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FACHARTIKEL

Das Engagement gut beenden – wie gestaltet man den Abschied von freiwillig Engagierten?
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Warum der Abschied aus dem Engagement so schwer ist?
In den allermeisten Fällen tun sich Freiwillige sehr schwer ihr Engagement zu beenden. Nicht nur, weil es eine sehr starke innere Verbundenheit der Engagierten mit ihrer freiwilligen Tätigkeit gibt, die meist sogar stärker ist als die Verbundenheit zur eigenen Erwerbsarbeit. Das haben zwei Schweizer Psychologen in einer Untersuchung herausgefunden und in ihrem Buch "Psychologie der Freiwilligenarbeit" 2015 veröffentlicht. Oft ist auch nicht klar, wie "das Aufhören" überhaupt funktioniert, also wen man wann anspricht und ob die Entscheidung respektiert wird oder ob man "überredet" wird zu bleiben. Und auch wenn "aller Anfang schwer" ist, so sieht man, das "Aufhören" ist oft sogar schwerer.

So passiert es, dass sich Freiwillige langsam aus dem Engagement „herausschleichen“ oder ganz plötzlich gar nicht mehr erscheinen. Oder man bleibt, obwohl man schon längst nicht mehr kann oder will und man wird dann immer unzufriedener. Und manche fangen einfach gar nicht erst an sich zu engagieren, weil sie Angst haben, nicht mehr „losgelassen“ zu werden.

Hier ein paar Zitate, die die Schwierigkeit des Aufhörens noch einmal verdeutlichen:
"...einerseits will ich aufhören, andererseits kann ich es mir ohne Ehrenamt auch nicht vorstellen"
"...wenn ich gehe, was bleibt dann von mir?“
"...ich möchte die Anderen nicht im Stich lassen“
"...jemanden, der meine Aufgaben übernimmt, wird sich sicher nicht finden“
"...ich trau mich nicht, zu sagen, dass ich aufhören möchte“
"...was soll ich bloß ohne mein Ehrenamt machen?“ 


Unterschiedliche Motive für die Beendigung eines Engagements

Die Gründe, ein Engagement beenden zu wollen, sind genauso vielfältig, wie die Motive dafür, ein Engagement zu beginnen. Hier ein paar mögliche Motive, wie sie so oder so ähnlich in Befragungen immer wieder genannt werden (s. Freiwilligensurvey 2019).

+ Neben meinem Beruf hat das Ehrenamt leider keinen Platz mehr 
+ Ich habe keine Zeit mehr mich zu engagieren, weil mich meine Familie stärker braucht
+ Das Engagement ist vorbei, weil das Projekt zu Ende ist
+ Ich fühle mehr und mehr meine gesundheitlichen Einschränkungen
+ Ich fühle mich schlicht zu alt für die Aufgabe
+ Die Aufgabe macht mir einfach keinen Spaß mehr
+ Ich fühle mich in der Organisation nicht mehr wohl
+ ...

Mögliche Schwierigkeiten bei der eigenen Verabschiedungskultur
  • Das "Aufhören" wird in der Organisation tabuisiert, so dass sich Engagierte nicht trauen zu sagen, dass sie aufhören wollen
  • Engagierte haben ein schlechtes Gewissen, weil die Suche nach Nachfolgern schwer ist bzw. sie sich selbst darum kümmern müssen
  • Engagierte wissen nicht, wann man den Ausstieg bei wem ankündigen soll
  • Es gibt keine klaren Regelungen, wie Menschen verabschiedet werden sollen
  • Es ist für die Verabschiedung von freiwillig Engagierten kein Budget eingeplant
  • ...

TIPP:
Machen Sie öffentlich, wer ansprechbar ist, wie eine Verabschiedung in der Regel abläuft und dass es auch in Ordnung ist, ein Engagement zu beenden.
Abschied - Teil 1
Die ganz "normale" Verabschiedung aus einem Engagement
Verabschiedungskultur
Eine gute Verabschiedungskultur einer Organisation bedeutet, dass die Engagierten ohne schlechtes Gewissen, mit viel Anerkennung und Wertschätzung für ihr Engagement angemessen und an sie angepasst verabschiedet werden. Außerdem müssen sie wissen, dass es eine Kultur der Verabschiedung gibt und möglicherweise sogar die Verabschiedung in Form von Ritualen, Geschenken, Gesprächen, Einladungen usw. nach ihrer Engagementdauer und ihrem Stundeneinsatz "gerecht" stattfindet.
So kann die Möglichkeit, ein Engagement auch wieder zu beenden, von Anfang an benannt und darüber informiert werden, dass und welche Verabschiedungsformen es innerhalb der Organisation gibt.


TIPP:
Thematisieren Sie den Ausstieg bereits beim Einstieg ins Engagement!
Oder besser noch, machen Sie Werbung damit, dass man bei Ihnen auch unkompliziert wieder aussteigen und sein Engagement beenden kann.



