Wir Kaninchenschützer kennen uns in unserem Verein aus - ob aktiv, passiv oder fleißiger Forenbesucher! Aber habt Ihr auch schon einmal über den "Vereinstellerrand" geschaut? Wie arbeiten andere Tierschutzvereine, wo setzen sie ihre Schwerpunkte, was ist ihnen in ihrer Tierschutzarbeit besonders wichtig und wie gehen sie es an? Unsere neue Kampagne "Über den Tellerrand geschaut" beschäftigt sich in loser Folge mit dem Engagement und Herzblut, das andere Menschen in andere Vereine einbringen und das uns Kaninchenschützer mit Hunde-, Katzen-, Hühner- oder Mäuseschützern verbindet.
Unser erstes Interview haben wir mit Jenny von "Rettet das Huhn e.V." geführt.
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"Rettet das Huhn" ist ein Verein, der sich um den Schutz und die Rettung und artgerechte Vermittlung ausgedienter Legehennen kümmert. Wie hat sich der Verein gegründet, was gab den Ausschlag und Impuls für Eure Gründung?
Die Initiative wurde 1998 Katja Tiepelmann aus NRW ins Leben gerufen. Damals wohnte sie in der Nähe eines Legehennenbetriebes und fragte sich, wie sie den Tieren helfen könnte. Kurzerhand sprach sie den Betreiber an, der der Kooperation vorsichtig zustimmte. Nachdem Katja die ersten 500 Hennen in einer einwandfreien Aktion von ihm abholte, übergab er ihr auch die restlichen 500 Tiere. Seitdem arbeitet der Betrieb mit uns zusammen. Zusätzlich haben wir noch eine weiteren Betrieb in NRW und einen in Niedersachsen, von dem wir jeweils den kompletten Bestand abnehmen, wenn dieser eigentlich zum Schlachter gehen soll. Seit Sommer diesen Jahres sind wir nun auch ein gemeinnütziger, eingetragener Verein: Rettet das Huhn e.V.
Wo trifft man Euch?
Hauptsächlich sind wir über unsere Internetpräsenz
www.rettetdashuhn.de und über unsere Facebook-Seite zu erreichen. Auf unserer Website kann man sich auch in den Verteiler aufnehmen lassen und ist so immer über alle aktuellen Dinge informiert. Gelegentlich haben wir auch Stände in Tierheimen, Tierschutzveranstaltungen oder auf veganen Messen.
Wie sind die Reaktionen von Menschen, auf die Ihr beratend zugeht oder die Ihr über Hühner-Massentierhaltung aufklären wollt?
In den meisten Fällen sind die Menschen schockiert. Nur wenige wissen von den schrecklichen Zuständen, z.B. davon, daß jährlich 45 Mio Legehennen "entsorgt" werden, weil sie keine Eier mehr legen und zusätzlich 45 Mio Bruderküken als Eintagsküken vergast oder geschreddert werden, weil sie "unbrauchbar" sind. Auch stellen sich die meisten unter "Bodenhaltung" immer noch kleine Betriebe mit glücklichen Hennen vor - sie wissen nicht, daß Bodenhaltung bedeutet, daß pro m² in mehretagigen Hallen bis zu 18 Hennen gehalten werden können. Die Hennen leben in sozialem Dauerstreß, reißen sich die Federn gegenseitig aus und hacken sich bis aufs Blut. Davon haben die meisten Menschen noch nie gehört und sie sind dementsprechend schockiert, wenn wir ihnen Bilder zeigen und ihnen von den Umständen erzählen.
Was braucht ein Huhn, um rundum glücklich zu sein?
Artgenossen, frische Luft, viel Freilauf auf Grün, frisches Trinkwasser, eine artgerechte Fütterung, ein Sandbad, einen mardersicheren Stall für die Nacht und viele Möglichkeiten, um nach Insekten zu scharren!
Im Kaninchenschutz e.V. machen wir bei unseren Beratungen die Erfahrung, daß teilweise schwer traumatisierte Kaninchen bei liebevoller, artgerechter Pflege in den allermeisten Fällen wieder zu glücklichen, sozialverträglichen Tieren werden können. Wie sieht das bei Euren geretteten Hühnern aus - hängt ihnen ihr früheres Leben in Massentierhaltung nach?
Die nicht artgerechte Haltung hängt den Tieren nur kurzzeitig nach - in fast allen Fällen fangen die Tiere noch am Tag der Rettung an, zu scharren und im Sand zu baden, obwohl sie dies vorher nicht kannten. Auch ihre Angst vor Menschen legt sich nach wenigen Tagen. Verhaltenstechnisch merkt man ihnen nach einer Woche nicht mehr an, woher sie gekommen sind. Nur die Wunden und das fast nicht vorhandene Gefieder erinnert daran, wie schlimm sie es hatten. Nach ca. sechs Monaten haben sie aber gemausert und erstrahlen auch optisch in voller Schönheit!
Bei wem in Eurem Verein kann man sich erkundigen, wenn man überlegt, einem oder mehreren Hühnern ein artgerechtes Zuhause zu geben? Welche Punkte muß man vielleicht besonders beachten, bevor man sich Hühner anschafft?
Am Besten wendet man sich an den nächstgelegenen Ansprechpartner - eine Liste findet man auf unserer Website. Mit dem Ansprechpartner kann man alle Fragen klären. Bevor man sich Hühner anschafft, sollte man sich, wie bei jedem Tier, Gedanken darüber machen, ob man ein Tierleben lang die Verantwortung für sie übernehmen möchte und auch bereit ist, die Tierarztkosten für ein krankes Huhn zu zahlen. Außerdem sollte man überlegen, ob genug Platz vorhanden ist und in der jeweiligen Wohngegend das Halten von Hühnern erlaubt ist - das kann man bei der örtlichen Gemeinde erfragen.
Das Interview wurde geführt am 20.09.15 von Presseteam-Mitglied Sabine Hage-Malsch mit Jenny Breit, Ansprechpartnerin bei "Rettet das Huhn" in Niedersachsen.