen, die nicht unbedingt lokale „Größen“ sein müssen, sondern vielleicht die Verkäuferin im Supermarkt oder der alte Herr, der regelmäßig mit seinem Hund spazieren geht. Deren speziellen Sichtweisen eröffnen unter Umständen eine neue Perspektive auf „Steine des Anstoßes“ für die es lohnt, sich zu engagieren. Gemeinsam ist den vorgestellten Tools, dass sie Aktivität und Selbsthilfe in den Vordergrund stellen; eine Perspektive, die wir im Freiwilligenmanagement der aufgabenoffenen Gewinnung von Freiwilligen zuordnen würden.
In diesem Workshop haben wir mit einer Plattform gearbeitet, auf der wir bereits Tools zur Sozialraumorientierung eingestellt hatten, auf der aber auch Teilnehmende ihre Ideen und Erfahrungen veröffentlichen können. Damit war der Online-Workshop angelehnt an unsere Arbeitsweise, die sich in unseren Präsenzseminaren bewährt hat: Fachlicher Input durch uns Referent*innen und viel Austausch und Entwicklung neuer Ideen durch die Teilnehmenden selbst.
Den Online-Workshop zum Thema Sozialraumorientierung bieten wir auch gerne zugeschnitten auf Ihre Organisation an.
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