Wichtige Elemente einer guten Verabschiedungskultur

Hier einige Elemente, mit denen Sie eine Verabschiedungskultur aufbauen oder weiterentwickeln könnten:

...eigene Rituale für den Abschied finden, z.B. gemeinsam zum Essen gehen oder jemanden auf einem Fest, einer Mitgliederversammlung oder in einem Gottesdienst würdigen und feierlich verabschieden

… dabei den Menschen als Ganzes und nicht nur seine Arbeit, die Leistung und den Beitrag für die Organisation wahrnehmen

....einen Bericht über den oder die Engagierte oder ein Portrait in den digitalen Netzwerken oder Printmedien veröffentlichen

...sich Zeit nehmen und ein Gespräch führen, um gemeinsam zurückzuschauen, das Engagement zu reflektieren und zu würdigen, um als Organisation Rückmeldung zu bekommen und um gemeinsam auf die Zeit nach dem Engagement zu schauen

...persönliche oder "einzigartige" Geschenke, kleine Aufmerksamkeiten, Fotodokumentationen, Bilder, Collagen, Blumensträuße, etc. machen

... einen Engagementnachweis oder Kompetenznachweis (was hat der oder die Engagierte während der Zeit gelernt und welche Kompetenzen wurden dazugewonnen) für die Engagementzeit ausstellen

...einen Stammtisch für die "Ehemaligen" gründen

...Engagierte in einer Alumni-Datenbank aufnehmen, um sie evtl. weiterhin einladen oder informieren zu können

 

Die Verabschiedungs-Matrix
Ein System für eine "gerechte" Verabschiedungskultur

Unter diesem Link  können Sie sich eine Exel-Datei herunterladen, mit der Sie über ein Punktesystem, die Art der Verabschiedung abhängig vom individuellen Beitrag des bzw. der Engagierten herausbekommen. Sie sollten sowohl das vorgeschlagene Punktesystem überprüfen, also auch die Tabelle mit den Verabschiedungsprozess für sich und Ihre Organisation füllen. Danach sollten Sie mit Ihrem ersten Entwurf der Verabschiedungs-Matrix starten und Ihr neues System regelmäßig nachbessern. 
Abschied - Teil 2
Der nicht so einfache Abschied

 

Die "Trennung"
Wir möchten hier auch der Frage nachgehen, wie ein Verabschiedungsprozess aussehen könnte, wenn die Organisation den oder die Engagierte*n aufgrund bestimmter Vorkommnisse einseitig verabschieden möchte oder muss.
Gründe für die Trennung von Engagierten
Zunächst stellt sich die Frage, wer darf die gemeinsame Zeit beenden, nach welchen Kriterien wird das getan, wer entscheidet den Zeitpunkt für eine Auflösung und wie findet das statt?
Hier einige Gründe für eine Beendigung eines ehrenamtlichen Engagements, also der Trennung von Engagierten:
  • Eigentumsdelikte
  • massive Schweigepflichtverletzungen
  • wiederholte Überschreitung bestehender Regeln und Grenzen
  • institutionsschädigendes Verhalten
  • unüberbrückbare persönliche Differenzen
  • Kollision von Weltbildern, Zielen und Wertvorstellungen ...

TIPP:
Jede Organisation muss die Kriterien für sich festlegen. Gehen Sie also darüber mit Ihren Vorgesetzten, Ehrenamtlichen, die schon lange da sind und anderen Mitarbeiter*innen ins Gespräch. Je klarer diese Diskussion abgeschlossen ist, desto klarer kann eine Entscheidung getroffen werden und alle auch dahinterstehen.
Der Trennungsprozess
Die Beendigung eines Engagements von Seiten der Organisation ist ein Prozess, muss also in einem bestimmten Zeitraum gedacht werden und sollte nach folgenden Schritten ablaufen.

Zunächst ist es wichtig, in Ruhe abzuwägen und genau zu prüfen, ob genügend Gründe für eine Auflösung des Engagements vorliegen. Hat man selbst für sich diese Entscheidung getroffen, braucht es einen Konsens innerhalb der Organisation. Diese offizielle Entscheidung für eine Trennung sollte gemeinsam bzw. unter Einbeziehung mit der Organisationsleitung getroffen werden. So kann man im Trennungsgespräch klar sagen: "Wir haben uns entschieden…“ und nicht “...ich habe mich entschieden…“.

Meist sind Rückmeldegespräche über ein nicht zu akzeptierendes Verhalten des Engagierten oder der Engagierten vorausgegangen. Dies sollte dokumentiert sein, so dass man im Gespräch auch darauf Bezug nehmen kann.

Es sollte ein internes festgelegtes Verfahren innerhalb der Organisation geben, wie ein Verabschiedungsprozess aussieht. 

Und natürlich muss ein Gespräch, in dem dies bekannt gegeben wird, professionell vorbereitet und geführt werden, möglicherweise zwei Vertreter*innen aus der Organisation dabei sein und in einem adäquaten Setting gesprochen werden. Im Gespräch sollte sehr klar die Auflösung des Engagements angesprochen und die Gründe dafür erklärt werden. Und dennoch muss auf eine wertschätzende Kommunikation Wert gelegt werden. Das heißt, die Person soll gesichtswahrend aus dem Engagement gehen können.

Eine Checkliste, um den Trennungsprozesses gut zu gestalten, finden Sie hier.

TIPP:
Überlegen Sie sehr klar, worauf Sie am Ende des Gesprächs hinauswollen. Was wollen Sie wirklich dem/der Anderen sagen und welche Botschaften möchten Sie rüberbringen. Behalten Sie dies unbedingt im Auge. Das ist Ihr Gesprächsfaden.
 Ihre Carola und Oliver Reifenhäuser
 
beratergruppe ehrenamt 2024

 

 
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